Mogelpackung drittes Entlastungspaket: doch nur 30 statt 65 Milliarden Euro

23.09.2022, Lesezeit 3 Min.
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Foto: steflas / Shutterstock.com

Nachdem die Ampel am 4. September nach einer 22-stündigen Diskussion ein drittes Entlastungspaket verkündet hatte, sind nun Details zur Finanzierung bekannt. Statt der angekündigten 65 Milliarden wird die Bundesregierung nur etwa 30 Milliarden Euro ausgeben – während sie wegen der gestiegenen Inflationsrate zusätzliche Mehrwertsteuereinnahmen in Höhe von 29 Milliarden Euro zu verzeichnen hat.

Ein Gehalt in Höhe von 3.600 Euro netto reicht der Sparkasse zufolge nicht mehr bis zum Ende des Monats. Jede:r Sechste in diesem Land nimmt pro Tag eine Mahlzeit weniger zu sich, weil diese zu teuer geworden sind.

Solche Situationen bergen ein Potenzial, vor dem sich die selbsternannte Fortschritts-Koalition fürchtet. Deshalb hatte sie Anfang September Einmalzahlungen für vorab nicht Berücksichtigte beschlossen: Rentner:innen, Student:innen und Wohngeldberechtigte sollen wenige Hundert Euro erhalten. Die Hilfen für Kinder und Bürgergeld-Empfänger:innen liegen im zweistelligen Bereich.

Eine Strom- und Gaspreisdeckelung und eine Übergewinnsteuer fehlen gänzlich.Die Gasumlage, mit der die Menschen große Gaskonzerne „stützen“ sollen, während diese sich an Krieg und Krise bereichern, soll bestehen bleiben.

Da Unternehmen mit hohem Energiebedarf jedoch selber mehr zahlen und andere Energiekonzerne in Privathand nach der neuen Verordnung nicht von der Gasumlage profitieren werden, sprechen sich Unternehmer:innen, die Union und die FDP gegen sie aus. Auch aus den Reihen von SPD und Grünen werden erste Gegenstimmen erhoben. Nichtsdestotrotz sieht es weiterhin stark danach aus, dass die verhasste Gasumlage zum 1. Oktober eingeführt wird. Vor Kurzem verstaatlichte Unternehmen wie Uniper (und eventuell bald Gazprom) sollen die Gelder übergangsweise erhalten.

Wer soll das bezahlen?

Bundestagsabgeordnete Heidi Reichinnek (Die LINKE) hatte das Finanzministerium gefragt, woher es die 65 Milliarden Euro für das neue Entlastungspaket nehmen will und eine Aufschlüsselung gefordert. Die Antwort: 4,8 Milliarden Euro für die Bürgergeld-Erhöhung, 2,9 für das Gesetz für ein Ende von doppelt besteuerten Renten, 10,1 zum Ausgleich der sogenannten kalten Progression.

Reichinnek zählt verschiedene Maßnahmen wie beispielsweise die verringerte Mehrwertsteuer auf Gas – sieben statt 19 Prozent – die Verschiebung der höheren CO2-Bepreisung und die Möglichkeit, den eigenen Beschäftigten eine steuerfreie Prämie zu zahlen, nicht als zusätzliche Ausgaben des Bundes mit. Sie hatte sich Klarheit darüber erhofft, „woraus das Programm besteht“, und erhebt nun den Vorwurf der Wahrheitsverzerrung.

Im Endeffekt handelt es sich also um die Bereitstellung einer Milliarde Euro – wenn überhaupt, denn von den 30 von Reichinnek errechneten Milliarden, kommen 29 Milliarden durch die höheren Steuereinnahmen wegen der Inflation wieder rein. Der Bund trägt sogar nur 20,2 Milliarden, der Rest stammt aus Geldern der Länder. Angesichts der vollmundig angekündigten 65 Milliarden muss das Entlastungspaket als Mogelpackung eingestuft werden. Zur Aufrüstung hingegen stellt die Regierung sehr wohl Geld bereit, wie die 100 Milliarden für die Bundeswehr zeigen.

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