VSG-Streik radikalisiert sich, mit Solidarität und Straßenblockaden

18.05.2018, Lesezeit 4 Min.
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Heute war der 37. Streiktag an der Vivantes Service GmbH, der Servicetochter des öffentlichen Krankenhauskonzerns Vivantes. Seit Jahren hat die Hauptstadt keinen so langen Streik erlebt. In der sechsten Woche spitzt sich der Kampf zu: Am Freitag legten erstmals Pflegekräfte aus Solidarität ihre Arbeit nieder.

„Tarifvertrag – jetzt!“ Die Parole haben die Kollegen von der Vivantes Service GmbH schon tausende Male gerufen. Doch am Freitag Vormittag suchen sie einen neuen Ort für ihren Protest aus: Sie stehen auf der Fahrbahn der Landsberger Alle direkt vor dem Krankenhaus im Friedrichshain. Hinter der Straßenblockade wird der Stau immer länger – ein Audi-Fahrer versucht erfolglos, die Streikenden zu verjagen.

Die VSG ist für Sterilisation, Krankentransport und zahlreiche andere Aufgaben im Krankenhauskonzern Vivantes verantwortlich. Um den Streik zu brechen, lässt Vivantes Sterilisationsgut in anderen Krankenhäusern – sogar in Hamburg! – aufbereiten und setzt fachfremdes Personal dafür ein. Gestern wurde Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen im Berliner Abgeordnetenhaus auf diesen Skandal angesprochen. Er behauptete, diese Vorwürfe würden sich „nicht bestätigen“ lassen. Dabei hatte Vivantes den Einsatz von ungeschultem Personal in der Sterilisation gegenüber diesem Reporter selbst bestätigt, wie wir berichtet haben.

Am 37. Tag des VSG-Streiks sind erstmals Pflegekräfte in einen Solidaritätsstreik getreten. Mehr als 30 von ihnen sitzen auf dem Rasen. „Die VSG-Kollegen haben mit die wichtigste Arbeit“, sagt eine Pflegerin, die nicht namentlich zitiert werden möchte, da sie Repression fürchtet. „Mit dreckigen Instrumenten möchte niemand operiert werden.“ Die Kollegin macht deutlich: Auch wenn das Servicepersonal bei Vivantes ausgegliedert ist, ist es immer noch ein Krankenhaus und eine Belegschaft. Deswegen ist es nur richtig, einen einheitlichen Tarifvertrag für alle zu fordern.

Insgesamt sind am Freitag über 100 Kollegen im Arbeitskampf, ein neuer Höhepunkt. In der letzten Woche versuchten Vivantes-Manager*innen, den Streikenden Hausverbot zu erteilen, und drohten sogar mit der Polizei. Krankenhäuser sind jedoch öffentliche Gebäude – die Polizei ist bisher kein einziges Mal gekommen. Um 5 vor 12 versammeln sich die Streikenden am Eingang und machen Lärm ohne Ende – inzwischen ein Ritual an jedem Streiktag.

Endlich wird auch mehr über den Streik berichtet. Bisher hatten bürgerliche Medien kein Wort über den Arbeitskampf geschrieben, und auch linke Zeitungen hatten eher kurze Meldungen. Nur Klasse Gegen Klasse hatte eine durchgehende Berichterstattung mit Artikeln, Interviews und Videos. Aufgrund der Ausdauer und der Radikalisierung kommen jetzt mehr Reporter*innen vorbei.

Auch die Bundestagsabgeordnete Jutta Krellmann kam zu Besuch und druckte ihre Solidarität aus. Es gäbe „eigentlich eine linke Regierung“ in Berlin, so Krellmann, und wie könnte es sein, dass der Senat die Zahlung von Tariflöhnen in öffentlichen Unternehmen ablehnt? Auch das war gestern Thema im Abgeordnetenhaus. Kollatz-Ahnen behauptet immer wieder, dass der Senat „keine Tarifpartei“ sei – obwohl Vivantes ein öffentliches Unternehmen ist und er höchstpersonölich im Aufsichtsrat sitzt. Sogar Abgeordnete von SPD und Linkspartei, die zur Regierungskoalition gehören, konnten das nicht glauben.

In der sechsten Streikwoche gibt es kein Angebot der Geschäftsführung. Der Senat und auch der regierende Bürger*innenmeister Michael Müller (SPD) versprechen Lösungen. Aber bisher haben sie, so erfährt man aus Verhandlungskreisen, noch keine klare Anweisung an Vivantes gegeben.

Deswegen radikalisieren die VSG-Streikenden ihre Aktionsformen. Dafür trägt Vivantes und der Senat die alleinige Verantwortung – es würde nur „Peanuts“ kosten, so ein Sozialdemokrat, an der VSG Tariflöhne zu zahlen. Aber die Politiker*innen befürchten, wenn sie hier nachgeben, dass dann unzählige andere prekär Beschäftigte in Berlin selbst kämpfen werden. Es ist also für beide Seiten nicht nur ein Streit um Geld, sondern eine prinzipielle Auseinandersetzung. Muss sich der Berliner Senat an seinen eigenen Versprechen halten und Tarifflucht in öffentlichen Betrieben beenden?

Der Streik bei der VSG verbindet sich immer mehr mit dem Arbeitskampf der studentischen Beschäftigten (TVStud). Gestern demonstrierten über 1.000 studentische Beschäftigte, mit der VSG an der Spitze. „Wir werden immer gemeinsam kämpfen!“, rief Özgür.

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