Wer hat nun die Schlacht um Hamburg gewonnen?

09.07.2017, Lesezeit 4 Min.
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Mandatory Credit: Photo by CARSTEN KOALL/EPA/REX/Shutterstock (8907233do) Protestors (R) and policemen stand face to face during the demonstration 'Welcome to Hell' ahead of the G20 summit in Hamburg, Germany, 06 July 2017. The G20 Summit (or G-20 or Group of Twenty) is an international forum for governments from 20 major economies. The summit is taking place in Hamburg from 07 to 08 July 2017. Protest against G20 Summit in Hamburg, Germany - 06 Jul 2017

Seit einer Woche tobt eine Schlacht, und zwar nicht nur um die Innenstadt. Die Anti-G20-Demonstrant*innen und die Hamburger Polizei ringen um die öffentliche Meinung und die Legitimität. Das Schlachtfeld liegt nicht nur auf der Straße, sondern auch in den Kommentarspalten.

Am Donnerstag musste die Hamburger Polizei eine Niederlage einstecken: Zwar konnte sie 10.000 Demonstrant*innen mit brutaler Gewalt auseinander jagen. Aber ihre Version der Geschichte blieb nicht in der öffentlichen Meinung hängen. Zentrale Medien – der Spiegel, der NDR, der Deutschlandfunk und andere – berichteten das Offensichtliche: Von den Demonstrant*innen war keinerlei Gewalt ausgegangen. Anlass für die Gewaltorgie der Polizei? Angeblich ging es um Vermummung. Und das, während die Bullen selbst vermummt herumlaufen!

Die Polizei sah wie Hooligans in schwarzen Uniformen aus – was sie tatsächlich ist. Die Gegner*innen der G20 genießen eine wachsende Solidarität in der Hamburger Bevölkerung, und darüber hinaus. Ähnlich war es auch schon Anfang letzter Woche gekommen, als die Polizei Menschen vom Schlafen abhalten wollte. Wenn das deutsche Regime auf solche Schergen setzt, dann ist die Kritik daran sicherlich gerechtfertigt, denken sich immer mehr Menschen.

Die Deutungshoheit musste die Polizei irgendwie zurückerobern. Und paradoxerweise ist sie zu diesem Zweck am Freitag Abend noch gewalttätiger aufgetreten. Mit einem massiven Aufgebot im Schanzenviertel konnte sie praktisch alle Menschen dort – Aktivist*innen wie Partygänger*innen – gegen sich aufbringen und brachiale Bilder produzieren.

Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass die Bullen auch hunderte Provokateur*innen einsetzen. Ein Mensch in einer schwarzen Maske, der ein kleines Auto anzündet, kann ein ehrlicher, jedoch dummer Aktivist sein – oder auch ein Agent der Staatsgewalt. Solche Inszenierungen sollen die Polizeigewalt legitimieren. Aus früheren Gipfeln wie in Genua 2001 und 2007 in Heiligendamm sind zahlreiche solche Fälle dokumentiert.

Wer am Ende als Gewinner*in der Schlacht um Hamburg da steht, werden wir erst in den nächsten Tagen sehen. Die Merkel-Regierung will sich als globale Führungsmacht präsentieren, sowohl gegenüber anderen imperialistischen Staaten, wie auch gegenüber der deutschen Bevölkerung. Es ist schließlich Wahlkampf.

Doch vieles deutet darauf hin, dass Merkels Manöver gescheitert ist. Vor allem in Hamburg haben die Institutionen des Staates viel Legitimität eingebüßt. Dieser „demokratische Rechtsstaat“ zeigt sein wahres Gesicht – ein Apparat zur Sicherung der Profite einer kleinen Minderheit.

Auch der SPD ist der Verlauf des Gipfels nicht zugute gekommen. Olaf Scholz hatte sich lange damit gebrüstet, den G20-Gipfel nach Hamburg geholt zu haben, und wollte die Proteste mit harter Repression im Keim ersticken, um ein „weltoffenes, friedliches Hamburg“ zu zeigen, das die mächtigsten Staatsoberhäupter der Welt mit offenen Armen empfängt. Doch der Widerstand war zu groß und die Willkür der Polizei zu offensichtlich, weshalb er seit Beginn der Woche Innensenator Andy Grote vorschickte, um die negative PR zu erhalten.

Besonders in ländlichen Regionen ist es jedoch gut möglich, dass Teile der Bevölkerung auf die Erzählungen der Herrschenden reinfallen – als ob Hamburg gerade von zerstörungswütigen Terrorist*innen besetzt wurde, die im Häuserkampf vertrieben werden mussten. Merkels Kalkül wird sein, dass sie autoritär gesinnte Schichten enger an sich binden kann, auch wenn sie dafür gemäßigte Wähler*innen verliert.

Aber auch die SPD und die Grünen sind in diesem Angriff auf demokratische Rechte eingebunden. Es gibt innerhalb des Parteiensystems keine Alternative dazu. Denn auch die Linkspartei, die die Polizeigewalt in Hamburg kritisiert, setzt Prügelbullen ein, um Menschen aus ihren Wohnungen und Kiezläden zu räumen.

Um die Schlacht um Hamburg in einen wirklichen Sieg zu verwandeln, müssen wir den Hass auf die Polizei und auf das gesamte Regime in eine politische Kraft verwandeln. Wir müssen Arbeiter*innen, Jugendliche, Frauen und LGBTI* in einer revolutionären Partei vereinen, die dieses System besiegen will.

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