Sondierungen in Berlin: Linkspartei verrät die Enteignungs-Bewegung

21.10.2021, Lesezeit 7 Min.
1
Foto: Montecruz Foto

In Berlin stehen alle Zeichen auf eine erneute Koalition von SPD, Grünen und Linkspartei. Was bedeutet das für die Umsetzung des Volksentscheids "Deutsche Wohnen & Co enteignen”? DIE LINKE hatte die Enteignung im Wahlkampf noch offensiv unterstützt. Doch auf ihrem Landesparteitag ließ sie am Dienstag ihre Versprechen für eine neue RRG-Koalition fallen.

Drei Wochen nach der Wahl sieht es danach aus, als würden wir in Berlin erneut eine Koalition aus den drei bisherigen Regierungsparteien, SPD, Grüne und Linkspartei, bekommen. Die Berliner:innen haben bei der Wahl klargemacht, dass sie parteiübergreifend für die Enteignung der großen Immobilienkonzerne stehen. Deshalb sollte die Umsetzung des Volksentscheides auch im Zentrum der laufenden Koalitionsverhandlungen stehen. Der Widerstand von SPD und Grünen war abzusehen, umso wichtiger wäre eine Partei, die versucht mit allen Mitteln für die Enteignung zu kämpfen.

Franziska Giffey (SPD) hatte vor der Wahl verkündet, dass sie nichts vom Ergebnis des Volksentscheids und der Enteignung großer Immobilienkonzerne hält. Noch am Tag vor der Wahl sagte sie, „durch Enteignung lösen wir kein Problem und setzen ein ganz schwieriges Signal. Ich möchte nicht in einer Stadt leben, die das Signal sendet, hier wird enteignet.“

Auch auf die Grünen kann man bei der Durchsetzung der demokratischen Forderung nach Enteignung eher nicht hoffen. Bettina Jarasch von den Grünen hatte zwar öffentlich verkündet, beim Volksentscheid mit Ja zu stimmen, bezeichnet aber gleichzeitig Enteignungen als “ultima ratio”. „Die Karte Enteignung wird nur gezogen, wenn eine kooperative Lösung scheitert“, versicherte sie, ihre Partei. Sie setze in Berlin auf einen Mietenschutzschirm, der als Alternative zur Enteignung fungieren soll.

Die beiden stärksten Berliner Parteien machen diese Position auch im Sondierungspapier für Rot-Grün-Rot deutlich. Darin ist lediglich von der Einrichtung einer Expert:innenkommission zur Prüfung des Volksentscheids unter Beteiligung der Initiative die Rede – von einer tatsächlichen und schnellen Umsetzung ist keine Rede. Die vorgeschlagene Kommission ist eine Maßnahme, um Teile der Kampagne in ein Scheitern des Volksentscheids mit einzubinden, durch die die Initiative als Ganzes geschwächt und die Basis für weitere Aktionen entzogen werden sollen. Sollten große Teile der Initiative sich auf diese Masche einlassen, könnte dies das Scheitern bedeuten.

Das Sondierungspapier ignoriert außerdem zahlreiche, durch die Kampagne selbst in Auftrag gegebene, rechtliche Prüfungen und den bereits im Sommer von der Kampagne vorgestellten Entwurf für ein solches Gesetz. Schon in der vergangenen Legislaturperiode versuchte der Senat, den Volksentscheid durch rechtliche Manöver zu behindern.

Doch was tut die Linkspartei als schwächste Partnerin in der Koalition bei alledem?

Da die LINKE im Wahlkampf noch groß Werbung mit ihrer Unterstützung der Kampagne “Deutsche Wohnen und Co. Enteignen” gemacht hat, sollte Mensch eigentlich erwarten, dass sie jetzt eine klare Position vertreten. Auf dem Berliner Landesparteitag am Dienstag scheiterte jedoch der Antrag, der die Verankerung der Umsetzung des Volksentscheides im Koalitionsvertrag zur Voraussetzung für eine Zusammenarbeit machen sollte. Sie gehen jetzt mit dem Vorschlag mit, ein Expertengremium einzusetzen, welches vorerst die Umsetzung der Enteignung für ein Jahr prüft. Das nicht genug, auch verpasst die Partei ihre Stärke zu nutzen, um gegen jene Parteien auf die Straßen zu gehen, welche offen den demokratischen Willen übergehen. Stattdessen zieht die Partei es erneut vor, unter der Führung von SPD und Grünen mitzuregieren, statt sich an den Interessen der großen Mehrheit der Berliner Bevölkerung zu orientieren. Eine Tendenz, die sich auch in anderen Themen, wie der Privatisierung der Berliner S-Bahn, Abschiebungen, den Forderungen der Berliner Krankenhausbewegung oder Räumungen linker Projekte zeigt.

Trotz des Drucks, den die “Deutsche Wohnen und Co. enteignen”-Kampagne auf die Koalitionsverhandlungen durch Mobilisierung und Kundgebungen vor Ort aufbaut, ist schon jetzt abzusehen, dass die neue Regierung auf den demokratisch geäußerten Entschluss, große Immobilienkonzerne zu enteignen, nicht eingehen will. Selbst die linkeste Partei der Regierung knickt ein, statt mit aller Kraft Druck bei den Koalitionsverhandlungen oder auf den Straßen zu machen.

Es reicht also offensichtlich nicht, als seine Hoffnung in die Regierungsbeteiligung der Linkspartei zu stecken. Doch wie können wir die Kampagne doch noch zum Erfolg führen?

Wie weiter, wenn die Regierung sich weigert?

Die Aufgabe von Aktivist:innen, die für die Umsetzung des Volksentscheids kämpfen wollen, liegt darin, die bisherigen Stärken der Kampagne zu nutzen und auf innen aufzubauen. Tausende Aktivist:innen haben Unterschriften gesammelt, Haustürgespräche geführt oder Mietendemos besucht, außerdem hat die angespannte Mietsituation für einen enormen Rückhalt in der Berliner Bevölkerung gesorgt. Jetzt ist es an der ZEIT, mit dieser Stärke große Demonstrationen zu organisieren. Das heißt so oft wie möglich, notfalls sogar täglich, auf der Straße präsent zu sein, um unseren Willen nach Enteignung durchzusetzen. Nur massenhafte Mobilisierungen können einerseits den Entschluss von über einer Million Berliner:innen verteidigen. Andererseits gibt es auch Gründe, in die Offensive zu gehen: Bisher ist selbst im Falle einer Enteignung immer noch eine Entschädigung in Milliardenhöhe für die Wohnungskonzerne vorgesehen. Dabei haben sie jahrzehntelang Gewinne aus den Wohnungen gezogen, die wir bewohnen und haben keinerlei zusätzliche Entschädigung verdient.

Um zu verhindern, dass die Regierung mit dem Argument der Kosten des Volksentscheids – obwohl die Kampagne vorgerechnet hat, dass kein Loch in die Berliner Landeskasse gerissen wird – hinterher Einsparungen in der öffentlichen Infrastruktur rechtfertigt, braucht es also entschädigungslose Enteignungen! Wenn überhaupt irgendeine Entschädigung ansteht, dann für die Mieter:innen, die über Jahrzehnte die Dividenden der Aktionär:innen mitbezahlt haben.

Auf die Zusammenarbeit mit den Regierungsparteien in deren Expert:innengremien sollte sich die Initiative keinesfalls einlassen. Diese Arbeitsgruppen dienen letztlich nur dem Aufschub der konkreten Umsetzung des Volksentscheids. Es gibt bereits Vorschläge, es gab rechtliche Gutachten – die Aktivist:innen der Bewegung dürfen sich jetzt nicht dafür mitverantwortlich machen, dass nicht umgesetzt wird, was bereits demokratisch entschieden wurde.

Stattdessen sollten sie sich weiter mit den Akteur:innen anderer sozialer Bewegungen vernetzen, die bisher und auch in der kommenden Legislatur gegen die Regierungspolitik kämpfen müssen: die Krankenhausbewegung, die Initiative “S Bahn für alle!”, sowie die Proteste gegen rassistische Polizeikontrollen und Abschiebungen.

Gemeinsam mit diesen Bewegungen sollte von den Gewerkschaften ein aktive Unterstützung des Volksentscheids eingefordert werden. IG Metall, ver.di und andere Gewerkschaften in Berlin haben das Anliegen vor der Abstimmung zumindest ideell unterstützt. Jetzt kommt es aber darauf an, dass auch sie aktiv mobilisieren und im Zweifelsfall zu Streiks aufrufen, um die Enteignungen durchzusetzen. Schließlich hängt unser Lebensstandard mit der Entwicklung der Löhne und Mieten gleichermaßen zusammen. Die Gewerkschaften, also die Kampforgane der Arbeitenden, müssen also aufgefordert werden, mitzukämpfen.

Auch die Linkspartei hätte eigentlich die Aufgabe, solche Mobilisierungen zu unterstützen, anstatt nun für einen Platz am Regierungstisch still zu halten. Die Mehrheit des Berliner Landesverbands ist aber klar auf Regierungskurs und ist dafür auch bereit, die Enteignungs-Forderung zu opfern. Diejenigen Abgeordneten in der Partei wie Ferat Kocak, die weiterhin den Volksentscheid umsetzen wollen, sollten konsequent für ihre Position kämpfen! Aber wenn die Mehrheit einknickt, sollten sie auch Konsequenzen ziehen: Einen Koalitionsvertrag ohne eindeutigen Auftrag zur Enteignung der Wohnungskonzerne sollten sie nicht mittragen und stattdessen die Fraktion verlassen.

Das wäre auch ein wichtiges Zeichen an alle, die für den Volksentscheid gestimmt haben und auch an alle, die die Linkspartei unter anderem für dessen Umsetzung gewählt haben: Wir können uns nicht auf eine Regierungspolitik voller Kompromisse verlassen – aber wir können konsequent für die Forderung eintreten, die eine Mehrheit der Berliner:innen unterstützt. Der Kampf um Deutsche Wohnen & Co zu enteignen geht jetzt erst richtig los!

Mehr zum Thema