#CoronaRealität: Wie mich das Studierendenwerk Berlin während Corona kündigte

16.04.2020, Lesezeit 7 Min.
Gastbeitrag

Am 1. März begann meine Tätigkeit an den Info-Points des Studierendenwerks an der TU Berlin. Ich hatte gehofft, das sei eine Einrichtung von Studis für Studis. Die Realität aber war anders. Ein Gastbeitrag von Nada, Studentin an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin.

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Bild: Die Mensa Nord in Berlin-Mitte, von Fridolin freudenfett – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0

Das Studierendenwerk Berlin, bei dem ich mich für einen Job bewarb, stellt sich folgendermaßen vor:

studierendenWERK BERLIN. Wir sind der Dienstleister für die Studierenden der Berliner Hochschulen. Im Auftrag des Landes Berlin sorgen wir dafür, dass die Rahmenbedingungen deines Studiums stimmen! Herzlich Willkommen!

Ich selbst bin schon relativ alt für eine BA-Studentin und habe daher eine andere Berufserlebnis-Biographie als andere Kolleg*innen, die jünger sind als ich. Trotz Stipendium muss ich arbeiten, um meine Krankenversicherung (250 Euro) zu finanzieren.

Schon im Vorfeld bat ich darum, in Form eines Midijobs angestellt zu werden, da so arbeitgeberseitig die Hälfte der Sozialversicherung übernommen würde. Nach dreiwöchigem Ping-Pong zwischen Personalabteilung und Chefin stellte sich heraus, dass das Studierendenwerk Studierende nur als Minijobber*innen oder Werkstudenten einstellt. Es gibt kein sozialversicherungspflichtiges Angestelltenverhältnis, es sei denn die Studis arbeiten über 20 Stunden – dann aber verlieren sie ihren Studi-Status.

Arbeitsvertrag und Dienstvertrag

Schon der Arbeitsvertrag kam mir in vielen Punkten nicht vertrauenswürdig vor. Da ich allerdings dringend einen Job brauchte, fragte ich nicht nach.

Die direkte Vorgesetzte wollte in der Dienstplanung von mir wissen, wie lange ich von wo zu dem jeweiligen Einsatzort benötigte. Auch private Details wurden abgefragt, also ob ich von zu Hause startete oder von woanders. Als ich mitteilte, dass ich das sehr eingreifend in meine Privatsphäre fände, erwiderte sie nichts weiter.

Das passt leider zu der Policy, dass die erwachsenen Mitarbeiter*innen wie unmündige Menschen behandelt wurden. Es herrscht kein Vertrauen. Die größte Schwierigkeit für die Teamvorgesetzte schien die Einteilung der Dienstzeiten, sodass die Studis auf die jeweilige Minijobbasis von 450 Euro kommen, weil „ja jeder Monat eine unterschiedliche Arbeitstag-Anzahl hat“. Sie kam dann auf die glorreiche Idee, dass ich nicht zur monatlichen 90-minütigen Teamsitzung kommen solle, da dies die Planung des Arbeitszeitkontos einfacher mache. Ich wurde dahingehend nicht gefragt, sondern es wurde bestimmt – auch eine Strategie, um kollegiale Selbstorganisation zu verhindern.

Corona im Team

Am 16. März arbeitete ich mit einer Kollegin, die wenige Tage später mit Verdacht auf Corona unter Quarantäne stand. Da ich verunsichert war, ob ich dann weiter zur Arbeit kommen sollte, schrieb ich meiner direkten Vorgesetzten eine E-Mail. Daraufhin kam eine sehr unpassende Reaktion mit einem belehrenden Hinweis, die ich zurückweisen musste; die direkte Vorgesetzte entschuldigte sich daraufhin bei mir.

Während der Corona-Startphase wurde verlangt, dass wir im Team zu mehreren Personen auf engem Raum arbeiten. Daraufhin schrieb ich, dass ich lieber von zu Hause arbeiten würde und trug Ideen vor, was ich im Home-Office machen könnte. Eine Antwort blieb zuerst aus, so bin ich am 19. März persönlich am Arbeitsplatz erschien. Vor Ort teilte mir die Bereichsleitung mit, dass es ab Mitte April keine Arbeit mehr gebe und schickte mich umgehend nach Hause.

Am 20. März wurde offiziell auf Notbetrieb umgestellt, viel später als an der FU Berlin. Mir wurde gesagt, dass kein Geld vorhanden sei, um alle Studis weiterhin bis Ende April zu bezahlen. Ich reagierte cool, da ich zu wissen glaubte, dass das Studierendenwerk alle Kolleg*innen kündigen würde, „da es keine Arbeit mehr gibt“.

Was war der Kündigungsgrund?

Mir wurde am 31. März schriftlich per E-Mail vorab mitgeteilt, dass ich gekündigt werde, in meiner Probezeit mit einer Frist von 14 Tagen. Am 7. April kontaktierte mich der Personalrat, da er sich sehr über meine Kündigung wunderte. Der Personalrat muss über Kündigungen informiert werden und diesen zustimmen. Er teilte mir mit, dass als Kündigungsgrund nicht der Corona-Notbetrieb genannt wurde, sondern dass ich nicht die Anforderungen der Stelle erfülle. Zur Erinnerung: Bereits an meinem dritten Arbeitstag war ich auf mich gestellt. Insgesamt arbeitete ich fünf Mal. Da mich diese Begründung wunderte, rief ich beim Personalrat an und teilte mit, dass mir ein anderer Grund genannt wurde, nämlich „weil es unklar ist, wie es mit den Info-Points weitergeht in Zeiten von Corona“.

Der Personalrat hakte bei der Leitung des Info-Points nach, weil in einer Krisensitzung abgemacht worden war, keine studentischen Mitarbeiter*innen zu kündigen. Mich verwunderte die Kündigung extrem, weil ich nicht gedacht hätte, dass das Studierendenwerk leichtfertig mit dem Thema Kündigung umgeht. Ich hatte ja zunächst angenommen, dass wegen Corona alle gekündigt werden. Dass ich jedoch die Einzige sein sollte, empfand ich als unfair.

Strukturelle Probleme

Das Hauptproblem war, dass nicht transparent kommuniziert wurde. Nie wurde über mögliche Lösungsangebote oder Planungsschritte geredet. Es wurden uns keine Infos gegeben. Es kam lediglich eine Rundmail. Eine Stunde, ehe die Notfonds für Studierende gestartet wurden, wurde uns der Tipp gegeben, uns dort um Unterstützung zu bewerben.

Der Personalratsmitarbeiter teilte in einem ausgiebigen Telefonat mit, dass sich die Teamleitung wiederholt nicht an Absprachen mit dem Personalrat gehalten habe. So war ganz konkret ausgemacht, dass niemand von den Studis gekündigt werden solle, um zu verhindern, „dass gleich alle abhängig vom Notfonds“ seien.

Uns wurde erst auf mehrmalige Nachfrage hin mitgeteilt, dass es nicht klar sei, ob es nach der Corona-Krise überhaupt noch Info-Points gebe. Es wurde immer mit der Wirtschaftlichkeit argumentiert. Für alle Studierenden gebe es im April weniger Stunden Arbeit als sonst. Schließlich würde an jedem Tag, den die Mensen geschlossen hätten, viel Umsatz verloren gehen. Auch Mieter*innen würden aufgrund der Krise wegbleiben.

Wir als Team haben die Notwendigkeit nicht verstanden, in einer menschenleeren, weil abgeriegelten TU zu sitzen. Unsere Aufgabe bestand darin, Emails an die Teamleitung weiterzuleiten, ab und zu ans Telefon zu gehen, die Schranke für Lieferant*innen zu öffnen oder Paketlieferungen anzunehmen. Die festangestellten Mitarbeiter*innen des Studierendenwerks waren überwiegend längst im Home-Office.

Andere im Team schrieben dem Personalrat, dass sie Angst vor Ansteckung hätten und nicht zur Arbeit gehen möchten, dass sie sich auch dagegen ausgesprochen hätten, einfach so in andere Abteilungen abberufen zu werden, ohne überhaupt gefragt zu werden. Ab dem 23. März wollten wir alle im Home-Office arbeiten, dem Wunsch wurde seitens der Leitung nicht entsprochen. Auch wurden die Schichten willkürlich mit irgendwelchen Teamkolleg*innen besetzt. Diese wurden nicht vorab gefragt.

Mittlerweile habe ich eine neue Arbeit ab dem 15. April gefunden. Das war wichtig für mich, da ich ja vom Studierendenwerk für April nur die Hälfte des Gehalts bekomme.

Postet unter #CoronaRealität oder in Kommentaren eure eigene Erfahrungen aus dem Alltags- und Arbeitsleben. Lasst uns unsere Stimmen stärken, damit nicht die Arbeiter*innen für diese Krise bezahlen.

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