Die Permanente Revolution bei Trotzki

08.10.2022, Lesezeit 30 Min.
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Versammlung des Petrograder Sowjets. 1917. Quelle: Wikipedia

Teil 3 einer Artikelreihe zur Theorie der Permanenten Revolution

Dies ist der letzte Teil der Artikelreihe zur Permanenten Revolution. Teil 1 und Teil 2 erschienen in den vergangenen Wochen.

Von „nepreryvnaja revolucija“ (aus dem Russischen übersetzt: Revolution in Permanenz) sprach Trotzki1 selbst erstmals nach der russischen Revolution von 1905: „Zwischen dem unmittelbaren und dem Endziel sollte es eine permanente Verbindung geben“2.

Die Perspektive einer ununterbrochenen Revolution stellte wie bereits erörtert eine Zäsur dar, da die damals vorherrschende Doktrin „unter breiten Schichten der russischen sozialdemokratischen Bewegung“3 lautete: Die Revolution muss zwischen dem bürgerlich-demokratischen und dem sozialistischen Stadium durch eine Phase des Kapitalismus unterbrochen werden. Die Logik hinter dieser Theorie war eine abstrakte, derzufolge Revolutionen nur aus ihrer ökonomischen Basis heraus entstünden4. Wenn man ihr folgt, kommt man zu dem vermeintlich logischen Schluss, dass nicht nur bürgerlich-demokratische Revolutionen erst einmal den Kapitalismus hervorbringen müssen, da dieser das Proletariat5 – die ökonomische Basis der sozialistischen Revolution – hervorbringt und es in seinem Verlauf konzentriert, wodurch es sich erst organisieren und zu einem klassenbewussten revolutionären Subjekt werden kann, sondern auch dahin, Marx so wörtlich zu nehmen, dass man schlussendlich glaubt, Kapitalismus müsse erst einmal alle Möglichkeiten ausgelotet haben, bevor er einer anderen Produktionsweise weicht6.

Wenn dem so wäre, könnte die Geschichte der Menschheit bis aufs kleinste Detail geplant werden. Die Realität politischer Ausdrücke hat jedoch ihre eigene Entwicklungslogik7 – beispielsweise hatte Kapitalismus in Russland sich ohne bürgerliche Demokratie entwickelt und weder 1905 noch 1917 erschöpft8. So bestimmt nicht nur der Stand der Produktivkräfte9, sondern ebenso die Verhältnisse des Klassenkampfes, die internationale Situation, „Tradition, Initiative, Kampfbereitschaft“10 und unvorhersehbare Ereignisse11, wann es zur Diktatur des Proletariats12 kommt. Dabei besteht zwischen dem objektiven Faktor des Entwicklungsgrades und dem subjektiven Faktor der Fähigkeit der Arbeiter:innenklasse, die Macht zu erobern, keine formale, mechanische Beziehung13. Vielmehr ist es ihre Wechselwirkung, die eine revolutionäre Situation herausbildet14.

Einige dieser zentralen Gedanken, die Trotzki 1906 zusammenschrieb, hatte er schon zuvor formuliert15. Tatsächlich ausgearbeitet hat er sie jedoch v. a. 1906 in „Ergebnisse und Perspektiven [der Russischen Revolution]“ und 1928 in „Die Permanente Revolution“. Der letzte Text entstand einerseits als Reaktion auf Verunglimpfungen und Verleumdungen des ersten, u. a. seitens Karl Radeks16, weshalb er die Form einer Verteidigungsschrift angenommen hat und andererseits während der chinesischen Revolution von 1926 bis 192817, was zu einer Verallgemeinerung der Theorie führte.

In dessen Rahmen unterteilte Trotzki seine Theorie, die zugleich ein politisches Programm18 und eine politische Strategie19 darstellt, in drei wesentliche Gedankengänge:

  1. den Übergang von der demokratischen Revolution in die sozialistische,
  2. die allmähliche Umgestaltung der Gesellschaft und
  3. der internationalistische Charakter20.

Da genau diese Aufschlüsselung auch in Sekundärliteratur mehrmals vorzufinden ist21, möchte ich mich ihr im Folgenden anschließen. Ich gehe dabei davon aus, dass die drei genannten Momente sich nicht zwingend mechanisch nacheinander abspielen, sondern vielmehr so sehr miteinander verschmolzen sind, dass sie sich überschneiden. Da es für ein umfassendes Verständnis der Permanenten Revolution nach Trotzki essentiell wichtig ist, jeden einzelnen von ihnen durchdrungen zu haben, werde ich sie zu analytischen Zwecken trotzdem voneinander trennen. Die Theorie ergibt sich jedoch erst aus ihrer Vereinigung und kann deshalb auch nur zusammengesetzt begriffen werden.

Der Übergang von der bürgerlich-demokratischen Revolution in die sozialistische

In der Theorie der permanenten Revolution zeichnete Trotzki den historischen Werdegang bürgerlich-demokratischer Revolutionen nach22. Als bürgerlich-demokratisch bezeichnete er all jene Revolutionen, deren treibende Kraft die Bourgeoisie ist23. In ihnen führt diese einen Kampf gegen „den alten Staatsapparat der Monarchie […] und den gutsherrlichen Besitz“24 an,

hervorgerufen durch die Widersprüche zwischen der Entwicklung der Produktivkräfte der kapitalistischen Gesellschaft und den überlebten ständischen und staatlichen Verhältnissen aus der Zeit der Leibeigenschaft und des Mittelalters25.

Trotzki verband seine Analysen der konkreten gesellschaftlichen Verhältnisse stets mit den ihnen entsprechenden konkreten Aufgaben26. Für die bürgerlich-demokratische Revolution kristallisierte er hauptsächlich folgende heraus: Konstituierende Versammlung, allgemeines Wahlrecht, Presse- und Versammlungsfreiheit27, einen achtstündigen Arbeitstag, Konfiskation des Bodens, nationale Unabhängigkeit und Selbstbestimmungsrecht der in diesen Nationen wohnenden Völker28. Nichtsdestotrotz existierte Trotzki zufolge die Notwendigkeit, in „zurückgebliebenen“ Ländern von der bürgerlich-demokratischen zur sozialistischen Revolution zu schreiten. Dabei ging es ihm keineswegs um einen isolierten Sprung des Proletariats29, sondern darum, dass die Perspektive einer sozialistischen Revolution schon aus der bürgerlich-demokratischen erwächst30, dass also die bürgerliche Demokratie eine unmittelbare Einleitung zur sozialistischen Revolution wird31. Diese Fusion der von anderen als Stufen oder Etappen definierten Phasen des revolutionären Prozesses führten ihn zu einem Verständnis, das diese eben nicht voneinander trennt, sondern miteinander verbindet: „Die permanente Revolution […] bedeutet eine Revolution, […] deren jede weitere Etappe in der vorangegangenen verankert ist“32.

Im Gegensatz zur französischen Revolution, in der Arbeiter:innen gemeinsam mit der aufsteigenden Bourgeoisie gegen den Absolutismus33 kämpften, manifestiere sich die Verankerung der sozialistischen in der bürgerlich-demokratischen Revolution dadurch, dass das Proletariat sich „heute“ nach dem Aufstieg der Bourgeoisie zur herrschenden Klasse gezwungen sähe, demokratische Forderungen aufrechtzuerhalten34 und damit statt ihr die Führung im Kampf gegen den Absolutismus zu übernehmen. Dieser Zwang zur Konsequenz ergebe sich aus der Unfähigkeit der nationalen Bourgeoisien in Ländern, in denen die Basis der nationalen Wirtschaft auf der Landwirtschaft beruht35, die Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution zu erledigen. Das wiederum sei der Tatsache geschuldet, dass sich diese Bourgeoisien im Vergleich zu jenen der Länder, in denen sich die bürgerlich-demokratische Revolution bereits einige bis mehrere Jahrzehnte zuvor vollzogen hatte, spät konstituiert hatten. Denn das Privileg, nicht in alle Fußstapfen der Entwicklung „fortgeschrittenerer“ Staaten treten zu müssen, führte zum Überspringen der „Epoche der Manufaktur und des städtischen Handwerks“36 und einer stattdessen unter dem Druck des europäischen Kapitals gewordenen kapitalistischen Großindustrie inkl. Industrieproletariat37. Dieser wiederum ist das verspätete Hinzukommen einer vom „Volk“ isolierten, auch ausländischen, unbedeutend großen, bürgerlichen Klasse zuzuschreiben, die unfähig war, eine echte Opposition zu bilden38, da ihre weitere Herausbildung durch den Staat eingeschränkt war und sie einerseits noch so eng mit feudalen Ausbeutungsformen und andererseits schon mindestens genauso eng mit der Weltfinanz verbunden waren, dass sie sich selbst weder vom Agrarfeudalismus noch vom ausländischen Imperialismus losreißen konnten39. Damit stand wiederum ihr Interesse der Hauptaufgabe der bürgerlich-demokratischen Revolution – den Absolutismus abzuschaffen – zum Teil entgegen, weswegen sie ihr nicht sehr enthusiastisch nachgingen40. Genauso wie die Angst vor der Stärke des Proletariats, das viel konzentrierter und damit organisierter als zuvor war, äußerte sich das sowohl 1905 als auch im Februar 1917 u. a. in jedem nur denkbaren Bereich.

Trotzki führt dafür beispielhaft Situationen an, in denen die unterschiedlichen Interessen des Proletariats und der Bourgeoisie zu einer Möglichkeit für ersteres würden, um aufzuzeigen, dass die im Rahmen der bürgerlich-demokratischen Revolution versprochenen Verbesserungen von letzterer gar nicht zu erringen sind, weshalb stattdessen der Weg zum Sozialismus – an dem die Arbeiter:innen ein objektives Interesse haben – einzuschlagen ist.

Würde z. B. diskutiert, die maximale Arbeitszeit pro Tag auf acht Stunden zu verkürzen, käme es zu Widerstand seitens der Kapitalist:innen, dem sie durch das Androhen von Fabrikschließungen und Arbeitslosigkeit Ausdruck verleihen würden. Eine bürgerliche Regierung mit der Bourgeoisie an der Macht könnte dem nichts entgegensetzen, da ihr demokratisches Programm Privateigentum an Produktionsmitteln schützt. Sie würde den Achtstundentag nicht einführen und jeglichem Protest mit brutaler Repression begegnen41. Eine Politik solch arbeiter:innenfeindlicher Maßnahmen würde das Proletariat schon an sich auf die Rebellion gegen das Privateigentum allgemein und damit für das Ende des Kapitalismus vorbereiten42. Zudem würde sie es peu à peu von der Notwendigkeit überzeugen, nach dem Sturz der Regierung selbst die Macht zu übernehmen, um sicherzustellen, dass die demokratischen Aufgaben tatsächlich erfüllt werden. Die tatsächliche Erfüllung wäre in diesem Fall die Einführung des Achtstundentages, was aber unter den o.g. Bedingungen nur eine proletarische Regierung tun könnte, da nur sie ein genuines Interesse daran hat, das Privateigentum abzuschaffen. Sie würde deshalb die geschlossenen Fabriken und Betriebe entschädigungslos enteignen und unter Arbeiterkontrolle verstaatlichen43.

Das Beispiel, das Trotzki am detailliertesten ausführt, um aufzuzeigen, wieso die Aufgaben, vor die die aus der bürgerlich-demokratischen Revolution hervorgegangene Regierung gestellt wird, „mit weitgehenden Eingriffen in die bürgerlichen Eigentumsrechte verbunden sind“44 und daher von der Bourgeoisie nicht vollendet werden können, ist jedoch das der Bodenfrage. Ich möchte deshalb nun so kurz wie möglich und so lang wie nötig darauf eingehen.

Im Russland von 1905 stellte das Bauerntum die soziale Basis für einen revolutionären Prozess dar45, da es den mit Abstand größten Teil der Bevölkerung bildete46. 1897 lebten 87 Prozent auf dem Land47 – im Vergleich zu den vorherigen Jahrzehnten und Jahrhunderten war das sogar wenig. Nachdem Bäuer:innen ab 1861 nicht mehr an einen bestimmten Acker gebunden waren, migrierten Millionen von ihnen in Städte. Trotzki war es wichtig, die Zusammensetzung des Bauerntums zu analysieren. Auch wenn das Jahr 1861 für die Bauernschaft befreiend war, gehörten große Güter stets Großgrundbesitzer:innen. Die meisten Bäuer:innen wurden weiterhin gezwungen, ihnen regelmäßig Ablösegeld für Ländereien zu zahlen48 und waren deshalb hoch verschuldet und mehr als zuvor wirtschaftlich von ihnen abhängig. Es stand im Interesse der bäuerlichen Massen, diesem Zustand ein Ende zu setzen. Eine der populärsten vorgeschlagenen Lösungen der Bodenfrage war die „Schwarze [sic] Umverteilung“, die alles Land sozialisieren sollte49. Trotzki zufolge hätte es in zweierlei Hinsicht keinen Sinn ergeben, so vorzugehen:

  1. Ein solches Vorhaben hätte die komplette Enteignung des gesamten Bodens vorausgesetzt, die nicht nur die Großgrundbesitzer:innen sondern auch die mittleren und armen Bäuer:innen treffen würde, da Erstere teilweise selbst kleine Äcker besaßen und die Grundeigentümer:innen Letzteren das Land, für das sie regelmäßig zahlten, in Aussicht stellten50. Die Bäuer.innenschaft würde sich deshalb gegen die Regierung, von der sie eine Lösung der Bodenfrage erwarteten, auflehnen51 und damit zur Anführerin der revolutionären Politik werden52. Der ihr innewohnende Klassenunterschied würde sich jedoch früher oder später in einem Konflikt entladen53, weil die einander diametral gegenüberstehenden Interessen von Grundeigentümer:innen und besitzlosen, bäuerlichen Massen unvereinbar sind: „Was für den einen vorteilhaft ist, schadet dem anderen“54.Das verhindert auch den Aufbau einer Bäuer:innenpartei, die nur entweder die eine oder die andere Seite vertreten könnte55. Aus diesem Grund ist die Bäuer:innenschaft in ihrer Gesamtheit unfähig, eine selbstständige politische Rolle zu spielen56. Um nicht der Bourgeoisie zu folgen, die sich mit Gutsbesitzer:innen vereinen und dann die Bäuer:innenrevolution schlagen würde57, muss sie vom Proletariat geführt werden58, da nur dieses die Möglichkeit hat, das Funktionieren der gesellschaftlichen Wirtschaft durch Einzel- oder Generalstreiks teilweise oder ganz zu unterbrechen, weil die Produktionsmittel auch nur von ihm in Bewegung gesetzt werden59. Die Revolution wiederum wird nur siegreich sein, wenn die Diktatur des Proletariats sich auf die Bäuer:innenschaft stützt – wenn sie also von ihr gewollt ist60, da „das Proletariat seine Macht nicht konsolidieren [kann], ohne die Basis der Revolution zu verbreitern“61. Es bedarf daher der Unterstützung der Bäuer:innenschaft62, die durch ausgleichende Verteilung verloren ginge.
  2. Große Güter würden erst in viele Einzelteile zersplittert werden, um dann privatwirtschaftlich bearbeitet zu werden. Wirtschaftlich gesehen wäre ein solches Vorgehen verschwenderisch und somit nicht-sozialistisch63.

Um die millionenköpfige russische Bäuer:innenschaft für die Politik der Sozialdemokratie zu gewinnen, schlug Trotzki stattdessen eine kompromisslose, radikaldemokratische Lösung der Landfrage vor64: Auf dem Land große Güter und in der Stadt die Produktion unter Arbeiter:innenkontrolle zu verstaatlichen65. Diese Maßnahmen müssten mit einem Verbot der Lohnarbeit einhergehen, durch das kleinkapitalistisches Wirtschaften verunmöglicht würde66. Die Bodenfrage stellte damit eines der vielen Probleme dar, die letztendlich nur durch das Ergreifen sozialistischer Maßnahmen zufriedenstellend gelöst werden können:

Kurz gesagt: Eine vollständige und wahrhaftige Lösung der nationalen und demokratischen Aufgaben in den Ländern des peripheren Kapitalismus wäre unter der Führung der nationalen Bourgeoisie unmöglich67.

Diese Erkenntnis war auch eine der Lektionen, die Trotzki aus der Revolution von 1905 zog. Für ihn musste die Epoche der bürgerlich-demokratischen Revolution deshalb durch den Aufbau von Sowjets68 gekennzeichnet sein69. Diese stellen insofern die zentralen Einrichtungen der sozialistischen Demokratie dar, dass sie der städtischen Selbstverwaltung dienen, von der proletarischen Masse selbst planmäßig zur Koordinierung ihres revolutionären Kampfes geschaffen und von dieser Masse gewählt wurden, der gegenüber sie zudem verantwortlich bleiben70. Die Erledigung der im Rahmen bürgerlich-demokratischer Revolutionen durchzuführenden Aufgaben – abstrakt: Abschaffung des Absolutismus und Vernichtung seiner materiellen Organisation; konkret: Organisierung der Wahlen zur Konstituierenden Versammlung, Einführung des Achtstundentags, Schaffung von Sowjets der Bauernkomitees und Umwandlung dieser zu Organen der Agrarrevolution – fiele somit Arbeiter:innen, Soldaten und der werktätigen Bäuer:innenschaft zu71. Während bürgerliche Demokratie auf der abgesehen von Wahlgängen in zwei-, vier-, fünf- oder siebenjährigen Abständen Passivität von Arbeiter:innen beruht, kann sozialistische Demokratie nur durch ihre Selbstaktivität existieren72. Dies ist der grundlegende Unterschied zwischen ihren Formen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das erste Element der Permanenz einerseits zwischen der bürgerlich-demokratischen und der sozialistischen Revolution dadurch entsteht, dass sich immer und immer wieder, in wahrhaftig jedem nur vorstellbaren Bereich, die demokratischen Ressourcen der Bourgeoisie so früh erschöpfen, dass sie sich selbst als zur Durchführung ihres demokratischen Programms unfähig erweist. Andererseits wird es durch das Sammeln konkreter Erfahrungen von Selbstorganisation hervorgebracht. Im Laufe dieses Prozesses rückt die Machtergreifung immer mehr in den Fokus der Gedanken des Proletariats um eine zufriedenstellende Lösung, da es realisiert, dass nur es selbst mit der Unterstützung der bäuerlichen Massen, vollständige Demokratie hervorbringen kann73.

Die allmähliche Umgestaltung der Gesellschaft

Trotzkis zweiter Gedankengang in der Theorie der Permanenten Revolution betraf schon die sozialistische Revolution selbst. Voraussetzung für diese sei die Diktatur des Proletariats74 – ganz im Gegensatz zu „fortgeschrittenen“ Ländern, in denen sich die Geschichte inzwischen andersherum abspielen müsse. Während die Pariser Kommune noch die Diktatur des Proletariats errichtet hatte75, aber „noch keine sozialistische Kommune im Sinne eines voll entwickelten sozialistischen Staatswesen gewesen“76 sei, müsse eine sozialistische Revolution in Europa 1906 der Herrschaft der Bourgeoisie ein Ende setzen und die Diktatur des Proletariats hervorbringen, während die Diktatur des Proletariats in Russland „als Führer der demokratischen Revolution zur Herrschaft gelangt ist“77 und damit die sozialistische Revolution unmittelbar eingeleitet hat78. Das Proletariat an der Macht könnte sich dann in einer offenen Kraftprobe im Kampf um die Macht gegen die kapitalistische Reaktion beweisen79, indem sich seine Überlegenheit durch die tatsächliche Beschäftigung mit und Lösung von gesamtgesellschaftlichen Problemen zeigt. Eine solche Arbeiter:innenregierung würde nämlich, nachdem sie sich den notwendigen Massenentlassungen und -ausweisungen80 gewidmet hat, zur Demokratisierung aller sozialen Verhältnisse81 immer tiefgreifendere Reformen durchführen82 und somit peu à peu „die Grenzen zwischen dem Minimal- und dem Maximalprogramm der Sozialdemokratie aufheben“8384. Sie würde der Maximalforderung, das Regime der Selbstherrschaft und der Leibeigenschaft endgültig zu vernichten85, mit der Zeit immer gerechter werden. Ein solcher Prozess wäre nötig, da der Rückhalt, den das Proletariat zum Zeitpunkt der Machtergreifung in der Bevölkerung genießt, der sie ihm erst ermöglicht hat86, ihm längerfristig nur durch eigenes Zutun zugesichert werden kann. Auf den Trümmern der erfolgreich gesprengten, alten Gesellschaft eine neue aufzubauen87, gestaltet sich dann jedoch als schwierigere Aufgabe. Schon Marx hatte gesagt:

Es wäre unsinnig anzunehmen, das Proletariat brauche lediglich die Macht zu bekommen – und schon werde es mit Hilfe einiger Dekrete den Kapitalismus durch den Sozialismus ersetzen88.

Stattdessen muss mit viel Zeit ein ganz neues System aufgebaut werden89: Ein System, in dem Privateigentum abgeschafft90, also aller Boden kollektiviert91, alle Produktion vergesellschaftet ist92 und alle Menschen dieselben demokratischen Rechte haben93. Trotzki hat diesen Prozess als zweites Element seiner Theorie benannt, da er alle Bereiche der Gesellschaft – wie auch beispielsweise Kultur, Gesundheit und Liebe94 – betrifft95. Zu jedem Zeitpunkt der sozialistischen Revolution wurden einige Bereiche bereits grundlegend umgewälzt während andere noch genauso funktionieren, wie sie es zuvor taten – ihnen also große Veränderungen noch bevorstehen. Wieder andere sind dafür darauf angewiesen, dass sich Wandel erst woanders vollzieht, da beispielsweise dort die Basis ihres Funktionierens zu verorten ist. Die Errichtung des neuen Systems hat also unermesslich viele Facetten. Das führt dazu, dass ihre Dauer unvorhersehbar und das Aufkommen innerer Widersprüche unvermeidlich sind:

Während einer unbestimmt langen Zeit und im ständigen inneren Kampfe werden alle sozialen Beziehungen umgestaltet. […] Revolutionen der Wirtschaft, der Technik, der Wissenschaft, der Familie, der Sitten und Gebräuche entwickeln sich in komplizierten Wechselwirkungen und lassen die Gesellschaft nicht ins Gleichgewicht kommen. Darin besteht der permanente Charakter der sozialistischen Revolution als solche96.

Durch die Erfordernis, diese Widersprüche aufzulösen – also zum Beispiel Wissenschaft zu revolutionieren, damit auch Technik infolgedessen auf den verbesserten, wissenschaftlichen Grundlagen optimiert funktionieren kann – setze sich die Permanenz der Revolution weiter fort.

Der internationalistische Charakter

Diese Fortsetzung hatte schon damals und hätte in der Welt, in der wir heute leben noch viel mehr Grenzen – im wahrsten Sinn des Wortes. Wenn wir mit einem materialistischen Geschichtsverständnis davon ausgehen, dass die Grundlage, die jede Sphäre einer Gesellschaft hauptsächlich bestimmt, ihr ökonomisches System ist, können wir schon lange nicht mehr nur eine Gesellschaft betrachten. Denn schon vor 1905 hatte der Kapitalismus alte Handelsbeziehungen zwischen einzelnen Unternehmer:innen und ganzen Unternehmen, die über Nationalstaaten hinausgegangen waren, so weit entwickelt, dass Trotzki sagen konnte:

Indem der Kapitalismus allen Ländern seine Wirtschafts- und Verkehrsweise aufdrängt, hat er die ganze Welt in einen einzigen ökonomischen und politischen Organismus verwandelt. Wie der moderne Kredit Tausende von Unternehmern durch ein unsichtbares Band verknüpft und dem Kapital eine erstaunliche Beweglichkeit verleiht, viele kleine Privatbankrotts verhindert, damit aber zugleich die allgemeinen Wirtschaftskrisen zu unerhörten Ausmaßen steigert – so hat auch die ganze ökonomische und politische Arbeit des Kapitalismus, sein Welthandel, sein System monströser Staatsschulden sowie die politischen Gruppierungen von Nationen, die alle Kräfte der Reaktion in eine Art weltweite Aktiengesellschaft einbeziehen, nicht nur allen einzelnen politischen Krisen entgegengewirkt, sondern auch den Boden für eine soziale Krise von unerhörten Ausmaßen bereitet97.

Der Kapitalismus hatte nämlich nicht nur einen Weltmarkt geschaffen, sondern auch eine internationale Arbeitsteilung und globale Produktivkräfte98. Er hatte damit zwar einerseits „zurückgebliebene“ und „fortgeschrittene“ Länder in eine gegenseitige Abhängigkeit gebracht – Erstere waren auf die weiter entwickelte Technik Letzterer und Letztere auf die Rohstoffe Ersterer angewiesen99 – aber andererseits die Voraussetzung für die sozialistische Umgestaltung der gesamten Weltwirtschaft geschaffen100: Ein grenzenloses Proletariat.

Trotzkis Vorhersage in Bezug auf den Anfang eines solchen revolutionären Prozesses war schon 1906 folgende: „Es ist möglich, daß das Proletariat in einem ökonomisch rückständigen Lande eher an die Macht kommt als in einem kapitalistisch fortgeschrittenen Land“101.

Ausgangspunkt dieser Schlussfolgerung war folgende Analyse des welthistorischen Kontextes, innerhalb dessen sich ebenjene Entwicklung entfalten musste102: Im weltweiten Kapitalismus konkurrieren Staaten miteinander. In der Auseinandersetzung mit „fortgeschrittenen“ Staaten kann ein „zurückgebliebener“ Staat deshalb nur verlieren oder gewinnen, was in diesem Fall bedeutet: untergehen oder die Entwicklung aufholen103. Wenn er versucht, selbst den Kapitalismus zu etablieren, dessen Entwicklung quasi zu erzwingen, steht er sich früher oder später selbst im Weg. Während ein solcher Staat „als Folge dieses von Westeuropa ausgeübten Drucks“104 einen Großteil des erwirtschafteten Mehrprodukts105 behält, hemmt er unbeabsichtigterweise die Herausbildung einer besitzenden und damit privilegierten Klasse106 und fördert die des Proletariats. Dessen Zahl, vor allem aber dessen Kraft und Einfluss wächst wiederum so schnell107, dass es immer mächtiger wird, während die Bourgeoisie zunehmend an Bedeutung verliert108. Diese Bedingungen würden einen freiwilligen Übergang zum Parlamentarismus immer unwahrscheinlicher109 und die Macht des Proletariats auf der Basis einer national-demokratischen Revolution immer wahrscheinlicher machen110.

Würde diese bürgerlich-demokratische Revolution in eine sozialistische übergehen, könne dies nur ein provisorischer Zustand sein, weil zusammen mit den wachsenden Erfolgen auch die inneren und äußeren Widersprüche fortgehend anwachsen111. Einen zentralen dieser Widersprüche stellt Isolation dar. Da andere, nicht-sozialistische Staaten kaum politisches Interesse daran haben, Beziehungen zu einem sozialistischen Staat aufrechtzuerhalten – im Gegenteil112 – würde dieser zunehmend vom Rest der Welt abgeschnitten werden.

Trotzki prognostizierte, dass sich die Bäuer:innenschaft unter dem Fortbestehen der Bedingungen des Mangels, die durch Isolation nur noch weiter verschärft würden, von der Arbeiterklasse abwenden würde113. Dieser würde zudem die Herausbildung einer bürokratischen Kaste begünstigen, die zuerst wieder zu einer Herrschaft einiger weniger über die vielen anderen und früher oder später zu einer Konterrevolution, die das Land weit zurückwürfe, führen würde114. Diese wiederum würde letztendlich in einer vollständigen, kapitalistischen Restauration enden115. Die Degradierung der Sowjetunion lieferte den Beweis für diese Thesen116.

Doch hatte er in der Realität der Weltwirtschaft als Grundlage seines strategischen Denkens auch einen Ausweg gesehen117: Die Überwindung des nationalen Rahmens der Revolution118. Er setzte seine Hoffnung auf die Revolution in erst einem und dann mehreren „fortgeschrittenen“ Ländern, da das „zurückgebliebene“ Land so nicht mehr isoliert wäre, sondern militärische und ökonomische Unterstützung hätte, die den desolaten Bedingungen im Arbeiter:innenstaat ein Ende setzen und erst die Möglichkeit eröffnen würde, die sozialistische Revolution tatsächlich zum Erfolg, einer neuen, sozialistischen Gesellschaft, die frei von Klassen und Privateigentum ist (vgl. Löwy 1981: 15), zu führen: „Die sozialistische Revolution beginnt auf nationalem Boden, entwickelt sich international und wird vollendet in der Weltarena“ (Trotzki 1928: 186).

Der internationalistische Charakter der Revolution ist somit der dritte Gedankengang von Trotzkis Theorie der Permanenten Revolution: „Die internationale Revolution stellt einen permanenten Prozeß dar“ (ebd. 1929: 60).

Permanent sei dieser eben schon deshalb, weil das Proletariat an der Spitze eines „zurückgebliebenen“ Landes von Anfang bis Ende den Rückhalt der „fortgeschrittenen“ Länder suchen müsse (vgl. Trotzki 1919: 193), um sich an der Macht zu halten und seine zeitweilige Herrschaft in eine dauernde sozialistische Diktatur umwandeln zu können (vgl. Trotzki 1906: 265).

Fußnoten

1. Leo Trotzki (1879-1940) wurde, nachdem Lenin im Jahre 1924 verstarb, zum Anführer der linken Opposition in der III. Internationale und somit zum bekanntesten Kritiker der Bürokratisierungsprozesse, die sich in der Sowjetunion vollzogen. Stalin schickte ihn deshalb 1929 ins Exil, von wo aus er die IV. Internationale gründet. Er kehrte nie wieder in die Sowjetunion zurück, sondern wurde in Mexiko, im Alter von 60 Jahren, von einem von Stalin beauftragten Agenten ermordet.

2. Vgl. Trotzki, zitiert nach Martow 1926: 164f., zitiert nach Löwy, Michael (1981): The Politics of Combined and Uneven Development. The Theory of Permanent Revolution. London: Verso, S. 40, eigene Übersetzung

3. North, David (2012): Verteidigung Leo Trotzkis. 2. erweiterte Auflage. Essen: Mehring, S. 39

4. Vgl. Liszt, Gabriela (2011): Prólogo a la compilación „teoría de la revolución permanente“. In: Trotsky, León (Hg.): La teoría de la revolución permanente. Buenos Aires: IPS-CEIP, S. 31

5. Marxist:innen verwenden die Begriffe Arbeiter:innen, Arbeiter:innenklasse und Proletariat synonym. Sie alle bezeichnen dabei eine der Klassen, die aus dem den Kapitalismus kennzeichnenden Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit hervorgeht und zwar die, die ihre Arbeitskraft verkaufen muss, da sie sonst nichts besitzt. Infolge dieses Verkaufes ist es abhängig von dem Lohn, den es für die Arbeit, die es errichtet, erhält. Die Bourgeoisie, die Kapitalist:innen oder auch die besitzende Klasse – auch diese Begriffe werde ich ihm Rahmen dieser Artikelreihe synonym verwenden – stellen hingegen die Klasse dar, die selbst keine produktive Arbeit leistet, sondern dafür auf dem Markt die Arbeitskraft der Arbeiter.innen kauft. Dieser, dann unmittelbar in der Produktion beschäftigte Teil der Bevölkerung produziert jedoch über den eigenen Verbrauch hinaus Wert, den sogenannten Mehrwert. Dieser Überschuss kommt aber nicht ihnen, dem Proletariat, selbst zugute. Stattdessen eignen Kapitalist:innen sich ihn an. Dieser Prozess wird Ausbeutung genannt.

6. „Marx hat gelehrt, daß keine Gesellschaftsordnung von der Bühne abtritt, bevor sie ihre schöpferischen Möglichkeiten ausgeschöpft hat“ (Trotzki, Leo (1937): Neunzig Jahre „Kommunistisches Manifest“. . Demnach hätte auch eine neue Gesellschaftsordnung nur auftreten können, wenn die vorherige zuvor in jeglicher Hinsicht aufgebraucht worden ist (vgl. James, C.L.R. (1937): World Revolution. 1917-1936. The Rise and Fall of the Communist International. London: Martin Secker & Warburg, S. 61).

7. Vgl. Löwy 1981: 97

8. Vgl. James 1937: 61

9. Produktivkräfte sind nach Marx alle Kräfte, die zur Produktion aufgewandt werden müssen, wie z. B. Wissen, Maschinen und Rohstoffe. Der Begriff „Produktivkräfte“ bezeichnet allerdings nicht bloß die Summe seiner Teile, sondern ihr spezifisches Zusammenwirken. Sie umfassen also sowohl menschliche Arbeitskraft als auch Arbeitsmittel und das zu bearbeitende Material, wovon die erste Komponente die wichtigste darstellt, da die Gegenstände unter den Produktivkräften auch als Produktionsmittel zusammengefasst werden. Diese sind, wie das Wort eigentlich schon verrät, alle Mittel zur Produktion, jedoch nur die materieller Art, worunter sowohl Gebäude bzw. Flächen als auch Arbeitsgegenstände wie bspw. Werkzeuge fallen. Sie stellen somit – zusammen mit der menschlichen Arbeitskraft und dem zu bearbeitenden Material – die Voraussetzung für jegliche Produktion dar.

10. Trotzki, Leo (1906): Ergebnisse und Perspektiven. In: Trotzki, Leo (1993): Die Permanente Revolution. Essen: Arbeiterpresse, S. 224

11. Vgl. Löwy 1981: 50

12. Der Begriff „Diktatur des Proletariats“ ist für die Meisten allein schon deshalb abschreckend, weil er „Diktatur“ beinhaltet. Marx und Engels hatten es synonym zu Begriffen wie „Regierung der Arbeiterklasse“ und zur Beschreibung der Pariser Kommune von 1871 genutzt (vgl. Bergmann, Theodor (1995): Diktatur des Proletariats. In: Haug, Wolfgang Fritz (Hg.): Historisch-Kritisches Wörterbuch des Marxismus. Band 2. Hamburg: Argument, S. 720f.). Zwar hatten sie zudem relativ klar definiert, dass die Diktatur des Proletariats nur den Übergang zu einer klassenlosen Gesellschaft darstellen würde und was ihre Hauptaufgaben sein werden. Doch hatte erst Lenin in „Staat und Revolution“ eine breitere Definition erarbeitet. Ihm zufolge stellte die Diktatur des Proletariats einen Staat dar, der den Übergang zwischen Kapitalismus und Kommunismus bildet und deshalb im Gegensatz zur Diktatur der Bourgeoisie in der bürgerlichen Demokratie nach und nach abstirbt (vgl. Lenin, Wlaadimir Iljitsch (1917): Staat und Revolution. Berlin: Dietz, S. 26).

13. Vgl. North, David (2015): Die Russische Revolution und das unvollendete Zwanzigste Jahrhundert. Oak Park: Mehring, S. 337

14. Vgl. Trotzki 2013: 80, zitiert nach Albamonte, Emilio/Maiello, Matías (2017): Estrategia socialista y arte militar. Buenos Aires: IPS-CEIP, S. 26

15. Vgl. Trotzki, Leo (1905a): Introduction to Ferdinand Lassalle’s Speech to the Jury. In: Day, Richard/Gaido, Daniel (2009): Witnesses to Permanent Revolution. The Documentary Record. Leiden: Brill, S. 413-445: 444f.; ebd. (1905b): Foreword to Karl Marx, Parizhskaya Kommuna. In: Day, Richard/Gaido, Daniel (2009): Witnesses to Permanent Revolution. The Documentary Record. Leiden: Brill, S. 500-520: 502f., 518f.

16. Karl Radek (1885-1939) war ein Freund Trotzkis. Zusammen waren sie Protagonisten der russischen Revolution von 1905. Nachdem er in den linken Flügel der sozialdemokratischen Parteien Deutschlands und Polens Organisierungserfahrungen gesammelt, mit Rosa Luxemburg – eine der bedeutendsten Anführer:innen des linken Flügels der Zweiten Internationalen (vgl. Albamonte/Maiello 2017: 43) – und Lenin diskutiert, kritische Theorie produziert und jahrelang in der Opposition der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, der KPdSU, aktiv gewesen war, folgte auf seinen Ausschluss aus der Partei erst eine Phase, in der er sich mehr oder weniger freiwillig Stalin anschloss (vgl. Liszt 2011: 29, 32). Dieser warf ihm jedoch später Trotzkismus vor und verbannte ihn in ein Arbeitslager, wo er ermordet wurde.

17. Im Rahmen der als Nordfeldzug in die Geschichte eingegangenen zweiten chinesischen Revolution schlug die Dritte Kommunistische Internationale unter Stalin einen verheerenden Kurs ein: Sie sprach sich für eine Allianz mit bürgerlichen Nationalist:innen wie Chiang Kai-shek (1887-1975) aus (vgl. John, Sandór (2009): Bolivia’s Radical Tradition. Permanent Revolution in the Andes. Chicago: The University of Arizona, S. 24). Diese Perspektive beruhte auf der Annahme, dass Arbeiter:innen, Bäuer:innen, Handwerker:innen, Intellektuelle und die nationale Bourgeoisie in China miteinander mehr Gemeinsamkeiten haben als mit Imperialist:innen (vgl. Roberts, John (2016): China. From Permanent Revolution to Counter-Revolution. London: Wellred, S. 73). Trotzki hingegen erkannte nicht an, dass die Konsequenz der nationalen oder kolonialen Unterdrückung Chinas die Unterordnung der Kommunistischen Partei Chinas unter Kai-sheks (klein-)bürgerliche Kuoamintang, die Nationale Volkspartei Chinas, sein sollte (vgl. Liszt 2011: 29). Seiner Meinung nach implizierten die Aufgaben der demokratischen Revolution in China, gegen den Imperialismus zu kämpfen, was rein „objektiv“ schon die Perspektive der Diktatur des Proletariats aufwarf (vgl. ebd.: 31). Die chinesischen Kommunist:innen, die chinesische Arbeiter:innenklasse und das chinesische Volk haben einen schweren Preis dafür bezahlt, dass Trotzkis Weg in China nicht befolgt wurde (vgl. Mandel, Ernest (1992): Trotzki als Alternative. Berlin: Dietz, S. 149): Am 11. April 1927 wurden Zehntausende von ihnen ermordet (vgl. ebd.: 138).

18. Ein politisches Programm beinhaltetet die politischen Ziele, für die ihre Verfasser:innen (ein)stehen und kämpfen (wollen). Für Trotzki war das Programm die Grundlage einer gemeinsamen Organisierung und implizierte ein einheitliches Verständnis der Realität und der daraus resultierenden politischen Augaben (vgl. Trotzki, Leo (1938): Das Programm vervollständigen und in die Tat umsetzen. In: Trotzki, Leo (1997): Das Übergangsprogramm. Der Todeskampf des Kapitalismus und die Aufgaben der 4. Internationale. Essen: Arbeiterpresse, S. 165).

19. Eine politische Strategie zeigt die Methoden auf, mit denen zu den im politischen Programm (vgl. Fußnote 18) festgelegten Zielen gelangt werden soll. Sie lässt sich deshalb nicht von ihm und außerdem nicht von politischen Taktiken trennen, da diese Clausewitz zufolge einzelne Gefechte zum Zweck des Krieges verbindet (vgl. Clausewitz 1969: 147, zitiert nach Albamonte/Maiello 2017: 45).

20. Vgl. Trotzki, Leo (1929): Einleitung. In: Trotzki, Leo (1993): Die Permanente Revolution. Essen: Arbeiterpresse, S. 57ff.

21. Vgl. unter anderem Löwy 1981: 15, Liszt 2011: 32f.

22. Vgl. North 2012: 42

23. Vgl. Trotzki, Leo (1928): Die Permanente Revolution. In: Trotzki, Leo (1993): Die Permanente Revolution. Essen: Arbeiterpresse, S. 91

24. Ebd.: 137f.

25. Ebd. 1929: 53

26. Vgl. Mandel, Ernest (1992): Trotzki als Alternative. Berlin: Dietz, S. 35-188: 140

27. Vgl. Trotzki 1929: 66f.

28. Vgl. ebd. 1928: 181

29. Vgl. ebd.: 90

30. Vgl. ebd.: 94

31. Vgl. ebd. 1929: 59

32. Ebd.: 57

33. Absolutismus (von absolutus, aus dem Lateinischen übersetzt: losgelöst) ist ein System, in dem absolute Monarchie herrscht.

34. Vgl. ebd.: 181

35. Vgl. Löwy 1981: 90

36. Trotzki 1928: 150

37. Vgl. ebd.: 127

38. Vgl. Mehringer, Hartmut (1978): Permanente Revolution und Russische Revolution. Die Entwicklung der Theorie der permanenten Revolution im Rahmen der marxistischen Revolutionskonzeption 1848-1907. Frankfurt: Peter Lang, S. 254

39. Vgl. Löwy 1981: 90

40. Vgl. North 2012: 44

41. Vgl. Trotzki 1906: 238

42. Vgl. Dahmer, Helmut (2012): Interventionen. Münster: Westfälisches Dampfboot, S. 128f.

43. Vgl. Trotzki 1906: 238

44. Ebd. 1928: 185

45. Vgl. Löwy 1981: 210

46. Vgl. ebd.: 93

47. Vgl. Trotzki 1906: 208

48. Vgl. ebd.: 263

49. Vgl. ebd.

50. Vgl. ebd.

51. Vgl. ebd.

52. Vgl. ebd.: 264

53. Vgl. ebd.: 267

54. Ebd.: 251

55. Vgl. ebd. 1928: 184

56. Vgl. ebd. 1906: 233

57. Vgl. ebd. 1928: 142

58. Vgl. ebd.: 116

59. Vgl. ebd. 1906: 253

60. Vgl. ebd. (1939): Tres concepciones de la Revolución Rusa. In: Trotsky, León (2011): La teoría de la revolución permanente. Buenos Aires: IPS-CEIP, S. 99-115: 114

61. Ebd. 1906: 231

62. Vgl. John 2009: 40

63. Vgl. Trotzki 1906: 263f.

64. Vgl. North 2012: 41

65. Vgl. Trotzki 1906: 264

66. Vgl. ebd.

67. Löwy 1981: 91, eigene Übersetzung

68. Sowjets (aus dem Russischen übersetzt: Räte) waren die basisdemokratischen Organe von Arbeiter:innen, Soldaten und Bäuer:innen, die sowohl in der Vorbereitung als auch in der Durchführung der russischen Revolutionen von 1905 und 1917 eine entscheidende Rolle spielten, indem sie deren Protagonist:innen vereinten. Sie öffneten dabei allen von ihnen die Türen, da sie an kein politisches Programm (vgl. Fußnote 18) gebunden waren. Das wiederum bedeutete, dass alle politischen Strömungen und/oder Parteien um ihre Führung kämpfen konnten, was letztendlich den Bolschewiki gelang.

69. Vgl. Trotzki 1928: 181

70. Vgl. ebd.: 123; 1906: 221f.

71. Vgl. ebd. 1928: 122f.

72. Vgl. Löwy 1981: 226f.

73. Vgl. John 2009: 40

74. Vgl. Mehringer 1978: 236

75. Vgl. Fußnote 12

76. Mehringer 1978: 236

77. Trotzki 1928: 185

78. Vgl. ebd. 1929: 59

79. Vgl. Trotzki 1906: 224, 274f.

80. Diese sind notwendig, da in Armee und Verwaltung ganze Einheiten bzw. Teams arbeiten, „die sich mit dem Blut des Volkes befleckt haben“ (vgl. Trotzki 1906: 235). Die gesellschaftlichen Beziehungen müssen erst einmal von den Überresten des alten und den Ablagerungen eines neuen Feudalismus gereinigt werden (vgl. Mandel 1992: 139), um neu gedacht werden zu können.

81. Vgl. ebd.: 235

82. Vgl. Trotzki, Leo (1919): Vorwort. In: Trotzki, Leo (1993): Die Permanente Revolution. Essen: Arbeiterpresse. S. 191-197: 193

83. Ebd. 1906: 237f.

84. Nach Trotzki beschränkt sich ein Minimalprogramm „auf Reformen innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft“ (Trotzki 1938a: 86) während ein Maximalprogramm „die Ersetzung des Kapitalismus durch den Sozialismus“ (ebd.: 86f.) verspricht.

85. Vgl. ebd. 1928: 140

86. Vgl. ebd. 1906: 235

87. Vgl. ebd.: 258

88. Marx 1871: 343, zitiert nach ebd.: 260

89. Vgl. ebd.: 235

90. Vgl. ebd.: 262

91. Vgl. ebd. 1928: 94

92. Vgl. ebd. 1906: 260

93. Vgl. ebd.: 232

94. Vgl. Gasper, Phil (2010): Permanent Revolution in the Twenty-First Century. Interview with Michael Löwy. In: Löwy, Michael (Hg.): The Politics of Combined and Uneven Development. The Theory of Permanent Revolution, 2. Auflage, gekürzter Nachdruck der 1. Auflage 1981. Chicago: Haymarket, S. 145-154: 152

95. Vgl. Trotzki 1929: 59

96. Ebd.

97. Ebd. 1906: 267

98. Vgl. ebd. 1928: 186

99. Vgl. ebd.: 187

100. Vgl. ebd.: 186

101. 224

102. Vgl. North 2012: 42

103. Vgl. Trotzki 1906: 200

104. Ebd.: 201

105. Im Kapitalismus produzieren Arbeiter:innen mehr als zu ihrer eigenen Erhaltung notwendig ist. Dieser Überschuss wird in der klassisch-marxistischen Wirtschaftslehre Mehrprodukt genannt. In ihm stellt sich der Mehrwert (vgl. Fußnote 5) dar.

106. Vgl. Trotzki 1906: 201

107. Vgl. ebd.: 211

108. Vgl. ebd.: 228

109. Vgl. ebd.: 206

110. Vgl. ebd. 1928: 164

111. Vgl. ebd. 1929: 60

112. Imperialistische Großmächte werden direkt intervenieren, um bürgerlich-demokratische Revolutionen zu stoppen (vgl. Martín, Jorge/Roberts, John (2018): Permanent Revolution in Latin America. London: Wellred, S. 7), da die Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung in abhängigen Ländern für sie eine direkte Gefahr darstellen (vgl. ebd.: 6). Im Fall von Lateinamerika gibt es unzählige Beispiele von militärischen Interventionen, Invasionen, Putschen sowie Handels- und Finanzembargos (vgl. ebd.).

113. Vgl. Trotzki 1906: 275

114. Vgl. ebd. 1919: 192

115. Vgl. Roberts 2016: 426

117. Vgl. North 2012: 44

118. Vgl. Trotzki 1919: 192

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