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Antwort der FT-CI auf den Offenen Brief der FIR aus Italien (II)

19.06.2017, Lesezeit 15 Min.
Übersetzung:
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Gestern veröffentlichten wir den ersten Teil unserer Antwort auf den Offenen Brief, den uns die Genoss*innen der Frazione Internazionalista Rivoluzionaria (FIR) aus Italien geschickt haben. Im zweiten Teil erklären wir, wo wir politische Übereinstimmungen sehen und machen konkrete Vorschläge zur weiteren Zusammenarbeit.

Politische Übereinstimmungen

Genoss*innen, alle Gruppen der FT-CI haben mit großem Interesse und Sympathie euren politischen Kampf innerhalb der PCL verfolgt, genauso wie eure Anstrengungen, die nationaltrotzkistische Isolation zu durchbrechen, unter der eure ehemalige Organisation leidet. Dasselbe gilt für eure Schritte zur Verbreitung der Ideen und der Methoden des revolutionären Marxismus in der Arbeiter*innenklasse, unter den Frauen und der Jugend in Italien.

Als Teil dieses Prozesses haben wir durch die Lektüre eurer öffentlichen Dokumente und Erklärungen, sowie durch unsere gemeinsamen Treffen – besonders eure Teilnahme als Beobachter*innen am Gründungskongress der CRT im Spanischen Staat – wichtige politische Übereinstimmungen festgestellt.

Zuallererst stimmen wir in einer fundamentalen Frage überein, nämlich in der Überzeugung, dass der Internationalismus kein abstraktes Prinzip sondern eine strategische Frage ist. Die neue historische Etappe, in die wir eingetreten sind, macht den revolutionären Internationalismus immer notwendiger. Der Internationalismus gründet in den Widersprüchen des imperialistischen Kapitalismus: Zum einen steigt die Sozialisierung der kapitalistischen Produktion, während gleichzeitig nur eine Handvoll von Großkonzernen und Millionär*innen sich den sozialen Reichtum aneignen. Zum anderen stößt – wie Marx aufgezeigt hat – die Entwicklung der Produktivkräfte mit der Existenz der nationalen Grenzen zusammen. Aber der Internationalismus wurzelt auch im internationalen Charakter der Arbeiter*innenklasse, die immer größer und auch in ihrem Inneren sich immer mehr internationalisiert.

Deshalb stimmen wir darüber überein, dass der Internationalismus eine strategische Frage ist. Denn es ist unmöglich, den Kampf für den Kommunismus und für die Überwindung des Kapitalismus anders als international zu denken. Und zu diesem strategischen Kampf gehört es in erster Linie, in allen Ländern revolutionäre Parteien aufzubauen, ebenso wie eine Internationale der sozialistischen Revolution, die die Banner des Antiimperialismus und des proletarischen Internationalismus erhebt. Es ist im Dienste dieses Ziels, dass wir unseren Vorschlag für eine Bewegung für eine Internationale der Sozialistischen Revolution (Vierte Internationale) wiederholen, denn die Aufgabe des Aufbaus einer Internationale der Sozialistischen Revolution ist eine der wichtigsten Pflichten der Revolutionär*innen, um sich für die neue Etappe zu wappnen, die sich eröffnet hat. Wie die gesamte Erfahrung des 20. Jahrhunderts zeigt, gibt es keine „nationale“ revolutionäre Partei, die vom Kampf für den Aufbau einer internationalen revolutionären Partei abgetrennt sein kann.

Auf der Basis dieser Übereinstimmung können wir eurer politischen Charakterisierung der PCL als Organisation, die seit Jahren einer nationaltrotzkistische Isolation unterliegt, nur zustimmen. Genauso teilen wir eure Einschätzung der „Koordination für den Wiederaufbau der Vierten Internationale (CRCI)“ als „internationale ‚Organisation‘, die in der Praxis nie auf Grundlage des demokratischen Zentralismus arbeitete, die weltweit keine neuen Avantgarde-Sektoren der Klasse für die Sache des revolutionären Marxismus eroberte […] [und] in verschiedenen Formen und Dimensionen Mängel entwickelt [hat], die typisch für Gruppen sind, die aus der Degeneration und dem Bruch mit der Vierten Internationale als Partei der sozialistischen Revolution hervorgegangen sind – Bürokratismus, Sektierertum, Föderalismus, Nationaltrotzkismus, theoretischer Eklektizismus, organisatorische Laxheit.“

Im Jahr 2005 nahm eine große Delegation der FT-CI am einzigen Kongress der CRCI in Buenos Aires teil, den diese seit ihrer Gründung 1997 (damals als „Bewegung für einen Wiederaufbau der Vierten Internationale“) veranstaltet hatte. Dort brachten wir den Vorschlag ein, Schritte hin zu einer gemeinsamen Organisation zu unternehmen, die für den Wiederaufbau der Vierten Internationale kämpft. Sie gaben uns eine klare Ablehnung, obwohl wir in vielen programmatischen Punkten übereinstimmten. Später hat die PTS der PO in Argentinien verschiedene Vorschläge gemacht, besonders nach der Gründung der FIT im Jahr 2011, wiederum ohne Fortschritte. In Europa haben wir die Führung der PCL zu verschiedenen Aktivitäten der FT-CI eingeladen (und wir waren auch als Gäste bei einer Aktivität der PCL in Italien), wobei wir zu jedem Zeitpunkt unseren Willen ausgedrückt haben, zu einer gemeinsamen internationalen Organisation für den Wiederaufbau der Vierten Internationale voranzuschreiten. Wir haben nie auch nur die geringste Antwort bekommen, wie ihr selbst sehr gut wisst.

Wir sind der Meinung, dass euer Wille, die nationaltrotzkistische Isolation sowie die Methode des abstrakten Internationalismus und der diplomatischen Beziehungen zu überwinden, ein fundamentaler Aspekt unserer politischen Übereinstimmungen ist, den wir lebhaft begrüßen.

Zugleich denken wir, dass es ein großer Erfolg eurerseits ist, die Online-Zeitung La Voce Delle Lotte lanciert zu haben – besonders im sehr schwierigen Kontext eines Fraktionskampfes und dem späteren Ausschluss aus eurer früheren Organisation. Soweit wir es mitbekommen haben, hat diese Zeitung in sehr kurzer Zeit einen kleinen, aber bedeutsamen Einfluss in Sektoren der Avantgarde der Arbeiter*innen und der Jugend Italiens erlangt.

Wie ihr wisst, hat unsere internationale Strömung im Jahr 2014 das erste internationale Netzwerk digitaler Tageszeitungen der Linken weltweit angestoßen, das aktuell aus elf Tageszeitungen in fünf Sprachen (spanisch, englisch, portugiesisch, französisch und deutsch, zusätzlich zu einer Sektion auf türkisch) besteht, wo jeden Tag hunderte Artikel für Millionen Leser*innen veröffentlicht werden. Wir verbinden so die Anstrengungen unserer Mitglieder in verschiedenen Ländern, die zu den breitesten Themen schreiben.

Der Start dieses internationalen Netzwerks, das unserer Meinung nach eine historische Neuheit für die Linke darstellt, ist einerseits Ausdruck unseres Willens, die fortgeschrittensten technischen Medien in den Dienst einer systematischen Agitation der Ideen und des Programms des revolutionären Marxismus zu stellen. Aber gleichzeitig ist das Zeitungsnetzwerk für uns ein internationaler „kollektiver Organisator“ im leninistischen Sinne des Wortes. Jede Zeitung versucht ein ambitioniertes politisches Projekt auszudrücken und zu stärken: den Aufbau revolutionärer Parteien, die Fusion mit den fortgeschrittenen Sektoren der Arbeiter*innenklasse und der Jugend, und den Kampf für den Wiederaufbau der Vierten Internationale.

Wir sind der Meinung, dass die große Anstrengung eurer jungen Organisation, La Voce Delle Lotte zu produzieren, nicht nur eine große Kühnheit und revolutionären Willen zeigt, sondern auch eine große Übereinstimmung mit dieser Perspektive.

Schließlich begrüßen wir – im Rahmen unserer begrenzten Kenntnis der italienischen Situation – eure Entscheidung, kühn in die Arbeiter*innenbewegung, die Bewegungen der Jugend, der Frauen und der Migrant*innen zu intervenieren – wie wir in euren Dokumenten und Artikeln lesen konnten –, wo ihr euch vornehmt, revolutionäre Fraktionen in den Gewerkschaften und den verschiedenen Kampfbewegungen aufzubauen, mit einem revolutionären Übergangsprogramm als Weg der revolutionären Intervention in den Klassenkampf. Das ist gleichzeitig ein Weg zur bewussten Auswahl neuer Mitglieder für den Aufbau eurer Organisation: eine Methode, die sich der Politik der passiven und konservativen Anpassung an die Bewegungen „wie sie sind“ entgegenstellt, so wie sie – in Verbindung mit sporadischen und elektoralistischen Interventionen in Wahlen – der Mehrheit der zentristischen Organisationen eigen ist.

Die italienische Arbeiter*innenklasse, besonders ihre fortgeschrittenen Sektoren, haben jahrzehntelang die Konsequenzen des Bankrotts zuerst der alten PCI und später ihrer Folgeorganisation Rifundazione Comunista erlitten. In diesem Kontext hat die italienische „radikale Linke“ zwischen dem Sektierertum und dem Opportunismus geschwankt. Die Notwendigkeit, die Grundlagen für eine revolutionäre, internationalistische und prinzipienfeste Organisation zu legen, ist die wichtigste Aufgabe des Augenblicks. Ein Grund mehr, weshalb wir in der FT mit Freude euren Brief empfangen haben und eure Anstrengungen mit Sympathie verfolgen.

Unsere Methode und unser Vorschlag

Die Rückkehr des imperialistischen Nationalismus sowie die Möglichkeit der Entwicklung von schärferen Klassenkampfprozessen und politischer Radikalisierung machen es immer dringender, den proletarischen Internationalismus und den Antiimperialismus weiter zu entwickeln und starke revolutionäre Parteien zu schaffen, um in die Ereignisse zu intervenieren und eine Internationale der sozialistischen Revolution aufzubauen.

Wie wir im Manifest von 2013 schrieben, und was auch ein wichtiger Punkt der Übereinstimmungen zwischen uns ist, darf die revolutionäre Umgruppierung, die wir heute brauchen, „nicht nur auf allgemeinen Prinzipien basieren, sondern muss von Übereinstimmungen über die großen strategischen Fragen ausgehen, die die kapitalistische Krise schon in die Debatte innerhalb der weltweiten Linken getragen hat.“ Deshalb soll jenes Manifest „kein vollständiges Programm sein, sondern die großen strategischen und programmatischen Kernfragen zur Diskussion stellen, die – gemeinsam mit der Probe der praktischen Politik und des Klassenkampfes – unserer Meinung nach in der Linken eine wirklich revolutionäre Strategie abgrenzen. Auf dieser Basis rufen wir zur Debatte und zur gemeinsamen praktischen Aktion im Klassenkampf auf.“

Wir beziehen uns unter anderem auf die Notwendigkeit, für ein Programm von Übergangsforderungen gegen die Krise zu kämpfen, welches konsequent eine antikapitalistische, antiimperialistische und internationalistische Perspektive artikuliert. Dieses Programm muss auch radikaldemokratische Forderungen integrieren, die dazu dienen, die Erfahrung der Massen mit ihren demokratischen Illusionen durch die Konfrontation mit dem Regime und dem bürgerlichen Staat zu beschleunigen, um den Weg zur Arbeiter*innenmacht zu ebnen.

Wir reden von einem Programm, welches die Grundlage legt für den Aufbau revolutionärer und internationalistischer Parteien und für den Aufbau revolutionärer Fraktionen in den Gewerkschaften und in Richtung der Arbeiter*inneneinheitsfront und der Selbstorganisation der Massen arbeitet.

Als untrennbaren Teil des Kampfes der Arbeiter*innenklasse für die Hegemonie im Kampf gegen die bürgerliche Herrschaft, beziehen wir uns auch auf die Notwendigkeit, kühn den Kampf gegen die geschlechtliche Unterdrückung, die Homophobie, den Rassismus und die Fremdenfeindlichkeit und jede Form von Unterdrückung und Diskriminierung anzustoßen. Aktuell gibt es nicht weniger als 3,2 Milliarden Menschen, die gezwungenermaßen vom Verkauf ihrer Arbeitskraft leben – die weltweit ausgedehnteste, aber auch die weiblichste und multiethnischste Arbeiter*innenklasse in der Geschichte. Sie kann als hegemoniales Subjekt agieren, wenn sie die Forderungen aller unterdrückter Sektoren als Teil eines revolutionären Programms aufnimmt.

Wir stehen denjenigen Organisationen entgegengesetzt gegenüber – unter ihnen auch solche, die sich revolutionär-marxistisch nennen –, die sich in den letzten Jahren dem Aufbau „breiter Parteien“ ohne Verwurzelung im Klassenkampf oder strategische Abgrenzung verschrieben haben. Dasselbe gilt für diejenigen Organisationen, die sich bürgerlich-nationalistischen Führungen wie dem Chavismus oder linksreformistischen Varianten wie Podemos und Syriza angepasst haben. Sie haben die Perspektive der „Arbeiter*innenregierung“ mit der von „linken“ oder „antineoliberalen“ Regierungen ersetzt, d.h. mit Regierungen der Verwaltung des Kapitalismus im Rahmen des bürgerlichen Staates. Diese Vorschläge haben nichts gemein mit der Taktik der Arbeiter*innenregierung (als höchstem Ausdruck der Einheitsfront) als antikapitalistische Forderung, die mit einer Strategie des Aufstands der Arbeiter*innen verbunden ist, wie wir Revolutionär*innen sie vertreten. Diese Taktik ist untrennbar mit unserer strategischen Perspektive verbunden: die Zerstörung des bürgerlichen Staates und die Eroberung einer revolutionären Arbeiter*innenregierung, die auf Organismen der Selbstorganisation der Massen basiert, um zum Kommunismus voranzuschreiten.

Dies ist eine Perspektive, der wir uns aus einem strategisch internationalistischen Blickwinkel stellen. Der seiner Form nach nationale, aber seinem Inhalt nach internationale Charakter der sozialistischen Revolution – und somit die Machteroberung in einem Land nicht als Ziel an sich, sondern als strategisches Mittel für den Kampf für die internationale Revolution – ist eine untrennbare Bedingung für die Erkämpfung einer Gesellschaft der „freien Assoziation der Produzenten“, dem Kommunismus.

Wir sind uns bewusst, dass keine heute existierende Organisation, die sich als revolutionär auffasst, eine solche historische Aufgabe wie den Wiederaufbau der Vierten Internationale allein bewältigen kann. Gegen jegliche sektiererische Selbstproklamation behaupten wir, dass der Aufbau von revolutionären Arbeiter*innenparteien und einer Internationale der sozialistischen Revolution kein Produkt eines evolutiven Wachstums unserer Organisationen und unserer internationalen Strömung sein wird. Stattdessen wird sie das Ergebnis der Verschmelzung von linken Flügeln der revolutionär-marxistischen Organisationen mit Sektoren der proletarischen Avantgarde und der Jugend sein, die sich in Richtung der sozialen Revolution orientieren.

Die Kämpfe, die die verschiedenen Organisationen der FT-CI in den verschiedenen Ländern führen, sind Teil dieser Perspektive. Auf dieser Basis schlagen wir euch vor, die Debatte und die gemeinsame Praxis im Klassenkampf mit euch zu vertiefen, um eine große Bewegung für eine Internationale der Sozialistischen Revolution, die Vierte Internationale, in Gang zu setzen.

Ein praktischer Vorschlag

Genoss*innen, in eurem Brief und in euren öffentlichen Dokumenten haben wir einen breiten Rahmen programmatischer und strategischer Übereinstimmungen identifiziert. Wir stimmen mit euch überein, „dass die Wiederaufnahme der marxistischen Methode des Aufbaus einer revolutionären politischen Führung der marxistischen Bewegung durch die wissenschaftliche Analyse des Kapitalismus, der strategischen Aufgaben, die sich daraus für die Arbeiter*innenklasse und die Kommunist*innen ergeben und ein Programm und eine politische Organisation, die diesen Prämissen folgt, von grundlegender Bedeutung ist.“

Mit diesem Ziel denken wir, dass wir auf einem Weg voranschreiten müssen, der diesen Prozess vertieft. Deshalb ist unser Vorschlag, ein Verbindungskomitee zur programmatischen Diskussion und gemeinsamen politischen Aktion zu bilden, in dem Vertreter*innen der FIR und der Leitung sowie der verschiedenen Gruppen der FT-CI zusammenkommen. Mit einem solchen Komitee können wir zugleich weiterhin programmatische Übereinstimmungen und Unterschiede ausloten, gemeinsame politische Kampagnen beginnen und so weit wie möglich gemeinsame Erfahrungen der Intervention in den Klassenkampf machen.

Gleichzeitig werden wir von Seiten der FT-CI aus weiterhin dafür streiten, gemeinsam mit anderen Gruppen voranzuschreiten, die die Perspektive des Wiederaufbaus der Vierten Internationale verteidigen. Da sind die Genoss*innen des linken Flügels des ehemaligen Vereinigten Sekretariats zu erwähnen, die ihr selbst auch in eurem Brief nennt. Das Ziel ist es, zur Bildung einer großen Bewegung für eine Internationale der Sozialistischen Revolution voranzuschreiten, hin zur auf revolutionärer Grundlage wiederaufgebauten Vierten Internationale.

Voller Überzeugung, dass wir unsere Übereinstimmungen vertiefen können, hoffen wir, dass ihr diesem Vorschlag zustimmt. Wir wollen schnell in der gemeinsamen Praxis voranschreiten zu können, um die große Arbeit zu beginnen, die Weltpartei der sozialen Revolution wiederaufzubauen – die wichtigste Aufgabe unserer Epoche.

Internationalistische kommunistische Grüße,

die Trotzkistische Fraktion für die Vierte Internationale

15/06/2017

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