Palästina, Krieg, Imperialismus: Drei Vorschläge für eine internationalistische Kampagne

03.04.2024, Lesezeit 30 Min.
1
Quelle: Volodymyr TVERDOKHLIB / Shutterstock.com

Bei der XIII. Konferenz der FT-CI wurden drei dringende Vorschläge des Kampfes für einen sozialistischen Internationalismus diskutiert: Gegen Genozid in Palästina, Militarismus und imperialistische Ausplünderung.

Die Welt von heute ist von zahlreichen Krisen und abrupten Veränderungen geprägt. Das kapitalistische Triumphgeheul und die Illusionen in eine „harmonische Globalisierung“, welche den Aufstieg des Neoliberalismus kennzeichneten, sind vorbei. Die kapitalistische Krise von 2008 ebnete den Weg für Tendenzen zu organischen Krisen in verschiedenen Ländern, Krisen der Parteien der „extremen Mitte“, politische Polarisierung, neue Zyklen des Klassenkampfes und neoreformistische Phänomene. Wir sehen auch das Wachstum der extremen Rechten, sowohl in der Peripherie – zum Beispiel Milei in Argentinien und Bukele in El Salvador – als auch in den kapitalistischen Zentren – wie mit der Stärkung von Trump in den USA und der wachsenden Stimmenanteile extrem rechter Parteien in Europa und ihren rassistischen und xenophoben Diskursen.

Der Kapitalismus hat der Arbeiter:innenklasse und den unterdrückten Völkern auf der ganzen Welt nur noch mehr Leid und Elend zu bieten. Während eine Handvoll Multimillionär:innen unermessliche Reichtümer anhäufen, überleben mehr als eine Milliarde Menschen mit weniger als einem Dollar pro Tag. Die Kapitalist:innen haben die Welt in einen für die Mehrheit der Menschheit unbewohnbaren Ort verwandelt und drohen sogar, den Planeten zu zerstören. Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine vor zwei Jahren und jetzt mit dem Genozid in Palästina sind Krieg und Militarismus wieder in den Vordergrund gerückt. Die von den USA geführte Weltordnung wird immer offener in Frage gestellt, selbst auf militärischer Ebene. In diesem Rahmen eröffnet sich eine neue Etappe, die durch die Wiederbelebung der allgemeineren Tendenzen der imperialistischen Epoche gekennzeichnet ist, die von Lenin als eine Epoche der Krisen, Kriege und Revolutionen definiert wurde.

Als Trotzkistische Fraktion für die Vierte Internationale (FT-CI) kämpfen wir für den Aufbau einer Weltpartei der sozialistischen Revolution: den Wiederaufbau der Vierten Internationale. Denn es gibt keinen anderen fortschrittlichen Ausweg aus der Katastrophe, in die uns der Kapitalismus stürzt. Wir sind eine internationale Strömung, die sich aus Organisationen in 14 Ländern Lateinamerikas, Europas und den USA zusammensetzt. Wir geben das Internationale Netzwerk der Zeitungen La Izquierda Diario heraus, das derzeit 15 Zeitungen in sieben Sprachen umfasst.

In dieser Erklärung schlagen wir drei politische Kampagnen vor, die wir für den heutigen internationalistischen und antiimperialistischen Kampf für entscheidend halten. Gemeinsam mit all jenen Organisationen, Aktivist:innen und Einzelpersonen, die diese Perspektive teilen, wollen wir für gemeinsame Fronten und Koalitionen in verschiedenen Ländern kämpfen, um angesichts der dringendsten Herausforderungen des Augenblicks einen sozialistischen Standpunkt der Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse zum Ausdruck bringen.

1. Stoppt den Genozid und die israelische Militärintervention gegen das palästinensische Volk! Für das Recht auf Widerstand und nationale Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes!

Der vom zionistischen Staat Israel verübte Genozid an den Palästinenser:innen im Gazastreifen ist das grausamste Symbol imperialistischer Unterdrückung unserer Zeit. Mehr als 32.000 Palästinenser:innen wurden bisher in Gaza getötet, darunter 13.000 Kinder. Im Westjordanland hat die zionistische Armee allein in den letzten zwei Monaten hunderte Palästinenser:innen getötet. 85 Prozent der Bevölkerung des Gazastreifens wurden durch die Bombardierung aus ihren Häusern vertrieben, wobei 1,3 Millionen Palästinenser:innen in der Grenzstadt Rafah zusammengepfercht sind. Internationale Organisationen wie Human Rights Watch und Oxfam bestätigen, dass Israel Hunger als Kriegstaktik einsetzt und die Landwirtschaft und Lebensmittelversorgung in Gaza zerstört. Die Blockade des Zugangs zu lebenswichtigen Gütern wie Strom, Treibstoff und Lebensmitteln geht einher mit dem Beschuss von Zivilist:innen, die auf die Lieferung der knappen humanitären Hilfe warten. Dieser regelrechte Vernichtungsfeldzug gegen die Palästinenser:innen und die Auslöschung des Gazastreifens sind ein weiteres Kapitel in dem langen Prozess der ethnischen Säuberung, der 1948 begann und dessen Ursache der koloniale und rassistische Charakter des Staates Israel ist, der heute die Vorhut der globalen Konterrevolution bildet. Als Teil des antiimperialistischen Kampfes der unterdrückten Völker der Welt ist es dringend notwendig sich zu mobilisieren: Nieder mit dem Genozid am palästinensischen Volk durch Israels rassistischen Kolonialismus!

Benjamin Netanjahu hat bevorzugte Partner, um den Genozid an den Palästinenser:innen zu vollziehen. Nicht nur hat der Imperialismus die Besatzung des palästinensischen Territoriums historisch unterstützt. In den vergangenen Monaten wurden die Zionist:innen von der Regierung der Demokratischen Partei von Joe Biden in den USA finanziert und politisch unterstützt, wobei sich das Establishment der Demokratischen und der Republikanischen  Partei in der Unterstützung des Zionismus einig sind. In Europa rechtfertigen die imperialistischen Regierungen von Olaf Scholz in Deutschland, Emmanuel Macron in Frankreich, Rishi Sunak in Großbritannien oder Pedro Sanchez im Spanischen Staat die Offensive Israels. Unter dem Deckmantel zynischer Rufe nach einem Waffenstillstand verfolgen diese Mächte nicht nur die jungen Studierenden und Arbeiter:innen, die zur Verteidigung des palästinensischen Volkes auf die Straße gehen. Sie verkaufen auch weiterhin die Waffen, die von der Netanjahu-Regierung bei dem Massaker an den Palästinenser:innen eingesetzt werden. Nach Angaben der UNO sind die USA und Deutschland die Hauptlieferanten von Waffen an Israel, gefolgt von Frankreich, England, Kanada und Australien. Wir sind Zeugen der Verschmelzung der kolonialen und genozidalen Gewalt Israels mit modernsten schweren Waffen.

Diese bewaffnete Unterstützung durch die imperialistischen Mächte hat den Nahen Osten an den Rand eines regionalen Krieges gebracht. Praktisch alle Verbündeten Irans in der so genannten „Achse des Widerstands“ haben sich bereits in unterschiedlichem Ausmaß an militärischen Aktionen beteiligt: die Hisbollah im Libanon und die mit dem iranischen Regime verbundenen Milizen in Syrien, im Irak und in Jordanien. Die Huthis haben im Roten Meer Handelsschiffe mit Verbindungen zu Israel oder seinen Verbündeten mit Drohnen abgefangen und angegriffen. Das veranlasste die USA und Großbritannien, den Jemen zu bombardieren. Der brutale Krieg des Staates Israel gegen das palästinensische Volk könnte letztlich zu einem Krieg zwischen den USA und dem Iran führen. Nach den Verwüstungen, die die militärische Besatzung durch die USA im Irak und in Afghanistan angerichtet hat, wird der Nahe Osten erneut von den imperialistischen Mächten belagert.

Obwohl wir weder die Methoden noch die Strategie der Hamas teilen, haben ihre Aktionen den historischen Kampf des palästinensischen Volkes gegen die Unterdrückung durch den Staat Israel wieder ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit gerückt. Seit über 70 Jahren haben die Zionist:innen – mit Hilfe des westlichen Imperialismus und des Stalinismus nach dem Zweiten Weltkrieg – ein extrem rassistisches Regime gesellschaftlicher Apartheid aufgebaut. Der Siedlerkolonialismus ist eine Herrschaftsform, die auf der ständigen Besetzung des unterdrückten Territoriums, der Überausbeutung der einheimischen Arbeitskräfte und der Entmenschlichung der Bevölkerung beruht, die einem permanenten Terrorzustand ausgesetzt ist. Das ist der Grund, warum sich die „Zweistaatenlösung“ als erfolglos erwies: Die Existenz eines unabhängigen palästinensischen Staates war im Rahmen der imperialistischen Herrschaftsarchitektur im Nahen Osten nicht realisierbar.

Diese Brutalität hat jedoch eine enorme Antikriegsbewegung in den imperialistischen Mächten in Gang gesetzt, wie es sie seit den Demonstrationen gegen den Irakkrieg oder seit dem Vietnamkrieg in den 1970er Jahren nicht mehr gegeben hatte. Massendemonstrationen in westlichen Großstädten wie New York, Washington, London, Paris, Madrid und Berlin, an denen Hunderttausende teilnahmen. In vielen Universitäten wie Harvard, Oxford und anderen haben Solidaritätsaktionen stattgefunden, die den Pakt der akademischen Autoritäten mit Unternehmen in Frage stellten, welche den Staat Israel finanzieren. Und einige kämpferische Gewerkschaften oder Plattformen von Arbeiter:innen in Solidarität mit Palästina haben „Blockade“-Aktionen gegen Unternehmen durchgeführt, die Waffen an Israel verkaufen. Aktionen, die zwar punktuell sind, aber das Potenzial zeigen, das die Arbeiter:innenklasse hätte, wenn die Gewerkschaften diesen Kampf, den Genozid zu stoppen, entschieden aufnehmen würden.

In mehreren Ländern haben sich auch bedeutende Teile der jüdischen Bevölkerung beteiligt, die die zionistische Politik ablehnen. Im Nahen Osten widersetzten sich Millionen von Menschen den mitschuldigen regionalen Regierungen und gingen im Irak, in Syrien, im Jemen, in Ägypten, Saudi-Arabien und im Libanon auf die Straße, um den Genozid zu verurteilen und das palästinensische Volk zu verteidigen. Dies ist ein wichtiger Stützpfeiler für eine antiimperialistische und antikolonialistische Politik in der gegenwärtigen Etappe der Erschöpfung des neoliberalen Zyklus. Dies kann einem neuen Klassenbewusstsein Auftrieb geben, das sich der kapitalistischen Barbarei widersetzt und dafür kämpft, die Gesellschaft auf einer neuen Grundlage neu zu organisieren.

Die Organisationen der FT-CI sind Teil und Unterstützer:innen dieser Mobilisierungen in allen unseren Ländern und auf internationaler Ebene. Wie wir in unserer Erklärung der Trotzkistischen Fraktion sagen, ist es notwendig, eine große internationale Solidaritätskampagne mit dem palästinensischen Volk voranzuteiben und den gemeinsamen Kampf der unterdrückten Völker der Welt zu organisieren, um diesen Genozid zu beenden und sich dem Imperialismus entgegenzustellen. Wir müssen dafür werben, dass die Arbeiter:innenklasse mit ihren eigenen Kampfmethoden, mit Streiks und Blockaden, gegen die Lieferung von Waffen und gegen die imperialistischen Konzerne, die den zionistischen Staat Israel unterstützen, eingreift. Insbesondere halten wir es für zentral, die Anstrengungen in den imperialistischen Ländern, die für die Aufrechterhaltung des Genozids in Palästina zentral sind, zu verstärken. Die Jugend, die auf die Straße geht und sich in den Schulen, Universitäten und Arbeitsplätzen organisiert, ist nicht nur zentral für den Kampf gegen den Genozid und für die Befreiung Palästinas, sondern auch für die Entstehung einer antiimperialistischen Bewegung, die die Aufrüstung der Großmächte und die wachsenden Tendenzen zu militärischen Konflikten stoppt. Angesichts des Scheiterns der „Zwei-Staaten-Politik“ und der neuen Offensive der Ultrarechten ist ein massiver Kampf des gesamten palästinensischen Volkes notwendig, zusammen mit der arabischen Arbeiter:innenklasse in Israel und mit der jüdischen Arbeiter:innenklasse in Israel, die mit dem Zionismus brechen muss. Es braucht ein Bündnis mit den Arbeiter:innen, Jugendlichen und Frauen, die wie die iranische Jugend gerade im Nahen Osten aufstehen, um gegen den Gendarmenstaat Israel und den Imperialismus zu kämpfen. Um das Apartheidregime zu beenden, ist es notwendig, den zionistischen Staat Israel zu zerschlagen. Gegen den zionistischen Kolonialismus und den Imperialismus positionieren wir uns bedingungslos auf der Seite des Widerstands des palästinensischen Volkes, ausgehend von einem Programm der politischen Unabhängigkeit gegenüber allen bürgerlichen Sektoren der Region.

Wir verteidigen das Recht auf nationale Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes und kämpfen für ein sozialistisches Palästina der Arbeiter:innen im Rahmen einer sozialistischen Föderation im Nahen Osten. Denn nur ein Staat, der die Beendigung aller Unterdrückung, Ausbeutung und imperialistischen Reaktion zum Ziel hat, kann das Gebiet des historischen Palästina wiederherstellen, das Rückkehrrecht der palästinensischen Geflüchteten und ein demokratisches und friedliches Zusammenleben zwischen Araber:innen und Jüd:innen garantieren. Der arabische bürgerliche Nationalismus von gestern und heute hat seine Unfähigkeit bewiesen, diese Aufgaben umzusetzen. Die arabischen Bourgeoisie und Monarchien, die die Massen ausbeuten, sind keine Verbündeten für die Befreiung des palästinensischen Volkes. 

Diese Aufgaben müssen von der Arbeiter:innenklasse und den Völkern in der gesamten Region übernommen werden. Die Einheit der palästinensischen Massen und der arabischen Massen, deren Regierungen die Beziehungen zum zionistischen Staat normalisiert haben oder dies vorbereiten, ist auf diesem Weg zentral.

Stoppt den Genozid am palästinensischen Volk! Schluss mit der israelischen Militärintervention, der finanziellen und militärischen Hilfe des US-amerikanischen und europäischen Imperialismus! Brecht alle politischen und militärischen Abkommen mit Israel. Für eine große internationale Kampagne zur Verteidigung des palästinensischen Volkes und seines Rechts auf Selbstbestimmung. Für ein sozialistisches Palästina der Arbeiter:innen!

2. Gegen den imperialistischen Militarismus und die Militarisierung der Grenzen

In den letzten Jahren sind in der Welt – im Rahmen der Zersetzung der US-geführten „(neo-)liberalen Ordnung“, die die Geopolitik nach dem Kalten Krieg bestimmt hatte – laute Kriegstrommeln zu hören. Der brutale Genozid in Palästina gesellt sich zum Krieg in der Ukraine, der nun schon seit mehr als zwei Jahren andauert. Auch in regionalen Konflikten, die globale Dimensionen annehmen, zeichnen sich Tendenzen zu größeren militärischen Auseinandersetzungen ab: Auf Angriffe der Huthi-Miliz auf Schiffe im Roten Meer folgten Bombenangriffe der USA und Großbritanniens im Jemen. Und während im Nahen Osten ein offener Krieg nicht auszuschließen ist, droht in Asien eine dritte Front aufzubrechen, wo der Konflikt zwischen China und Taiwan auf einen großen Zusammenstoß zusteuert.

Der Krieg in der Ukraine hat bisher Hunderttausende von Toten und Verwundeten gefordert und Millionen von Menschen zu Vertriebenen und Geflüchteten gemacht. Es ist der erste Krieg großen Ausmaßes auf europäischem Boden seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Der reaktionäre Einmarsch Russlands in die Ukraine war die größte Infragestellung der Weltordnung seit 30 Jahren und der US-Hegemonie in der Krise. Die NATO-Mächte greifen durch ihre finanzielle und militärische Unterstützung für Selenskyj in den Krieg ein. Nach Angaben des Ukraine Support Tracker haben die USA bisher mehr als 37 Milliarden Dollar an direkter Hilfe bereitgestellt, und die EU hat mehr als 144 Milliarden Euro an Hilfe zugesagt. Aus militärischer Sicht ist der Krieg seit Monaten ins Stocken geraten und hat sich zu einem „schwarzen Loch“ für die westliche Hilfe entwickelt. In diesem Zusammenhang hat der Trumpismus im US-Kongress das neue Hilfspaket für die Ukraine blockiert. Eine mögliche Präsidentschaft von Trump würde bedeuten, dass die EU für die Unterstützung der ukrainischen Armee und die Nachkriegsfinanzierung zuständig wäre.

Die Gruppen der FT-CI haben angesichts dieses reaktionären Krieges, in dem sowohl Putin als auch Selenskij, der der NATO untergeordnet ist, die Ukraine ihren geostrategischen Interessen unterwerfen wollen, eine Position der Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse vertreten. Wir haben die Notwendigkeit einer internationalen Bewegung gegen den Krieg, für den sofortigen Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine und gegen das militärische Eingreifen der NATO in Osteuropa und die imperialistische Aufrüstung betont. Mit dieser unabhängigen Position gegenüber der russischen Besatzung und der imperialistischen Vorherrschaft haben wir an den Mobilisierungen und Aktionen gegen den Krieg teilgenommen, insbesondere in Europa und den USA. Wir haben auch die Bildung von Fronten und einheitlichen Plattformen vorgeschlagen, um für diese Perspektive zu kämpfen und an die internationale Einheit der Arbeiter:innenklasse zu appellieren.

In den letzten Monaten haben die Staatsoberhäupter und Minister:innen der imperialistischen Mächte zunehmend das Schreckgespenst des Krieges (einschließlich der Gefahr eines Atomkrieges) heraufbeschworen. Sie fordern die Bevölkerungen auf, heute „Opfer“ zu bringen, um sich auf die Kriege von morgen vorzubereiten. In dem neuen globalen Szenario erhöhen die Weltmächte ihre Verteidigungsausgaben und bereiten eine neue Kriegsindustrie vor. Im Jahr 2022 erreichen die weltweiten Militärausgaben einen Rekordwert von 2,2 Billionen Dollar, nachdem die NATO-Länder ihre Budgets erhöht haben. Eine Zahl, die seither noch weiter gestiegen ist. Die weltweit umsatzstärksten Unternehmen im Bereich Rüstung und Militärausrüstung sind die US-Unternehmen Lockheed Martin, Raytheon Technologies, Boeing und Northrop Grumman. Auf den weiteren Plätzen folgen chinesische, britische, französische und deutsche Unternehmen. Da die geopolitischen Spannungen mit dem Risiko einer wirtschaftlichen Rezession in mehreren Ländern einhergehen, besteht eines der Gegenmittel des Kapitalismus in der Entwicklung einer Kriegswirtschaft, die eine Ausweitung der öffentlichen Ausgaben und eine gewisse Steigerung der Nachfrage in den rüstungsproduzierenden Ländern ermöglicht. Sie bereiten sich auf weitere geopolitische und militärische Zusammenstöße vor. Sie machen sich auch für einen offeneren Wettbewerb um Ressourcen und Einflusssphären auf Kosten der unterdrückten Völker bereit, der die Welt in einen Schauplatz neuer Kriege und Plünderungen verwandeln wird.

Die andere Seite dieser militaristischen Offensive sind der reaktionäre nationalistische Diskurs, die Militarisierung der Grenzen und die Verschärfung der repressiven Politik gegenüber Migrant:innen. Hunderttausende Menschen sind gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, weil ihre eigenen Länder durch imperialistische Kriege und Besetzungen ausgeplündert wurden. Mit anderen Worten: Derselbe Imperialismus, der die Vertreibung provoziert, greift dann im Inneren die Migrant:innen an, die vor der Katastrophe fliehen. Während die extreme Rechte in mehreren Ländern wächst – wie mit der Stärkung Trumps vor den Präsidentschaftswahlen in den USA oder mit der AfD in Deutschland –, übernehmen die Parteien der „extremen Mitte“ einen Großteil ihrer rassistischen Agenda: Anti-Migrationsgesetze, „Express“-Abschiebungen und der Bau neuer Haftanstalten für Ausländer:innen ohne Papiere. In diesem Nährboden nehmen rassistische Diskurse gegen Migrant:innen zu, die heute einen großen Teil der prekärsten Sektoren der Arbeiter:innenklasse ausmachen. Den Migrant:innen wird vorgeworfen, öffentliche Gelder auszunutzen (um so die fehlenden Mittel in der Bildung oder der Gesundheit zu rechtfertigen), sie werden für Gewalt gegen Frauen oder Drogenhandel in den Stadtvierteln verantwortlich gemacht usw.. Diese reaktionäre Politik wird auch durch die Rolle der Gewerkschaftsbürokratien unterstützt, die korporatistische Positionen verteidigen und sich weigern, für ein Programm zu kämpfen, welches die Arbeiter:innenklasse vereint und die Spaltung zwischen Festangestellten und Leiharbeiter:innen, sexistische Spaltungen und Rassismus überwindet.

Aber in einigen Ländern entwickeln sich Antworten auf diese reaktionäre Offensive gegen Migrant:innen. Frankreich war im Januar 2024 Schauplatz einer beeindruckenden Demonstration von mehr als 150.000 Personen gegen das Immigrationsgesetz. In Deutschland gab es im selben Monat bedeutende Demonstrationen gegen die AfD und die Anti-Migrations-Politiken. Es gibt in vielen Ländern Avantgardesektoren, die in den Demonstrationen klar machen, dass Migrant:innen und „Einheimische“ Teil derselben Arbeiter:innenklasse sind.

Gegen den Militarismus und den reaktionären Nationalismus der imperialistischen Mächte ist es dringend notwendig, für die Vereinigung der Arbeiter:innen auf der ganzen Welt zu kämpfen, zusammen mit den unterdrückten Völkern und gegen den Imperialismus. In den imperialistischen Ländern ergreifen wir die Fahne der Internationalist:innen wie Rosa Luxemburg, Lenin und Trotzki, die gesagt haben: „Nein zum Krieg, der Hauptfeind steht im eigenen Land!“ Wir streben danach, in Einheit mit den Arbeiter:innen und Völkern der kolonialen und halbkolonialen Länder einen echten proletarischen Internationalismus zu entwickeln.

Gleichzeitig warnen wir vor den täuschenden falschen Alternativen derjenigen, die Vorschläge für eine angeblich multilaterale Weltordnung machen. Seien es diejenigen, die sich Illusionen über die „regulierende“ Rolle internationaler Institutionen wie der UNO machen (die wieder einmal ihr klägliches Versagen bei der Verhinderung des Genozids in Palästina bewiesen hat), oder diejenigen, die sich direkt den imperialen Bestrebungen reaktionärer Mächte wie Russland oder China unterordnen. Ebenso weisen wir darauf hin, dass die Vorschläge europäischer reformistischer Strömungen wie LFI oder Podemos, die behaupten, ein „demokratisches Europa der Völker“ als Schutz gegen Kriegstendenzen wiederherzustellen, reaktionäre pazifistische Utopien sind. Europa hat die meisten Genozide und Massaker an kolonialen Völkern in seiner Geschichte zu verzeichnen, ebenso wie zwei Weltkriege, die zeigen, dass Militarismus und Kriege die direkte Folge von Kapitalismus und Imperialismus in Europa und der ganzen Welt sind.

Der dritte Aspekt ist die Entwicklung einer Spirale von Gewalt und Armut in Lateinamerika als Folge der Anwendung neoliberaler Anpassungspläne und verabscheuungswürdiger Auslandsschulden (odious debts). Angehörige von Polizei- und Militärkräften, die an der School of the Americas ausgebildet wurden – wo diejenigen geschult wurden, die von Washington aus orchestrierte Staatsstreiche durchführten –, gehörten später zu den Gründer:innen von Drogenhandels-„Kartellen“. Die Antwort des Imperialismus bestand darin, über die lokalen Regierungen eine Politik der inneren Sicherheit durchzusetzen, die die Finanzierung und Ausbildung von Militärunternehmen, den Verkauf von und den Handel mit Waffen sowie die Beteiligung der Streitkräfte an Aufgaben der „öffentlichen Sicherheit“ umfasste.

Dies führte zu einer Militarisierung, die mit staatlicher und parastaatlicher Gewalt und der Gewalt der Drogenkartelle einhergeht. Sie stellen Mechanismen der sozialen Kontrolle dar und ebnen den Weg für eine neue Periode der Ausplünderung der natürlichen Ressourcen in der Region, mit Zwangsvertreibungen von Gemeinschaften, Verschwindenlassen, Hinrichtungen und Femiziden. Dies geschah mit dem Kolumbien-Plan und der Merida-Initiative für Mexiko und Zentralamerika, die heute in die sogenannte „Zweihundertjahr-Vereinbarung“ umgewandelt wurde, auf bilateraler Ebene zwischen Mexiko und den USA. Dies ist auch der Fall in El Salvador mit dem rechtsgerichteten Nayib Bukele, der den Ausnahmezustand verhängte, Mega-Gefängnisse eröffnete und die Kriminalisierung der Armut vorantreibt. Dieses Modell wurde von Daniel Noboa, Präsident von Ecuador, und Xiomara Castro, Präsidentin von Honduras, kopiert. Auch der rechtsextreme argentinische Milei will dies durchsetzen, indem er „der Polizei freie Hand“ in den Armenvierteln gibt oder das Militär in Gebiete schickt, in denen starke Drogenhandelsnetze operieren. Es geht aber nicht nur um rechtsgerichtete Regierungen. In Chile schlägt die Regierung von Gabriel Boric ebenfalls den Einsatz des Militärs für die öffentliche Sicherheit vor und greift damit Vorschläge wie das „Gesetz über kritische Infrastrukturen“ wieder auf, das von konservativen Sektoren gegen die Arbeiter:innenklasse eingesetzt wurde, um den Repressionsapparat zu stärken und neue Volksaufstände auf dem Kontinent zu verhindern. In Venezuela nutzte das Regime, das ein Ausdruck des Niedergangs und der Degeneration des falschen „Sozialismus“ des Chavismus ist, die verschiedenen vom Imperialismus geförderten reaktionären Versuche, um die Verwaltung extrem zu militarisieren und Logiken der „Bürgerwehr“ einzuführen. Dadurch wurden bewaffnete Eingriffe des Staates für ein Drittel aller Morde in dem Land verantwortlich. Haiti befindet sich in einem sozialen Chaos mit dem Vormarsch krimineller Banden, die von den Marionettenregierungen des Landes und der USA angeheizt werden, und wird nun mit einer neuen militärisch-polizeilichen Intervention konfrontiert, die sicherheitspolitischen Charakter hat. Gleichzeitig kämpft ein Teil der Republikanischen Partei der USA dafür, den Drogenhandel als Terrorismus zu bezeichnen, um den Weg für eine direkte militärische Intervention zu ebnen.

Angesichts dieser Situation besteht ein Ausweg zugunsten der Arbeiter:innenklassen und der Bevölkerung darin, die Unterordnung Lateinamerikas unter die Pläne des US-Imperialismus und der internationalen Organisationen zu durchbrechen. Die Militarisierung muss gestoppt und die für die Repressionskräfte bereitgestellten Mittel müssen für Gesundheit und Bildung ausgegeben werden. Nur die Arbeiter:innenklasse und die Massensektoren können die Sicherheit der Gemeinden und Städte garantieren, denn sie haben keine gemeinsamen Interessen mit dem organisierten Verbrechen, den Armeen oder der Polizei.

Wir müssen der reaktionären Kampagne der Großmächte entgegentreten, die uns dazu bringen wollen, ihr Wettrüsten und ihren Militarismus zu akzeptieren. Die neuen Generationen haben keinen Grund, sich auf dem Altar der kapitalistischen Militärkatastrophen um ihrer Profite willen zu opfern; aber das kann die Zukunft sein, wenn wir uns nicht mit aller Kraft wehren. Die internationalen Zusammenstöße und Antagonismen zwischen den kapitalistischen Staaten auf der ganzen Welt sind komplementär zu den Klassengegensätzen. Ebenso können die Militarisierung und die Kriminalisierung der Armut, der Massensektoren und der Migrant:innen nur mit einem internationalistischen und sozialistischen Standpunkt überwunden werden.

Nein zu Krieg und imperialistischem Militarismus! Kein Euro, kein Dollar mehr zur Finanzierung von Waffenlieferungen. Weder Putin noch NATO! Für eine unabhängige Position im Krieg in der Ukraine.

Schluss mit der Militarisierung der Grenzen! Sofortige Legalisierung aller Migrant:innen. Für die internationale Einheit der Arbeiter:innenklasse aller Länder gegen den Imperialismus.

3. Streichung der Auslandsschulden der unterdrückten Länder. Schluss mit der imperialistischen Ausplünderung

Die globale Verschuldung bricht historische Rekorde. Seit der Finanzkrise 2007-2008 ist sie unaufhörlich gestiegen, wobei die so genannten „Schwellenländer“ das größte Schuldenwachstum zu verzeichnen haben. Die Verschuldung dieser Länder stieg von 10 Prozent der Gesamtverschuldung vor der Krise auf 25 Prozent im Jahr 2019. Während der Pandemie kam es zu einem neuen Sprung. Im Jahr 2021 erreichte die weltweite Verschuldung laut IWF 303 Billionen Dollar. Um sich das historische Ausmaß vorzustellen, haben verschiedene Studien berechnet, dass allein im Zeitraum seit 2000 die Netto-Finanztransfers von den sogenannten „Schwellen- und Entwicklungsländern“ an die imperialistischen Länder im Durchschnitt mehr als 8 Prozent des BIP der betroffenen Länder pro Jahr ausmachten. 

Die Geschichte der Staatsverschuldung ist eine Geschichte der Ausplünderung zum Nutzen der Finanzzentren. Alle Nationen machen Schulden, um die Entwicklung des Staates zu bezahlen, und Schuldenkrisen gibt es überall. Kennzeichnend für abhängige Volkswirtschaften ist jedoch, dass ein erheblicher Teil der öffentlichen Schulden (historisch gesehen die überwältigende Mehrheit) Auslandsschulden (d. h. Schulden gegenüber ausländischen Gläubigern) sind und auf internationale Reservewährungen (Dollar, Euro, Yen) laufen. Dies unterscheidet sie von reichen Volkswirtschaften mit hohen Auslandsschulden, die Verbindlichkeiten in ihrer eigenen Währung anhäufen. Der paradigmatische Fall sind die USA, eine Großmacht par excellence, die diesen Mechanismus der Verschuldung nutzt, um sich dank der Dominanz des Dollars auf globaler Ebene zu bereichern.

In den abhängigen Ländern verläuft der Fluss  genau umgekehrt. Das liegt an ihrer schwachen Wirtschaftsstruktur und dem Gewicht des ausländischen Kapitals in ihr. Dies macht das international zirkulierende Geldkapital zu einer bevorzugten Finanzierungsquelle. Die Auslandsverschuldung finanziert nicht nur die Staatskasse, sondern spielt auch die Rolle des Ausgleichs von Devisendefiziten, die durch ein Außenhandelsdefizit oder durch den Abfluss von Überweisungen ausländischer Unternehmen oder Sektoren der lokalen Bourgeoisie ins Ausland verursacht werden. Dadurch entsteht ein neuer Abfluss, der mit dem Schuldendienst zusammenhängt, und so werden diese Versuche langfristig unhaltbar. Die Verschuldung, die dem Finanzkapital außerordentliche Profite ermöglicht, schlägt sich für die arbeitende Bevölkerung der unterdrückten Länder in Angriffen auf ihre Lebensbedingungen nieder: brutale Sparpläne, Verarmung, Haushaltskürzungen bei öffentlichen Dienstleistungen, Privatisierungen usw. Dies ist die Geschichte eines großen Teils der unterdrückten Länder Lateinamerikas, Afrikas und Asiens.

Ausländische öffentliche Schuldverschreibungen sind ein Weg für die großen Finanzzentren, um einen Zufluss von Reichtum aus den unterdrückten Ländern in die imperialistischen Länder zu erhalten. Für die imperialistischen Volkswirtschaften generieren diese Schulden zusammen mit den von den transnationalen Konzernen erwirtschafteten Renten bedeutende Reichtumsströme. Die Zyklen der Auslandsverschuldung in den abhängigen Volkswirtschaften ergeben sich sowohl aus der Entscheidung der Regierungen als auch aus dem Bedürfnis des globalen Kapitals, seine Liquidität abzuladen und sich durch hohe Zinsen gute Geschäfte zu sichern. Die massive Geldemission zur Bewältigung der Krise von 2008 bedeutete einen enormen Zustrom von Dollar in die abhängigen Volkswirtschaften. Die Emission von Schuldtiteln sowie die Umstrukturierung nach jeder Krise eröffnen dem internationalen Finanzkapital in Zusammenarbeit mit lokalen Finanzintermediären eine große Geschäftsmöglichkeit.

Es handelt sich dabei um Schulden, die in breiten Teilen der Rechtswissenschaft als „odious debts (dt. „verabscheuungswürdige Schulden“) bezeichnet werden. Das heißt, sie werden von Regierungen oder Regimen gegen den Willen des Volkes aufgenommen, und diese der Volkssouveränität widersprechende Situation ist den Gläubigern im Voraus bekannt. Diese Schulden treten die „Volkssouveränität“ dieser Völker nach Belieben mit Füßen: Während sie alle paar Jahre die Regierenden wählen, werden die wirklichen Entscheidungen in den imperialistischen Ländern getroffen, in den Büros der Regierungen und Agenturen der Gläubiger, mit den lokalen Bourgeoisien als Partner, die die wirtschaftlichen Entscheidungen, die das Leben von Millionen von Menschen betreffen, beeinflussen und aufzwingen. So entstehen politische Regime, die nominell „souverän“ sind, in Wirklichkeit aber der Vormundschaft des internationalen Finanzkapitals unterliegen.

Für die imperialistischen Mächte sind Auslandsschulden und Krisen Mittel, um die Agenda des transnationalen Kapitals aggressiv voranzutreiben. Die Gläubiger treten einheitlich auf. Der IWF agiert als eine Art kollektiver Gläubiger. In dieser Hinsicht gibt es keine Unterschiede zwischen den USA und China, das – weit entfernt von der Fabel der „gütigsten Macht“ – jede finanzielle Vereinbarung der Einhaltung der IWF-Parameter unterordnet. Die „Bailout“-Darlehen des IWF dienen dazu, die Disziplin des Kapitals durchzusetzen. Dessen „Strukturanpassungs“-Pläne fordern die Öffnung der Wirtschaft, die Liberalisierung des Finanz- und Kapitalverkehrs, die Privatisierung, die Flexibilisierung der Arbeitskräfte und die Ermöglichung einer groß angelegten Ausplünderung der natürlichen Ressourcen.

Unter diesem Deckmantel haben die imperialistischen multinationalen Konzerne sich immer mehr öffentliche Versorgungsbetriebe, Verkehrs- und Energieunternehmen sowie natürliche Gemeingüter und sogar extraterritoriale Vermögenswerte der Schuldnerländer angeeignet. Beispiele gibt es viele. Der spanische multinationale Konzern Telefónica hat mit seiner Holdinggesellschaft Telefónica Latinoamérica einen großen Teil der Telekommunikationsdienste in der Region monopolisiert. Im Falle Chinas sind seine Darlehen an politische Vereinbarungen geknüpft, um den Einstieg seiner Unternehmen in die Erschließung von Bodenschätzen in Lateinamerika und Afrika zu erleichtern. Dies ist einer der großen Mechanismen zur Ausplünderung der unterdrückten Länder. In Afrika besitzen internationale Organisationen wie der IWF etwa 35 Prozent der Schulden, China 20 Prozent und private Unternehmen, darunter Banken, Rohstoffhandelsunternehmen und Investmentfonds, ein weiteres Drittel. Während der Covid-Pandemie eröffnete der IWF neue Schuldenprogramme für afrikanische Länder: Programme, die Sparmaßnahmen, Steuern auf Lebensmittel und Brennstoffe sowie Kürzungen der öffentlichen Ausgaben beinhalten. Derzeit geben 60 Prozent der afrikanischen Länder mehr für die Rückzahlung von Schulden als für die Gesundheitsversorgung aus. 14 afrikanische Länder, ehemalige französische Kolonien, verwenden immer noch den CFA-Franc als Währung, den Frankreich zur Ausplünderung ihrer Ressourcen nutzt. Multinationale Unternehmen mit Sitz in Afrika, Asien und Lateinamerika nutzen auch die Vorteile billigerer Arbeitskräfte und des „Umweltdumpings“, indem sie in Ländern mit weniger Umweltvorschriften oder für extraktivistische Aktivitäten produzieren.

Die herrschenden Klassen und ihre politischen Regime in den Schuldnerländern haben sich an diesen üblichen Mechanismus der Ausplünderung gewöhnt und beteiligen sich an ihm. Häufig dienen diese Schulden auch dazu, die Profite des lokalen Kapitals zu subventionieren und die Kapitalflucht anzukurbeln, d. h. riesige Transfers öffentlicher Mittel an die lokalen Bourgeoisien, die wiederum erhebliche Teile der potenziellen „nationalen Ersparnisse“ ins Ausland – in die imperialistischen Länder – bringen. Es handelt sich um Schulden gegenüber den Völkern, bei denen sich die Bourgeoisien der imperialistischen Länder und die der Schuldnerländer die Hände reichen, auch wenn letztere eine Art freiwillige Geisel für sie sind.

Argentinien ist heute zu einem Laboratorium für die Anwendung der IWF-Pläne geworden, die nur dem Finanzkapital, den multinationalen Konzernen und den reichsten Kapitalist:innen des Landes zu Gute kommen. Die Armut beträgt fast 60 Prozent. Die Löhne haben in nur drei Monaten 25 Prozent ihrer Kaufkraft verloren. Die Preise für öffentliche Dienstleistungen wurden bereits erhöht und werden bald unerschwinglich sein, während der Abbau der öffentlichen Dienstleistungen wie Gesundheit und Bildung weitergeht. Milei will die Anpassung mit Entlassungen, Privatisierungen und Arbeitsreformen vertiefen, ein Kriegsplan gegen die arbeitende Bevölkerung. Die Schulden sollen weiterhin mit dem Hunger des Volkes bezahlt werden. Doch seit seinem Amtsantritt hat der Widerstand begonnen, sich zu organisieren. Es sind Stadtteilversammlungen entstanden, in denen Sektoren von Arbeiter:innen und Studierenden demokratisch organisiert sind. Die Gewerkschaftsbürokratie war gezwungen, für den 24. Januar einen landesweiten Streik auszurufen. Das Repressionsprotokoll der Regierung wurde mehrfach auf der Straße angefochten. Die Regierung hat mit dem Fall des Omnibus-Gesetzes, das drei Tage lang durch militante Demonstrationen bekämpft wurde, bereits eine erste Niederlage erlitten. Große Mobilisierungen von Frauen am 8. März im ganzen Land haben deutlich gemacht, dass sie nicht bereit sind, auf ihre erkämpften Rechte zu verzichten. Verschiedene Sektoren von Arbeiter:innen sind mit Versuchen der Schließung oder Entlassung konfrontiert. Es gibt Tendenzen zum Kampf und zur Organisierung von unten, die mit der Passivität und den von den Gewerkschaftsbürokratien und dem Peronismus aufgezwungenen Spaltungen kollidieren. Als Trotzkistische Fraktion treiben wir Solidaritätsaktionen mit dem argentinischen Volk in allen Ländern, in denen wir uns aufhalten, voran und beteiligen uns an gemeinsamen Plattformen mit im Ausland lebenden Argentinier:innen und mit Sektoren der politischen und gewerkschaftlichen Linken. Wir unterstützen den Kampf unserer Genoss:innen der PTS, um die unabhängige Mobilisierung der Arbeiter:innenklasse, der Frauen und der Jugend gegen Milei und die plündernde Wirtschaftsmacht zu entwickeln. Wir verteidigen die breiteste Einheitsfront der arbeitenden und unterdrückten Massen, um Milei und seine Anpassungspolitik zu Fall zu bringen.

Es ist notwendig, die Transmissionsriemen der Schuldendisziplin zu zerschneiden und der imperialistischen Ausplünderung ein Ende zu setzen. Wir setzen darauf, die breiteste Mobilisierung für folgende Forderungen zu entwickeln:

Streichung der öffentlichen Auslandsschulden der unterdrückten Länder bei den imperialistischen Staaten und dem internationalen Finanzkapital! Nichtanerkennung dieser Staatsschulden in den abhängigen Ländern selbst!

Nieder mit dem IWF und allen globalen Finanzinstitutionen im Dienste des internationalen Finanzkapitals! Entschädigungslose Enteignung unter Arbeiter:innenkontrolle der imperialistischen Unternehmen, die die wirtschaftlichen und natürlichen Ressourcen in den unterdrückten Ländern ausplündern!

Als Trotzkistische Fraktion für die Vierte Internationale halten wir es für dringend notwendig, alle Kräfte für den Anstoß und die Entwicklung einer großen internationalistischen und antiimperialistischen Bewegung einzusetzen, die sich heute unserer Meinung nach in diesen Kampagnen konzentriert, die wir vorschlagen.

Dafür ist es zentral, an den Arbeits- und Studienorten, in den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen gegen den passivierenden und spaltenden Einfluss der verschiedenen Bürokratien zu kämpfen, die mit den kapitalistischen Regierungen zusammenarbeiten. In allen Ländern, in denen wir agieren, nehmen wir uns im Rahmen unserer Kräfte vor, Tendenzen zur Selbstorganisation und Koordinierung der Kämpfe von der Basis aus voranzutreiben.

Wie wir eingangs betonten, wollen wir diesen Vorschlag mit dieser Erklärung all jenen Organisationen, Aktivist:innen und Einzelpersonen machen, die diese Perspektive teilen. Wir wollen in verschiedenen Ländern Fronten und Koalitionen bilden, die einen sozialistischen Standpunkt der Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse zum Ausdruck bringen können.

Diesen Kampf führen wir als Teil des Kampfes für den Aufbau revolutionärer Avantgardeparteien und einer Weltpartei der sozialistischen Revolution, was für uns den Wiederaufbau der Vierten Internationale auf revolutionärer Grundlage bedeutet. Das ist die große Herausforderung, der wir uns angesichts des imperialistischen Kapitalismus, der uns immer mehr in die Barbarei versenken will, annehmen wollen.

Mehr zum Thema