Tarifeinigung: GDL-Streik setzt 35-Stunden-Woche bei der Bahn durch

26.03.2024, Lesezeit 4 Min.
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Foto: Shutterstock.com / Kapi Ng

Der Arbeitskampf bei der Deutschen Bahn zeigt Wirkung: Die Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich kommt. Das ist ein wichtiges Signal für die gesamte Klasse.

Nach Meinung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wird „im Moment zu viel für immer weniger Arbeit gestreikt“, und das könne man sich aktuell einfach nicht leisten. Doch auch die gewerkschaftsfeindlichen Aussagen Habecks konnten den Sieg der streikenden Bahnbeschäftigten nicht aufhalten. Nach einem harten, monatelangen Arbeitskampf mit sechs Streikrunden konnte die GDL ihre zentrale Forderung durchsetzen: Die 35-Stunden-Woche für Schichtarbeiter:innen, bei vollem Lohnausgleich. Damit zeigen die Streikenden dem Wirtschaftsminister ganz praktisch: Das wird sich die Bahn leisten müssen. Und: Streik wirkt!

Konkret beinhaltet das Ergebnis eine stufenweise Reduktion der Regelarbeitszeit, zunächst  von 38 auf 37 Stunden ab 2026. Danach gibt es drei optionale Verkürzungen: Ab 2027 auf 36 Stunden, ab 2028 auf 35,5 Stunden, und schließlich 2029 auf 35 Stunden. Das ganze wurde um ein Wahlmodell ergänzt, welches der DB-Konzern gefordert hatte. Demnach können Beschäftigte wahlweise bis zu 40 Stunden pro Woche arbeiten und dafür pro zusätzlicher Wochenstunde 2,7 Prozent mehr Lohn erhalten.

Die Einigung im Bereich der Lohnforderungen fällt weniger eindrucksvoll aus. Hier soll es eine zweiteilige Erhöhung von insgesamt 420 Euro geben, zunächst 210 Euro dieses Jahr im August, dann nochmal 210 Euro im April 2025. Dazu wird eine Inflationsausgleichsprämie von 2.850 Euro in zwei Stufen gezahlt. Die GDL hatte zuvor 555 Euro mehr und eine Prämie von 3000 Euro gefordert.

Ergebnis bleibt teilweise hinter Möglichkeiten zurück

In Bezug auf die Arbeitszeitverkürzung ist das Ergebnis zukunftsweisend. Allerdings bleibt es auch stellenweise hinter den Möglichkeiten zurück, deren Grundlage bereits gelegt war, besonders in drei zentralen Bereichen. 

Die Einigung geht mit einer besonders langen Friedenspflicht einher. Der Tarifvertrag soll 26 Monate laufen, im Anschluss gibt es außerdem eine zweimonatige Verhandlungspause, während der auch nicht gestreikt werden kann. Zum Vergleich: Eine sogar etwas kürzere Laufzeit von 25 Monaten wurde von den Beschäftigten im TV-L in deren letzter Tarifrunde als viel zu lang kritisiert. Denn: Die Friedenspflicht setzt das mächtigste Mittel der Arbeiter:innen, ihren Bedürfnissen Gehör zu verschaffen, temporär außer Kraft. Damit sind Nachverhandlungen von vornherein ausgeschlossen und die Beschäftigten nicht in der Lage, auf zukünftige Veränderungen der ökonomischen Lage (z.B. Krisen und Inflation) adäquat und schnell zu reagieren. 

Außerdem sind Einmalzahlungen zum Inflationsausgleich zwar kurzfristig attraktiv, entpuppen sich aber längerfristig als Mogelpackung. Die ver.di-Betriebsgruppe FU kommentiert das wie folgt: „Diese sind ein ‚vergiftetes Geschenk‘ und kein Ersatz für echte Lohnerhöhungen, denn sie bedeuten ein lebenslänglich niedrigeres Lohn- und Rentenniveau.“ Denn auch die „Arbeitgeber“ müssen für diese Prämien keine Sozialabgaben zahlen.

Schließlich hat die GDL-Führung ein demokratisches Mandat ihrer Mitglieder nicht umgesetzt, die sich bereits im Dezember per Urabstimmung für unbefristete Erzwingungsstreiks ausgesprochen hatten. Gerade mit dieser Form des Arbeitskampfes hätten die Einmalzahlungen durch tabellenwirksame Entgelterhöhungen und die lange Tarifdauer durch eine kürzere ersetzt werden können. Auch damit bleibt der Streik hinter seinen eigenen Möglichkeiten zurück. In Anbetracht des Mandats für diese starken Maßnahmen hätte es eine erneute Urabstimmung über die finale Tarifeinigung geben müssen.

Ein starkes Signal an alle Beschäftigten

Dennoch ist das Ergebnis ein Meilenstein in den aktuellen Streikbewegungen Deutschlands. Erst kürzlich forderte die IG Metall bereits die Einführung der Vier-Tage-Woche für einige Sektoren. Jetzt fährt die GDL einen ersten Erfolg mit einer ähnlichen Forderung. Die Perspektive einer Arbeitszeitverkürzung sollte eine ständige Forderung für die gesamte Klasse sein, sowohl in Tarifauseinandersetzung als auch politisch. Sie ist eins der besten Mittel, um die Lebensqualität von Arbeiter:innen nachhaltig zu verbessern. Der Erfolg der GDL strahlt dementsprechend ein Signal an Beschäftigte und gewerkschaftliche Basisgruppen im ganzen Land aus: Fordert kürzere Arbeitszeiten, denn wenn wir entschlossen kämpfen, werden auch wir erfolgreich sein!

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