Warum es absurd ist, Polizist:innen zuerst zu impfen

15.12.2020, Lesezeit 3 Min.
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Grafik: Klasse gegen Klasse

In den Impfplänen der Bundesregierung tauchen Polizist:innen ziemlich weit oben auf. Zusammen mit Einzelhandelsarbeiter:innen oder Erzieher:innen? Und jetzt setzt sich auch noch die Polizei"gewerkschaft" sie als noch wichtiger und relevanter einzustufen. Das geht gar nicht.

Scheinbar hat das Warten auf den Corona-Impfstoff bald ein Ende. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass es nicht genug für alle gibt. Und so wird diskutiert, welche Personengruppen als erste Zugang zum lebensrettenden Impfstoff erhalten sollen. Krankenhausbeschäftigte, Pfleger:innen und Risikogruppen stehen weit oben auf der Prioritätenliste. Andere kommen später, wie Einzelhandelsbeschäftigte oder Erzieher:innen. Die Impfungen von ihnen sind notwendig, damit das Gesundheitssystem nicht zusammen bricht, wir weiter notwendige Einkäufe machen können und Kinder unterrichtet und betreut werden können. 
Doch eine Personengruppe in der Auflistung der Regierungen macht stutzig:
Polizist:innen. 
Rainer Wendt, Vorsitzender der DPolG, der sogenannten Deutschen Polizei„gewerkschaft“, fordert sogar eine noch höhere Priorität. Schließlich seien Polizist:innen einem besonders hohen Infektionsrisiko ausgesetzt „vergleichbar mit dem von Pflegekräften“.

Pflegekräfte setzen täglich ihr Leben aufs Spiel, um unsere Leben zu retten. Sie arbeiten unter schlechten Bedingungen, der Personalmangel ist so hoch, dass sie angehalten werden, auch mit Coronaverdacht weiterzuarbeiten. Polizist:innen schieben ab, führen Racial Profiling durch und räumen im Winter und während einer Pandemie Menschen aus ihren Wohnungen. Die Innenminister:innen unterstützen den Vorschlag, Polizist:innen für diese systemrelevanten Tätigkeiten Zugang zu dem Impfstoff zu geben, der für mindestens 5 Milliarden Menschen auf der Welt grade unerreichbar ist.

Lehrer:innen, Erzieher:innen und Sozialarbeiter:innen versuchen trotz Unterfinanzierung und fehlenden technischen Möglichkeiten Kindern und Jugendlichen das bestmögliche Umfeld zum Lernen und Aufwachsen zu bieten. Durch die erneute Schließung von Schulen und Kitas müssen nun andere diese Aufgaben vermehrt übernehmen: die Familien. Doch viele Eltern müssen weiter arbeiten gehen, da die Bundesregierung an Arbeitgeber:innen nur freundlich appelliert Homeoffice zu ermöglichen, statt ernsthaft durchzugreifen. Großeltern und andere Angehörige, die bei der Betreuung und Erziehung unterstützten könnten, müssen bangen, ob sie Zugang zum raren Impfstoff erhalten oder ihre Gesundheit riskieren müssen.

So zeigt sich deutlich, welche Arbeit für die Regierung systemrelevant ist und wessen Leben schützenswert sind. In der Coronapandemie entblößt der Kapitalismus sein mörderisches Gesicht deutlicher als zuvor. Während Krankenhausarbeiter:innen um Schutzausrüstung ringen müssen, tausende sich Tag für Tag in überfüllte Busse und Bahnen zwängen und Merkel frierenden Schulkindern rät Kniebeugen zu machen, während sie Milliarden in Großkonzerne pumpt, sollen die Grundfesten dieses Systems unter allen Umständen gerettet werden: Profit und Eigentum.

Die Regierungen nehmen den Tod von mehreren Tausend Menschen pro Woche in Kauf, um die Produktion offen zu halten und wollen Polizist:innen impfen, damit diese weiter ihre Aufgabe als prügelnder Arm des Parlamentarismus umsetzen können. Um die Pandemie zu stoppen und Menschenleben zu retten, braucht es einen Lockdown der nicht-essenziellen Wirtschaft und eine Umstellung des gesamten Wirtschaftssystems nach Notwendigkeiten statt Marktregeln.

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