Die Linkspartei und “DW & Co enteignen” – Alles Wahlkampf, oder was?

03.03.2021, Lesezeit 10 Min.
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Foto: hanohiki / shutterstock.com

Im Parteitag der LINKEN wurde sehr deutlich, dass der Volksentscheid “Deutsche Wohnen und Co. enteignen” von der Partei offizielle Unterstützung erfährt. Schon jetzt zeigt sich, dass die Kampagne maßgeblich den kommenden Wahlkampf zum Berliner Abgeordnetenhaus mitbestimmen wird. Über die Erfolgsaussichten der Aktion und wie wir uns über die Kampagne hinaus selbst organisieren müssen.

Deutsche Wohnen und Co. enteignen startet in die nächste Runde

Die Sammelphase zum Volksentscheid “Deutsche Wohnen und Co. enteignen” hat am Freitag begonnen, mit großem Erfolg: In den Bezirken Neukölln und Kreuzberg konnte nach Angaben der Initiative insgesamt über 10.000 Unterschriften gesammelt werden. Ziel der Aktion ist es bis zum 1. Juni 170.000 Unterschriften für ein gültiges Volksbegehren zu sammeln, dass dann in einem nächsten Schritt vom Senat umgesetzt werden soll. Doch worum geht es der Kampagne eigentlich?

Im Gespräch sind etwa 240.000 Wohnungen, die derzeit im Besitz der großen Immobilienfirmen in Berlin sind, eine davon ist die bekannte Deutsche Wohnen eg. Das sind insgesamt elf Prozent des Wohnungsmarktes, welche bei einem gültigen Volksentscheid vergesellschaftet und wieder in staatliche Hand gelangen sollen. Von der Enteignung betroffene Firmen sind nach den Plänen des Volksentscheids nur die, die mehr als 3.000 Wohnungen besitzen und verwalten – entgegen der von konservativen Medien geschürten Angst ist also die Eigentumswohnung zur eigenen Rentenvorsorge nicht betroffen.

Seit mehreren Jahrzehnten leben die Immobilienhaie von der Spekulation mit Wohnraum, wobei sie ihre Marktmacht stetig ausdehnen. Die Folgen: Steigende Mieten, eine höhere Konkurrenz auf dem Immobilienmarkt und sich stetig verschlechternde Wohnbedingungen für die Mieter:innen von DW und Co. Denn obwohl die Mieten und die Belastung für Mieter:innen immer weiter zunehmen, versagt die DW an der Aufgabe, die Wohnungen ordnungsgemäß zu sanieren und die Bewohner:innen bei Minusgraden im Warmen zu halten.

Um dieses Problem zu bekämpfen, fordert die Kampagne eine Enteignung von Wohnraum, um selbst mitbestimmen zu können und einen Teil der Macht im Wohnungsmarkt zurückgewinnen zu können. Der Wohnraum soll wieder in die Hand der Mieter:innen gebracht werden, um den Ausverkauf der Stadt zu beenden.

Doch ein fader Beigeschmack bleibt: Denn für die Enteignung sollen die Immobilienfirmen entschädigt werden. Die Wohnungen werden also zurückgekauft, wobei noch unklar ist, zu welchem Preis. So wie es sich die Kampagne vorstellt, würde dieser Rückkauf jedoch den Steuerzahler nicht belasten, da der Kredit aus den Mieteinnahmen der erkämpften Wohnungen über die nächsten Jahre schrittweise abgezahlt werden solle. Wenn die Kampagne erfolgreich ist und genug Unterschriften gesammelt werden, könnte dadurch eine große Zahl bezahlbarer Wohnungen gewonnen werden, die in die Hand eines noch zu schaffenden öffentlichen Unternehmens gebracht werden.

Erfolgsaussichten des Volksbegehren

Wenn die Zahl von gültigen Unterschriften erreicht ist, und bei einem Volksentscheid die Mehrheit der Berliner:innen für die Enteignung stimmen, gilt es dieses Begehren vom Senat umzusetzen. Die Parteien äußern sich zur Kampagne aktuell sehr unterschiedlich. Klar kritisierten CDU, FDP, AfD die Initiative und sogar die SPD sprach sich offen gegen eine Enteignung aus, zuletzt der Regierende Bürgermeister Michael Müller und die Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl Franziska Giffey. Die Grünen zeigten sich bislang skeptisch, wie sie sich zukünftig positionieren, wird sich noch entscheiden. Aktuell sind ihre Wähler:innen Umfragen zufolgen sehr gespalten, 40 Prozent stimmen der Initiative zu, während 39 Prozent sie ablehnen. Welchen Kurs sie fahren werden, bleibt auch hinsichtlich ihrer Wahlkampfstrategie abzuwarten.

Klarer zeigt sich hingegen die Linkspartei. Das machte bereits die Amtsantrittsrede von Janine Wissler als neue Parteivorsitzende deutlich: “Wir wollen Reichtum umverteilen. Wir wollen Immobilienkonzerne enteignen, wo es nötig ist, um das Gemeinwohl zu schützen. Deshalb unterstützen wir die Kampagne Deutsche Wohnen und Co. enteignen, denn Wohnen ist ein Menschenrecht und Wohnungen sind kein Renditeobjekt”.

Dass die Kampagne gerade so viel Rückhalt in der Bevölkerung erfährt,will die Linkspartei auch hinsichtlich der kommenden Wahlen ausnutzen. Das deckt sich mit dem Ziel der Partei, sich im Zuge des Wahlkampfes stark auf ihre Sozialpolitik zu fokussieren, die eine linke Lösung auf die aktuellen Probleme der Corona-Krise formulieren soll. Da kommt die Kampagne zur Demokratisierung von Wohnraum sehr gelegen.

Politiker:innen der LINKEN stellen sich hinter die Kampagne. Dabei fällt in der Debatte oft das Argument, dass die Enteignung für immer sei. Einmal gewonnen, lägen die Wohnungen in der Hand der Gesellschaften und könnten demnach auch zukünftig nicht mehr berührt werden – egal, was mit dem Mietendeckel oder Immobilienpreisen weiterhin passiert. Doch schaut man auf die Geschichte der Linken in der Berliner Regierung, bröckelt dieses Argument. Bereits 2004 hat die damalige Rot-Rote Regierung einer Privatisierung von Wohnungen zugestimmt, was zu der jetzigen Problemlage massiv beigetragen hat. Dieser Schritt wird heute von der Partei als Fehler beklagt, jedoch hat die Linkspartei auch aktuell die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen inne. In gewisser Hinsicht richtet sich das Volksbegehren damit gegen diejenige Senatsverwaltung, von der aus die Linkspartei selbst schon längst ein Enteignungsgesetz hätte schreiben können. Warum hat sie das bisher nicht getan?

Dieser Widerspruch macht sich auch auf den Straßen, beim Sammeln der Unterschriften deutlich: Viele Menschen zeigen sich gegenüber der Partei und damit auch den Erfolgsaussichten der Kampagne skeptisch. Sich als sichere und stabile Kraft der Bevölkerung zu etablieren, überzeugt aktuell nur bedingt.

Und die Skepsis ist berechtigt, zeigten doch die letzten Jahre gut auf, in welchen Widersprüchen sich die Linkspartei verfängt, wenn sie auf der einen Seite politische Forderungen aufstellt, die sie dann auf der anderen Seite wieder fallen lässt, um die Regierungsbeteiligung nicht anzutasten. So hat sie es beispielsweise nicht geschafft, das Outsourcing der landeseigenen Krankenhäuser zu beenden, obwohl dieses Vorhaben sogar im Koalitionsvertrag festgelegt wurde. Während im Sommer zehntausende Menschen gegen Polizeigewalt und Repression demonstrierten, und sich auch die LINKE an den Protesten beteiligte, vollzieht sich der Ausbau der Polizei in Berlin mit Hilfe der Linken, die stolz davon berichtet hunderte Stellen und Polizeiwachen geschaffen zu haben.

Dabei bringt sich die Parteiführung nicht nur in einen Widerspruch von Worten und Taten, sondern augenscheinlich auch mit Teilen ihrer Basis. Genoss:innen von Die LINKE Neukölln und dem SDS sprechen sich gegen Polizeigewalt aus, und fordern “Defund the Police” , während sie zusehen müssen, wie die Parteiführung den Repressionsapparat des bürgerlichen Staates stärkt. Doch auch in Fragen, die konkret Wohnraum betreffen, werden die Widersprüche offensichtlich: Erst vor kurzem zeigte sich das in der Räumung des Obdachlosencamps an der Rummelsburger Bucht, die die rot-rot-grüne Regierung bei mehrstelligen Minusgraden veranlasst hat. Erst obdachlose Menschen auf die Straße werfen und ihnen ihr selbsterkämpftes Zuhause nehmen und wenige Wochen später für die Demokratisierung von Wohnraum kämpfen? Diese politische Doppelmoral scheint für die Parteispitze kein Problem darzustellen. Den Genoss:innen in der Linkspartei muss klar sein, dass diese opportunistischen Verrenkungen bei einer Regierungsbeteiligung, also einer Beteiligung an der Verwaltung eines kapitalistischen Staats, immer an der Tagesordnung sein werden, wie die letzten Jahre Rot-Rot-Grün in Berlin abermals bewiesen haben.

Doch auch innerhalb der LINKEN gibt es hitzige Diskussionen um die vergangenen Fehltritte der Partei, sowie um das Ziel der Regierungsbeteiligung. Auch das machte der Parteitag deutlich, mit Reden wie die von Reimar Pflanz. “Schlechte Regierung kann jeder, das hat auch die Linke schon bewiesen. Wir werden nicht umgestalten, wir werden umgestaltet werden.” Von diesem linkeren Flügel ist Zuspruch und Unterstützung für eine Umsetzung der Enteignung zu erwarten. Dass die Partei sich im Senat aber im Zuge der Enteignungskampagne wenn nötig auf die Seite der möglichen Koalitionspartner schlagen wird, um ihre Regierungsbeteiligung nicht zu gefährden, ist angesichts der vergangenen Jahre sehr wahrscheinlich. Deshalb ist es besonders wichtig, über die Kraft von Seiten der bürgerlichen Parteien hinauszudenken und sich selbst zu organisieren mit einem unabhängigen Programm der Arbeiter:innenklasse, welches nicht bei der Enteignung der Immobilienkonzerne halt macht, sondern weitere Schritte geht, um die Macht des Kapitals zu brechen.

Enteignung wörtlich nehmen bedeutet enteignen ohne Entschädigung

Anhand der Kampagne wird deutlich, wozu Selbstorganisation von Bürger:innen führen kann. Nicht zuletzt sind es die Bürger:innen und Initiativen, die das Volksbegehren ins Leben gerufen haben und tagtäglich dafür auf die Straße gehen. Dieses Potential kommt nicht von der LINKEN, es kommt von der Bevölkerung. Deshalb stehen wir hinter dem Volksentscheid und unterstützen die Initiative, da sie die aktuelle Lebenssituation von Mieter:innen schlagartig verbessern kann und ausbeuterische Immobilienkonzerne herausfordert.

Doch gerade aufgrund ihrer gnadenlosen Ausbeutung in der Vergangenheit sind wir gegen eine Entschädigungszahlung für die Immobilienkonzerne. Mieter:innen, die die letzten Jahre in Wohnungen der DW gelebt haben, haben Deutsche Wohnen für ihre “Dienste” genug gegeben. Immobilienkonzerne haben lange genug Profite mit der Not von Menschen gemacht. Ihnen dafür mit dem vollen Marktpreis der Wohnungen zu danken, für dessen horrende Höhe sie selbst verantwortlich sind, wäre mehr als fahrlässig. Deshalb fordern wir eine entschädigungslose Enteignung, die ihren Namen auch verdient.

Auch hinsichtlich der Vergangenheit muss klar sein, dass im Kapitalismus nichts und niemand vor Privatisierung sicher ist. Das Kapital, wo es an der Macht ist, wird sich immer nehmen können, was es will. Davor können uns auch Versprechen von Linken-Politikern nicht schützen. Auch wenn die Wohnungen jetzt vergesellschaften werden, besteht stets die Gefahr, dass diese Entscheidung rückgängig gemacht wird. Damit wären die Bemühungen und die Kraft der Beteiligten umsonst.

Deshalb muss die Bewegung ihre aktuelle Mobilisierung und aktivistischen Geist beibehalten und weiterhin nutzen, auch wenn die Aktion ihren Weg in die Politik gefunden hat. Die Demokratisierung der Stadt endet nicht im Parlament, sie wird jeden Tag auf der Straße erkämpft werden müssen. Immobilienhaie, Gentrifizierung und liberale Politiker werden nicht von heute auf morgen verschwinden. Die Kampagne zeigt eine fast beispiellose Mobilisierung und macht deutlich, was die Menschen selbst erreichen können, um die Stadt in der sie leben wieder in ihre eigene zu verwandeln. Diese Kraft muss auch nach dem Ende der Sammelphase beibehalten werden.

Um sich zu organisieren, müssen Menschen sich in ihren Nachbarschaften, Hochschulen und Betrieben organisieren und darüber diskutieren, wie das Volksbegehren durchgesetzt werden kann. Gemeinsam müssen wir eine von den bürgerlichen Parteien unabhängige revolutionäre Kraft aufbauen, die den entschlossenen Kampf für die Interessen der ausgebeuteten und unterdrückten Arbeiter:innen und Jugendlichen aufnimmt. So kann beschlossen werden, was Ziele und Strategien mit der Kampagne, aber auch darüber hinaus, sein können.

Deshalb rufen wir dazu auf, sich an der Kampagne zu beteiligen, in den Dialog mit den Komiliton:innen, Kolleg:innen und Nachbar:innen zu kommen, um sich über die Enteignung und Demokratisierung der Stadt auszutauschen. Darüber hinaus unterstützen und befürworten wir die Bildung von Organen der Selbstorganisierung, die sich mit der Frage der Durchsetzung der Enteignung beschäftigen. Deswegen organisieren wir als Klasse Gegen Klasse Campus an der Freien Universität gemeinsam mit anderen Aktivist:innen eine Vollversammlung, die am 07. April online stattfinden wird. Wenn auch du Teil des Kampfes gegen die Immobilienkonzerne werden willst, kontaktiere uns und werde aktiv! Gemeinsam können wir uns die Stadt zurückholen!

Werde Teil von KGK-Campus oder KGK-AKUT!

Wir organisieren uns als Studierende, Schüler:innen, Jugendliche bei KGK-Campus, um uns gegen dieses System zu stellen, das zulässt, dass unter der Pandemie vor allem all diejenigen leiden, die ausgebeutet und unterdrückt werden. Wir kämpfen dafür die Krise zu überwinden, und zwar nicht auf den Rücken der Arbeiter:innen und der Jugend, sondern auf Kosten der Kapitalist:innen und Ausbeuter:innen, die seit Jahrzehnten von den tödlichen Verhältnissen profitieren.

Deshalb laden wir dich ein, Teil des Netzwerkes Klasse Gegen Klasse Campus zu werden! Willst du mit uns diskutieren, Artikel schreiben oder uns helfen, mit Videos, Fotos, Kampagnen, Aktionen etc. mehr junge Leute zu erreichen, um unseren Kampfplan gegen die Krise und gegen die Regierung zu verbreiten und gemeinsam eine revolutionäre Kraft aufzubauen?

Die Profitinteressen im Gesundheitssystem sind sowohl für uns Beschäftigte, als auch für die öffentliche Gesundheit eine Gefahr. Wir organisieren uns als Arbeiter:innen branchen- und gewerkschaftsübergreifend im KGK-AKUT-Netzwerk für einen Kampfplan gegen die Krise. Wir brauchen branchenübergreifende Mobilisierungen, Aktionen und Massenstreiks der Arbeiter:innen und der Jugend, damit die Kapitalist:innen für die Krise bezahlen, die sie verursacht haben und die ihre Taschen voll haben.

Du bist Pflegekraft, Krankenhausbeschäftigte:r oder arbeitest im Gesundheitssektor? Wenn du gegen die Krise kämpfen und mit uns diskutieren willst, nimm Kontakt mit uns auf.

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