Regieren um jeden Preis? Linkspartei muss Abschiebungen stoppen

15.03.2021, Lesezeit 5 Min.
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Jedes Jahr ist die Linkspartei für circa 2.000 Abschiebungen verantwortlich. Ein Beschluss des Parteitags möchte das stoppen. Wird er Konsequenzen haben?

Dieser Artikel erschien zuerst auf dem Linkspartei-nahen Blog Die Freiheitsliebe.

Bei ihrem Parteitag Ende Februar hat die Linkspartei in ihrem Leitantrag etwas Wichtiges beschlossen:

In allen Ländern, wo DIE LINKE an der Regierung beteiligt ist oder regiert, haben wir uns für die humanitäre Aufnahme von Geflüchteten eingesetzt. In allen Bundesländern wurde jedoch gleichzeitig abgeschoben. Wir bleiben dabei: DIE LINKE lehnt Abschiebungen ab.

Diese Passage war im ursprünglichen Entwurf zum Leitantrag nicht vorhanden. Dass sie eingefügt wurde, ist Ergebnis eines Änderungsantrages eines Mitglieds der SAV aus Kassel.

Im Jahr 2019 gab es 22.097 Abschiebungen aus Deutschland – das ist das letzte Jahr, aus dem Zahlen vorliegen.

In diesem Jahr saß die Linkspartei in vier Landesregierungen: Berlin (rot-rot-grün), Thüringen (rot-rot-grün, mit linkem Ministerpräsidenten), Brandenburg (rot-rot bis September 2019) und Bremen (rot-rot-grün seit August 2019).

In diesem Jahr gab es 995 Abschiebungen aus Berlin, 462 aus Thüringen, 326 aus Brandenburg, und 93 aus Bremen. Es macht keinen Unterschied bei den Zahlen, ob SPD, Grüne und Linke oder CDU und FDP das Sagen haben.

Das heißt, Jahr für Jahr verantwortet die Linkspartei bis zu 2.000 Abschiebungen.

Blickt man auf die Zahlen seit 2014, fällt auch gar nicht auf, wann Die LINKE einer Regierung beitritt oder eine Regierung verlässt. Als Berlin 2014 noch von SPD und CDU regiert wurde, war die Zahl sogar deutlich niedriger. #R2Gwirkt scheint generell nicht für Geflüchtete zu gelten.

Der Begriff „Abschiebung“ klingt trocken und bürokratisch. Aber er bedeutet, dass die Polizei Familien aus ihren Häusern reißt und gegen ihren Willen in ein Flugzeug setzt. Kinder müssen sich in Ländern zurecht finden, die sie nicht kennen. Für manche Menschen bedeutet Abschiebung den Tod.

Und Regierungen, in der die Linkspartei sicht beteiligt, machen das bis zu sechs Mal pro Tag.

Landespolitiker:innen werden behaupten, ihre Hände seien gebunden. Sie müssten Abschiebungen durchführen, wenn diese von Ämtern und Gerichten so befohlen werden, und hätten keine Spielräume.

Doch als Bodo Ramelow im Jahr 2014 zum thüringischen Ministerpräsidenten gewählt wurde, ordnete seine Regierung für einige Monate einen WInterabschiebestopp an. In dem Jahr war die Zahl der Abschiebungen relativ niedrig – doch danach hat Ramelow die Abschiebungen intensiviert.

Dennoch hat er einen Beweis geliefert: Eine Landesregierung könnte jederzeit jegliche Abschiebungen aussetzen. Die Grundlage dafür bietet §60a Aufenthaltsgesetz, welcher eine zeitlich begrenzte Aussetzung der Abschiebung aus „völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen“ erlaubt. Es ist derselbe Paragraph, der im Falle von individuellen Duldungen Anwendung findet. Das Argument, dass ja nur eine zeitliche Begrenzung möglich sei, ist dabei nur vorgeschoben: Duldungen werden regelmäßig verlängert, und auch ein Abschiebestopp für jeden einzelnen Winter wäre in Thüringen möglich gewesen – aber politisch nicht gewollt.

Das heißt: Wenn Minister:innen von der Linkspartei Abschiebungen durchführen, dann deshalb, weil sie das wollen oder weil es ihnen ihre Regierungsposten wichtiger sind, was die Situation nicht besser macht.

Für eine Kampagne gegen jegliche Abschiebungen!

Kann die Linkspartei also ihren Parteitagsbeschluss umsetzen? Wird es in Berlin, Thüringen, und Bremen einen sofortigen und umfassenden Abschiebestopp geben? Oder wird die Linkspartei die Koalition verlassen? Die Alternative wäre, freiwillig in einer Regierung zu bleiben, die Abschiebungen durchführt.

Es steht zu befürchten, dass in einer Regierungspartei die Parteidemokratie keine Bedeutung hat, und die Entscheidungen von MInister:innen getroffen werden.

Aber jede Abschiebung ist rassistisch, und jede Abschiebung bedeutet eine Spaltung der Reihen der Arbeiter:innenklasse. Eine linke Partei muss jede Abschiebung ablehnen – nicht nur in Worten, sondern auch in Taten. Der mehrheitliche Beschluss des Parteitages muss umgesetzt werden.

Deshalb müssen diejenigen Genoss:innen in der Linkspartei, die sich gegen Abschiebungen einsetzen – wie die SAV, die den Änderungsantrag eingebracht hat, oder die SOL, die AKL, die Linkspartei in Neukölln und anderen Orten, der SDS – und alle sozialen und gewerkschaftlichen Organisationen eine große Kampagne für ein sofortiges Abschiebemoratorium organisieren, um jegliche Abschiebungen in Bundesländern mit der Linkspartei an der Regierung zu beenden.

Das bedeutet auch, sich in den kommenden Landtags- und Bundestagswahlen offensiv gegen jede Regierungsbeteiligung zu richten, die für Abschiebungen verantwortlich ist. Auch die Vernetzung für Kämpferische Gewerkschaften (VKG), in der viele dieser Gruppen und Einzelpersonen aktiv sind, sollte eine Kraft für eine solche Kampagne werden. Wir als Revolutionäre Internationalistische Organisation stellen unsere Webseite Klasse Gegen Klasse sowie all unsere personellen Kräfte für eine solche Kampagne zur Verfügung.

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