Berliner Krankenhausbewegung kurz vor Abschluss? Gemeinsam kämpfen bis zum Schluss!

25.09.2021, Lesezeit 5 Min.
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Foto: Simon Zamora Martin

Berliner Krankenhausbewegung: Bei der Charité könnte es heute für die Beschäftigten der Pflege zu einem Tarifabschluss kommen und auch bei Vivantes kommt Bewegung in die Verhandlungen der Pflege. Bei den Tochtergesellschaften will der Konzern jedoch weiter schlechter zahlen. Pflege und Töchter müssen gemeinsam weiter kämpfen!

Das Angebot, was Vivantes in den gestrigen Verhandlungen vorlegte ist genauso dreist, wie der Umgang mit den Beschäftigten der landeseigenen Töchter. Sie hätten zwar das Angebot gemacht, bis 2028 das Lohnniveau an den Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes (VTöD) anzupassen, jedoch nur wenn es die ökonomische Situation des Konzernes zulasse. Was freilich schwer zu prüfen ist, wenn die Geschäftsbücher nicht offengelegt werden. Die beiden höchsten Lohnstufen wollten sie nicht einführen und nach der Tochter „Berlin Labor“ sollen nun auch die medizinischen Versorgungszentren von dem Tarifvertrag ausgeschlossen werden. Dafür verlangen sie jedoch eine Absolute Friedenspflicht für die nächsten sechs Jahre. Die Beschäftigten sollen auch nicht gegen Probleme streiken dürfen, die nicht tariflich geregelt sind. Eine skandalöse Forderung.

Die Verhandlungen in der Pflege scheinen zwar etwas weiter Fortgeschritten, aber auch hier gibt es viele Probleme. Ein zentrales Problem: nach wieviel überbelasteten Schichten soll es einen freien Ausgleichstag geben? Nach dem letzten Angebot der Arbeitgeberseite sollten dies 15 sein. In manchen Bereichen wie der Psychiatrie sollen die Beschäftigten keinen Anspruch auf einen freien Tag haben, sondern den Tag nur ausgezahlt bekommen. Doch hier steckt der Teufel im Detail: Wie hoch muss die Mindestbesetzung auf den verschiedenen Stationen sein? Und was sind spezielle Belastungssituationen, für die es mehr Personal braucht, um sie zu bewältigen? Auf den Wochenbettstationen tauchen beispielsweise die Neugeborenen gar nicht in den Patientenstatistiken auf. Und natürlich macht es einen Unterschied für die Belastung, ob es viele Operationen oder Kinder gibt, die permanent überwacht werden müssen.

Zwar sagte die Gewerkschaft ver.di vorsichtig optimistisch, dass es am Samstag ein annahmefähiges Angebot geben könnte, aber angesichts der vielen offenen Fragen und einer mehrstündigen Verzögerung im Verhandlungsstart ist dies durchaus zu bezweifeln. Was passiert, wenn die Pflege ein akzeptables Angebot bekommt, während der TVöD für die Töchter in weiter Ferne bleibt? Seit der Zerschlagung der Krankenhäuser gab es nicht mehr eine so große Einheit zwischen Pflege und den ausgegliederten Töchtern wie jetzt in der Berliner Krankenhausbewegung. Eine Einheit, die in der Vergangenheit leider oft bröckelte. 2011 streikte an der Charité beispielsweise die Pflege zusammen mit der Tochter CFM. Doch als die Pflege ein annehmbares Angebot bekam, wurde der Streik beendet. Die CFM ging leer aus.

Wie wichtig es ist, dass dieses mal der TVöD für die Töchter erkämpft wird, zeigen die Schilderungen eines Kollegen des Patientenbegleitservice aus Spandau. Täglich legen sie 30 Kilometer zu Fuß zurück, um Patient:innen durch das Krankenhaus zu schieben. ‘Die Vivantes Service Gesellschaft streikte zuletzt 2018 für einen TVöD. Nach 51 Tagen Streik übernahm die ver.di Fachbereichsleiterin Maike Jäger die Verhandlungen. In wenigen Stunden handelte sie ein Ergebnis aus, das deutlich unter dem TVöD lag. Viele Kolleg:innen waren damals überzeugt, dass mit nur einer Woche Streik deutlich mehr erzielt worden wäre. „Danach sind viele Kollegen von mir aus ver.di ausgetreten“, erzählt ein Kollege der Vivantes Service Gesellschaft KgK. „Viele von ihnen stehen heute auch leider nicht mehr draußen im Streik.“

Doch diesmal sind viele Sachen anders als damals. Zum ersten Mal seit der Ausgliederung der Tochterunternehmen kämpfen fast alle Krankenhausbeschäftigten zusammen für bessere Arbeitsbedingungen und können so einen viel größeren Druck entfalten, als alleine. Es ist eine historische Chance, alle Forderungen gemeinsam durchzusetzen. Mit dem System der Teamdelegierten gibt es eine viel größere demokratische Kontrolle des Kampfes. Die Tarifkommission kann nicht im Alleingang einen Abschluss machen, sondern alle Delegierten der einzelnen Bereiche müssen diesem zustimmen. Damit auch in Zukunft alle Beschäftigten mit vereinter Kraft kämpfen können, ist es wichtig dass dieses mal auch der TVöD durchgesetzt wird. Jetzt kommt es darauf an, dass die Pflege in ihren Verhandlungen die Forderungen der Töchter im Auge behält und versucht so lange einen Abschluss zu verzögern, bis Vivantes für die Forderungen der Töchter ebenfalls einknickt. Dadurch kann der politische und ökonomische Druck auf die Regierung und Vivantes für die Forderung nach TVöD voll aufrechterhalten werden.

Für alle Beschäftigte der Pflege und Töchter, mit denen KgK sprach, war klar: Es wird so lange zusammen gestreikt, bis die Forderungen der Pflege und Töchter erfüllt sind.

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