Impfungen für alle oder Profite für wenige?

14.12.2020, Lesezeit 5 Min.
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Während imperialistische Länder bis zu 7,5 Mal mehr Impfstoffe reservieren als sie benötigen, haben mehr als 5 Milliarden Menschen keinen Zugang zu einem Impfstoff. Weltweit hat jedes vierte Krankenhaus keinen Zugang zu sauberem Wasser. Wie gerecht ist die Verteilung des Impfstoffes auf der Welt?

In den USA beginnen heute die Impfungen durch den Biontech-Pfizer-Impfstoff. 100 Millionen Dosen wurden dafür bereits reserviert. In Großbritannien wird seit vergangener Woche geimpft. In der EU befindet sich der Impfstoff noch in der Prüfung.

Covid-19 ist eine globale Krise mit über 1.600.000 Toten. Doch die Regierungen sind nicht in der Lage eine internationale und kollektive Lösung für die Gesundheitskrise zu finden. Dies zeigte sich nicht nur in der Produktion von Impfstoffen, wo private Unternehmen wie Moderna oder Biontech im Namen der Profite konkurrieren, sondern auch bei der Verteilung der Impfstoffe.

Wie die in London ansässige Organisation Global Justice Now bereits festgestellte, wurde ein Großteil der Impfstoffdosen, die in naher Zukunft zur Verfügung stehen könnten, bereits von wohlhabenden Ländern beansprucht. Zum Beispiel sind 780 Millionen Dosen, die Moderna nach eigenen Angaben bis zum kommenden Jahr produzieren kann, bereits an die reichsten Regierungen der Welt verkauft worden. Der Wettlauf hat die Dynamik des Imperialismus verstärkt.

Das Problem liegt in der Wurzel des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Ressourcen und Technologien werden nicht gemeinschaftlich nach einem rationellen Plan eingesetzt, sondern sind Gegenstand eines Konkurrenzkampfes zwischen unterschiedlichen Nationen und Unternehmen.

Die Voraussetzung für den Wettlauf um den Impfstoff können unterschiedlicher kaum sein. Die Ungleichheit zwischen imperialistischen Ländern wie den USA und Deutschland sowie halbkolonialen Ländern in Afrika, Lateinamerika oder Asien ist das Resultat jahrhundertelanger Ausbeutung und Unterdrückung.

Ungleichheit ist ein Produkt des Kapitalismus

Laut einem UN-Bericht hat weltweit jedes vierte Krankenhaus keinen Zugang zu sauberem Wasser. Jedes dritte Krankenhaus verfügt über kein Desinfektionsmittel. Laut dem Bericht wären nur drei Milliarden Euro nötig um die Grundversorgung zu gewährleisten. Doch die Staatengemeinschaft ist nicht Willens die nötige Unterstützung bereitzustellen. Bei der Rettung von Lufthansa hatte die Bundesregierung dagegen kein Problem neun Milliarden Euro an die Aktionäre auszuzahlen.

Dieses Ungleichgewicht in der Gesundheitsversorgung ist weder naturgemäß noch vom Himmel gefallen. Es ist das Produkt der ungleichen und kombinierten wirtschaftlichen Entwicklung im Kapitalismus. Auf Kosten der imperialistischen Länder werden die Entwicklungsmöglichkeiten von halbkolonialen Ländern gehemmt. Diese Vormachtstellung ist das Ergebnis des Kolonialismus sowie der Eroberung globaler Märkte durch westliche Konzerne. Unter dem Vorzeichen „humanitärer“ Entwicklungshilfe wird das Abhängigkeitsverhältnis weiter aufrechterhalten.

Das beste Beispiel ist die Politik der multinationalen Konzerne. Ihre Hightech Produkte erobern die Märkte in halbkolonialen Ländern und lassen der lokalen Wirtschaft keine Möglichkeit sich zu entwickeln. Während einige Länder sich auf die Herstellung von Autos, Medikamente und ähnliches spezialisieren, liefern die Mehrzahl von Ländern ausschließlich Rohstoffe.
Durch die Abhängigkeit von der weiterverarbeitenden Industrie behält das imperialistische Kapital in vielen Bereichen die Monopolstellung.

Besonders im Bereich der Pharmaindustrie und Medizintechnik wird diese Monopolstellung und die damit verbundenen Profite durch zusätzliche Patentrechte geschützt.

Wenn in Zeiten einer Pandemie Arzneimittel und Impfstoffe zu Profitobjekten werden, wird deutlich, wie menschenverachtend und verrotten das kapitalistische System ist.

Die Pharmakonzerne machen nicht nur exorbitante Gewinne mit der Produktion von Impfstoffen, sie lassen sich die Forschung auch noch durch öffentliche Gelder finanzieren. Ein großer Teil der Grundlagenforschung für neue Biotechnologien wird mit Steuergeldern finanziert und dann an private Unternehmen weitergegeben. Somit wird vielen Menschen nicht nur der Zugang zu den benötigten Impfstoffen erschwert, sie werden dafür auch noch doppelt zur Kasse gebeten.

Impfstoffnationalismus ist der neue Patriotismus

Die Entwicklung des Impfstoffs ist geprägt von nationaler Konkurrenz im Wettlauf um die maximalen Profite. Sowie von der der Frage wie der Impfstoff unter den Staaten aufgeteilt werden soll.

Laut Informationen der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) hat Kanada 300 Millionen Impfdosen für 40 Millionen Einwohner:innen (7,5 Mal) gesichert. Die USA haben 800 Millionen Impfdosen für 300 Einwohner:innen (2,5 Mal) gesichert. Auch Deutschland hat nahezu zwei Impfungen für alle Einwohner:innen reserviert. Währenddessen ist es nicht sicher, ob und wie die fünf Milliarden Menschen in der Peripherie Zugang zu einem Impfstoff bekommen werden.

Durch den hauptsächlichen Verkauf des Impfstoffs an imperialistische Länder erzielen Firmen wie Biontech, Curevac und Co. extra Profite in Milliarden Höhe. Diese Kalkulation führt jedoch zwangsläufig zu einem Mangel an Impfdosen in halbkolonialen Ländern. Wie viel Menschenleben sind die Extra-Profite der Pharmaindustrie wert?

Die konkurrierenden Staaten und ihre private Pharmaindustrie sind eine Bedrohung für die Weltgesundheit, insbesondere für die ärmeren und halbkolonialen Ländern.

Es ist zwingend notwendig, einen sicheren und wirksamen Impfstoff herzustellen, der für jedes Land sofort und kostenlos verfügbar ist. Wir müssen das Gesundheitssystem verstaatlichen und alle für den Impfstoff benötigten Industrien unter die Kontrolle der Arbeiter:innen stellen.

Wir müssen die Konkurrenz beenden und die Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen grenzüberschreitend vereinen. Nur mit einer internationalen sozialistischen Perspektive können wir die Produktion und Verteilung unter demokratische Kontrolle bringen und die Krise überwinden.

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