Das kannst du bei rassistischen Polizeikontrollen tun

22.09.2020, Lesezeit 6 Min.
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In den letzten Wochen kam es vermehrt zu rassistischen Kontrollen durch die Polizei bei denen die Opfer erniedrigt und gedemütigt wurden. Leider blieben die Opfer dabei oft allein gelassen und hilflos. Doch das muss nicht immer so sein. Ein kurzer Guide, was du dagegen tun kannst.

Am Montag wurde bekannt gegeben, dass die Maskenpflicht auf öffentlichen Plätzen in München eingeführt wurde. Wir sollten dies nicht nur als Maßnahmen gegen Corona verstehen, sondern als Legitimierung der rassistischen Schikanen der Polizei in den letzten Wochen — schließlich wird in großen Betrieben weitergearbeitet, Menschen quetschen sich Tag für Tag in überfüllte Bahnen, wo Abstandsregeln nicht eingehalten werden können, aber Konsequenzen gibt es nur für den öffentlichen Raum. Am Gärtnerplatz in München wurde einem 26-Jährigen mit einem Schlagstock ins Gesicht geschlagen. In einem Interview berichtet der 17-Jährige Tarkan davon, dass er am gleichen Abend ungerechtfertigt über die Nacht in Unterhosen in eine Zelle gesteckt wurde. Die Verschärfung bedeutet, dass wir uns auf mehr „Einzelfälle“ von rassistischen Schikanen durch die Polizei einstellen müssen.

Was du als Betroffene:r tun kannst:

Im ersten Moment fühlst du dich vielleicht überrumpelt oder bist angepisst, weil du weißt, was Bullen für Arschlöcher sind. Selbst wenn du ein bisschen was getrunken hast, solltest du dich nicht von deinen Gefühlen leiten lassen, sondern ruhig bleiben. Agiere nur verbal und gehe lieber einen Schritt zurück.

Bevor du irgendwas sagst, ruf deine Kolleg:innen, Freund:innen oder Passant:innen um Hilfe. Dann nimm dein Handy und fang an zu filmen oder nimm eine Sprachnachricht auf, um den Vorfall zu dokumentieren. Wenn du dafür angegriffen wirst, verteidige dein Recht auf Pressefreiheit. Frage die Bullen nach ihren Dienstnummern und halte das fest.

Wenn sie nicht lockerlassen, verweigere eine ungerechtfertigte Durchsuchung und frage nach dem Anlass für die Durchsuchung. Wenn sie keine konkrete Gefahr beweisen können, verweigere die Kontrolle. Wenn sie mit „unerlaubter“ Einreise ankommen, kannst du die Kontrolle verweigern, wenn du nicht gerade in einem Flughafen oder einem Zug, der die Grenze überquert, oder 30 Kilometer nahe der Grenze bist. Du kannst ihnen an dem Punkt mit einer Anzeige wegen ungerechtfertigter Anzeige nach BPolG § 22 Abs. 1a und § 23 Abs. 2 und 3 drohen.

Wenn sie eine konkrete Gefahr beweisen können, verweigere deine Aussage dazu. Es ist immer die richtige Entscheidung, die Klappe zu halten, denn „harmlose“ oder gar „entlastende“ Aussagen, wie sie teilweise als „kreativer Umgang mit Polizei und Justiz“ propagiert werden, gibt es nicht! Jeder noch so kleine, zunächst unbedeutend erscheinende Hinweis kann weitere Ermittlungen nach sich ziehen und unangenehme Folgen haben! Ob als Betroffene:r oder als Zeug:in – es gilt Polizei, Gerichten und Staatsanwaltschaft jegliche Information vorzuenthalten.

Nach der Kontrolle und einer möglichen Anzeige, solltest du dich bei der Roten Hilfe, einer Solidaritätsorganisation, die politisch Verfolgte aus dem linken Spektrum rechtlich unterstützt, melden und dich beraten lassen.

Was du als Zeug:in tun kannst:

Solidarisiere dich! Lass die Person nicht allein und verteidige ihre Rechte, mach sie auf ihr Recht auf Aussageverweigerung aufmerksam. Mit etwas Geschick und Glück kannst du die Kontrolle verhindern. Genauso wie die betroffene Person solltest du filmen. Mobilisiere umstehende Personen, um die Kontrolle zu verhindern. Gib der betroffenen Person deine Handynummer, damit sie, falls es zur Anzeige kommt, Zeug:innen hat. Wenn die Polizei sich auf dich fokussiert, verteidige dich und dein Recht auf Meinungsfreiheit. Falls die Person abgeführt wird, frag sie nach Namen und Telefonnummer, sammel die Kontaktdaten von Zeug:innen und gehe mit, wenn möglich.

Was du darüber hinaus tun kannst:

Die eigenen Rechte zu kennen und zu verteidigen, ist ein guter erster Schritt, aber es ist eine reiche Abwehrtechnik. Wenn wir darüber hinaus gehen wollen, müssen wir uns klar über den Kontext werden, in dem die Kontrollen stattfinden. Bayern hat mit seinem Polizeigesetz vor 2 Jahren eine Grundlage geschaffen, um in solchen Zeiten mehr und besser einzuschüchtern. Während sich Seehofer jetzt als Unschuldslamm hinstellt und Studien über den Rassismus in der Polizei ablehnt, müssen sich vor allem migrantische Jugendliche mit den Repressionen der Polizei rumschlagen. In Stuttgart konnte die Polizei ohne jede Konsequenz extrem rassistische Stammbaumforschung betreiben. In Hanau wurde die Demonstration in Gedenken an die Todesopfer des rassistischen Attentats verboten, während rechte Corona-Leugner:innen ohne Masken laufen durften. Man sieht also eine deutliche Tendenz der Einschränkung der demokratischen Rechte, während die Bullen freie Hand bekommen.

Doch es gibt auch Tendenzen, die dem Entgegenwirken. Black Lives Matter konnte auch in Deutschland das Selbstbewusstsein der migrantischen Jugend stärken. Jugendliche setzen sich immer mehr zu wehr, auch wenn sie nur an wenigen Stellen gewinnen kann. Es braucht weitere Mobilisierungen gegen Rassismus und die Polizeigewalt, die das Problem nicht als „Einzelfall“ sehen, sondern den politischen Hintergrund hinter den rassistischen Schikanen benennen.

Oft tritt die Polizei auch selbst als politische Akteurin auf. In Berlin hat sie behauptet, sie hätte eine rechte Demo aufgelöst, während diese ungehindert weitermarschiert ist. Zeitungen wie ZEIT Online oder BILD haben die gelogene Pressemitteilung ohne eigene Recherche gespiegelt. Bei den Vorfällen in München hat die BILD auch Lügen verbreitet. Mit dem gefilmten Material kann man eine öffentliche Gegendarstellung zu den Lügen der Polizei verbreiten und einen politischen Kampf gegen ihre absichtlichen Falschmeldungen führen. Die Polizeigewalt soll nicht weiter im Schatten existieren, sondern muss an die Öffentlichkeit getragen werden, damit wirklich jeder:jedem klar wird, was der wahre Charakter der Polizei ist. Nämlich der einer rechten Schlägertruppe, die das Privateigentum der Bonzen schützt, Streiks niederschlägt und die migrantische Jugend unterdrückt.

Uns bleibt nichts übrig als uns selbst zu verteidigen. Solidaritätsaktionen gegen Polizeischikanen auf der Straße verwandeln sich in Proteste, die die Stadt lahmlegen können. Wir können und müssen auf die Straße gehen. Trotzdem gibt es eine Kraft, die wir besitzen und auf die wir nicht verzichten können: die Kraft der Arbeiter:innenklasse.

Es reicht nicht, wenn wir als Bürger:innen die gleichen Rechte einfordern. Die rassistische Unterdrückung hat einen wirtschaftlichen Charakter, von dem die Bosse profitieren, da Arbeitskräfte so schlechter bezahlt werden können und die Arbeiter:innen künstlich in migrantisch und deutsch gespalten werden. Um Rassismus und die Polizei abzuschaffen, müssen wir den Kapitalismus abschaffen. Dafür brauchen wir politische Organisierung, eine unabhängige Presse und militante Selbstverteidigung.

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