Willkommen im ersten Kreis der Hölle des G20-Gipfels!

07.07.2017, Lesezeit 5 Min.
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Die Demonstration unter dem Motto “Welcome to Hell” wird brutal beim Start von der Polizei angegriffen. Bis in die Elbe hinein werden die Aktivist*innen gejagt; es gab mehrere Verletzte. Ein Erfahrungsbericht direkt von dem Geschehen.

Wir standen uns unversöhnlich gegenüber. Schon bevor die Demo beginnen sollte, standen sich die Demonstrierenden und Polizist*innen unversöhnlich gegenüber, eine Atmosphäre des Klassenhasses lag in der Luft. Zur Demo am Fischmarkt waren über 20.000 gekommen. Der Platz war voll und vorne und hinten mit brachialer Polizeipräsenz „begleitet”. Etwa eine Stunde standen die Blöcke schon, parallel zur Elbe, mit wenig Ausweichmöglichkeiten.

Wir waren oben auf der Balustrade am Rande der Straßenschlucht, parallel zum vorderen Teil des Demonstrationszuges. Dann begann das Unfassbare: Die Polizei griff frontal den ersten Block an, setzte Schlagstöcke, Pfefferspray und Tränengas ein. Ihr einziges Ziel war es, die bis dato friedlichen Demonstrierenden zu vertreiben, zu verletzten, zu verängstigen. Eine Panik brach in der eng gedrängten Menge aus und es folgten dramatische Szenen: Aktivist*innen mussten über die Mauer klettern, um Schutz zu finden vor den endlosen Angriffen der Polizei, die weiter auf die zusammengequetschte Menge einschlug und vor sich her trieb. Die schmale Uferballustrade war übersäumt von Menschen, die in Panik geraten waren. Die Angriffe folgten permanent, es gab keine Pausen. Zusammengequetscht fanden einige fast keine Luft mehr, Atemnot trat ein. Doch nicht genug, mitten in die dicht gedrängten Mengen feuerten die Bullen eine Tränengasgranate nach der anderen…

In voller Verzweiflung begannen die ersten, von der höher gelegenen Balustrade Richtung Elbe zu springen, weil sie keinen anderen Ausweg sahen. Die Polizei nahm damit Schwerverletzte, Knochenbrüche oder gar Tote in Kauf. Die Lage war vollkommen unübersichtlich geworden; die Bullen prügelten unaufhörlich weiter, es blieb dann keine andere Möglichkeit, als selbst zu springen und auf der Elbpromenade zu landen. Viele der Menschen dort hatten diese Erfahrung wohl noch nie gemacht: Gejagt von Tränengas und Schlagstöcken sprangen immer mehr Aktivist*innen ab, viele in schierer Angst. Während ich einen Aktivisten ermunterte zu springen und ihm helfen wollte, wurde er von den Polizist*innen an den Beinen festgehalten und von der Polizei daran gehindert zu springen.

Wir halfen uns so gut es ging beim Landen und während einige wohl dachten, sie seien wohl sicher … setzte die Polizei ihre Angriffe fort. Der erste Polizist fiel unbeholfen herunter, aber die anderen folgten sodann und bekamen von mehrere Dutzenden Einsatzkräften Verstärkung. Von den Straßen her kamen die Wasserwerfer auf die Elbpromenade und trieben durch ihren Einsatz die Leute weiter auseinander. Ein Trupp von circa 15 Bullen ging in Formation geradeaus nahe an der Mauer der Promenade entlang und ohne jede Vorwarnung lösten sie sich aus der Formation, spurteten los und schlugen auf völlig unvorbereitete und verstreute Demonstrierende und drängten sie an die Wand.

An eine Demo war nun längst nicht mehr zu denken. Die Straßen um den Fischmarkt glichen einem Schlachtfeld voller zersplitterter Flaschen, die Luft noch leicht umhüllt vom dichten Tränengasgeruch. Während wir uns zeitweise verloren hatten, hatten die Bullen die Vorherrschaft über die Straßen noch weiter verstärkt. Überall waren die Polizeiwagen, überall hochgerüstete und tollwütige Bullen, die hier und da weiterhin die Aktivist*innen traktierten und festnahmen.

Kampf und Widerstand

Dieser erste Tag mit dieser verhinderten Demonstration zeigte die volle Eskalationsbereitschaft des Staates. Sie verfolgten uns, griffen uns an, scheuten sich nicht, dass wir teils schwere Körperverletzungen erlitten. Einige der Bullen provozierten gar, wohl wissend, dass der Staat sie mit allen Waffen und sonstigen Mitteln ausgestattet hat, um sich wie die Herren der Stadt zu fühlen. Dieser erste Tag zeigte, dass die Polizei die Aktivist*innen terrorisierte und danach quer über die Stadt jagte. Doch die Demonstrationen folgten auf den Fuß, der Großteil der Bevölkerung ist erfüllt vom Hass auf die Bullen, die Angst und Schrecken verbreiten.

Es hätte nicht zu solch einer kompletten Zermürbung und Zerstreuung der Demonstrierenden kommen müssen, wenn es eine Organisation gegeben hätte, die den aufgescheuchten Massen eine Orientierung gegeben und den Weg in eine erneute Kanalisierung des Protestes gewiesen hätte. Doch alleine sich auf solch eine Route einzulassen, die gleich zu Beginn den zehntausenden Demonstrierenden in einer direkten Gegenüberstellung mit den Bullen keinerlei Ausweg und Ausflucht bietet, ist ein Skandal für sich und eine grobe Fahrlässigkeit von den verantwortlichen Organisator*innen des autonomen Bündnisses “Welcome to Hell”, die im Nachhinein ernsthaft ausgewertet werden muss.

Wir werden uns von diesem Schlag nicht beeindrucken lassen. Je stärker die Angriffe, desto größer wird unser Widerstand werden. Dieser erste Tag zeigte, dass dieser verdammte Gipfel wenn nötig über Menschenleben geht. Die Staatsmacht hat es trotz dieses skandalösen Debakels nicht geschafft unseren Kampfeswillen zu brechen, sondern nur noch weiter unseren Klassenhass geschürt, den sie in den kommenden Tagen zu spüren bekommen wird. Die eigentlichen Verantwortlichen, die Kapitalist*innen und ihre Schergen, werden wir noch das Fürchten lehren, wenn wir ihr Kartenhaus zum Einstürzen bringen.

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