Alltag im Vivantes-Krankenhaus: Überstundenklau und Lohnraub

25.09.2021, Lesezeit 3 Min.
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Foto von Jbruiz / Shutterstock.com

7-Tage-Woche, 1.100 Euro Netto, Unterlaufen der Vergabemindestlöhne, gefälschte Schichtpläne: Die Bedingungen in der outgesourcten Reinigung des Berliner Krankenhauses Vivantes sind katastrophal. Sie streiken weiter dafür, den Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes zu bekommen.

„Bei uns wurde jetzt die 7-Tagewoche wieder eingeführt. Ohne Zustimmung des Betriebsrates!“ Die Kollegin des Speiseversorgungszentrums Neukölln – die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte – ist wütend. Inmitten des Streiks wäre diese Illegale Ausweitung der Arbeitszeit beschlossen worden. Jetzt arbeiten sie eine Woche 7 Tage und die darauffolgenden 6 Tage. Überstunden ohne Ende, die aber regelmäßig unterschlagen werden. Und trotzdem geht die alleinerziehende Mutter mit nur 1.100 Euro Netto nach Hause. Ihr Stundenlohn liegt unter dem Vergabemindestlohn des Landes Berlins. Obwohl sie für eine Vivantes-Tochter arbeitet, die zu 100 Prozent der Stadt gehört.

Die Wut ist groß. Über die miesen Löhne in einem landeseigenen Unternehmen, illegale Machenschaften in vielen Töchtern und über die Geschäftsführung von Vivantes. Vor allem über die Personalchefin Frau Schmidt. „Sie hat uns als Gurkentruppe bezeichnet“, schimpft eine Technikerin. Diese Verachtung gegenüber den Beschäftigten scheint sich offenbar auch in den Verhandlungen widerzuspiegeln. Ein Mitglied der Tarifkommission erzählte nach den gescheiterten Verhandlungen in einer Rede von den Verhandlungen. Die Arbeitgeber:innen hätten eine Erhöhung der Löhne für die Reinigungstochter Vivaclean um 20 Cent auf 11,11 Euro angeboten. Weit entfernt von dem Vergabemindestlohn. Bei Aufträgen, die das Land Berlin vergibt, müssen mindestens 12,50 Euro je Stunde gezahlt werden. Lyn erzählt mit bebender Stimme, dass die Personalmanagerin Frau Schmidt gesagt hätte: „das ist doch gar nicht so schlecht. Immerhin 2,9 Prozent.“

Wie die Realität bei der Reinigungstochter aussieht, erzählt eine Kollegin, die aus Angst nicht namentlich erwähnt werden möchte. Nicht nur die Bezahlung sei schlecht, sondern die Verletzung des Arbeitsrechtes sei die Regel. Sie hat glück. Im Gegensatz zu vielen anderen Kolleg:innen habe sie einen Vertrag von sieben und nicht nur sechs Stunden pro Tag. Gearbeitet hat sie letzten Monat 200 Stunden. Bei einer normalen 5-Tage-Woche wären das 10 Stunden täglich. „Oft werde ich gezwungen, von der Nacht- in die Frühschicht zu wechseln.“ Gesetzlich sind elf Stunden Ruhezeit zwischen zwei Schichten vorgeschrieben. Um diesen Gesetzesverstoß zu kaschieren, würde ihr Boss statt 6 Uhr Schichtbeginn 8 Uhr eintragen. Und wenn sie mal wieder zwölf Stunden am Stück arbeiten muss, würden ebenfalls nur acht eingetragen und die restlichen auf andere Tage verteilt werden. „Ab der neunten Stunde müssten sie nämlich einen Überstundenzuschlag von 25 Prozent zahlen.“

Gegen diese Bedingungen laufen seit Wochen Arbeitskämpfe zusammen mit den Beschäftigten der Pflege. Lies im zweiten Teil über den Stand des Kampfes.

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