Auf zum Frauen*streik 2019: Fünf Überlegungen

07.11.2018, Lesezeit 8 Min.
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Die sechs Millionen Frauen im Spanischen Staat, die dieses Jahr gestreikt haben, und die Zehntausenden in 30 anderen Ländern zeigen nun auch den Frauen in Deutschland den Weg: Um den Streik für den 8. März 2019 vorzubereiten, treffen sich Feministinnen und Gewerkschafterinnen aus ganz Deutschland dieses Wochenende in Göttingen. Fünf Überlegungen, wie so ein Streik erfolgreich werden kann.

Die Frauenbewegung weltweit hat ein neues-altes Mittel für sich entdeckt: „Frauen*streik!“ ist die feministische Losung der Stunde. Mit ihr bewegt sich die Frauenbewegung in Richtung der Millionen von Frauen, die im Kapitalismus ausgebeutet und unterdrückt werden. Noch nie war die Arbeiter*innenklasse weltweit so weiblich wie heute – höchste Zeit also, die Rolle und die Kämpfe der Arbeiterinnen ins Zentrum zu rücken und die Trennung zwischen Feminismus und Arbeiter*innenbewegung zu überwinden.

In den letzten Jahren haben Millionen Frauen auf der ganzen Welt gezeigt, dass ihr Slogan “Wenn wir streiken, steht die Welt still” tatsächlich zutrifft. Sie haben damit den Feminismus nicht nur in ihren Ländern auf die Agenda gesetzt, sondern auch Feministinnen überall inspiriert. Und so soll nun auch in Deutschland der Frauen*streik am 8. März 2019 vorbereitet werden. Dazu treffen sich an diesem Wochenende Frauen aus ganz Deutschland in Göttingen.
Hier fünf Gedanken, die uns bei den Diskussionen und Aktionen der kommenden Monate weiterhelfen könnten:

1. Unbezahlte Hausarbeit individuell neu verhandeln reicht nicht aus!

Auch wenn die Zahl der Frauen, die sich ausschließlich um den Haushalt kümmern, in den vergangenen 50 Jahren dramatisch verringert hat, sind es immer noch Frauen, die den Hauptteil dieser Arbeit verrichten – vom Putzen, Kinder erziehen, kochen, einkaufen bis hin zur Planung des Alltags und der Pflege von Alten und Kranken. Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Frauenbewegung war es, diese Tätigkeiten als das zu erkennen, was sie sind: Arbeit. Und so soll auch die unbezahlte Hausarbeit bestreikt werden.

Es ist von einiger Symbolkraft, diese Arbeit zu bestreiken und darauf hinzuweisen, dass ohne diese vielen unbezahlten Stunden nicht viel funktionieren würde. Denn diese Arbeit ist es, die jeden Tag aufs neue die Arbeitskraft der Ausgebeuteten wiederherstellt und die kommende Generationen von Arbeiter*innen garantiert. Allerdings gibt es dabei ein Problem: Es richtet sich letztlich nicht gegen die, die von der Arbeit profitieren. Denn auch wenn es natürlich erst einmal so aussieht, als wären Männer die Hauptprofiteure, sind es letztlich die Kapitalist*innen, die niedrigere Löhne zahlen und längere Arbeitsstunden von ihren Beschäftigten verlangen können – gehen sie doch einfach davon aus, dass es schon Frauen gibt, die die Bedigungen hierfür unbezahlt sicherstellen.

Wenn wir nur eine gerechtere Aufteilung innerhalb der Kleinfamilie verlangen, konfrontieren wir richtigerweise Männer, die es sich bequem in der sexistischen Arbeitsteilung eingerichtet haben. Doch wir lassen die Hauptgewinner*innen – die Bosse und mit ihnen die Systeme, die Frauen immer wieder in die Hausarbeitsfalle treten lassen – einfach davon kommen. Außerdem verfestigen wir so weiter die Kleinfamilie, die gerade für Frauen oft ein Ort der Gewalt ist, und lassen die Bedürfnisse von alleinerziehenden Müttern außen vor. (Denn anders als oft angenommen, findet weitaus mehr Gewalt in Partnerschaften statt, als durch den unbekannten Vergewaltiger im Park oder im Club.)

Deshalb muss im Zentrum unseres Kampfes ein Programm von Forderungen an den Staat und an die Kapitalist*innen stehen. Wir wollen freie, kostenlose Kindertagesstätten rund um die Uhr, in der Nähe von unseren Arbeitsplätzen, auch für sehr kleine Kinder. Die Erzieher*innen in diesen Kindertagesstätten und in der Kranken- und Altenpflege sollen gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen haben. Wir wollen gute und kostenlose öffentliche Kantinen. Wir wollen alle weniger Stunden arbeiten müssen, bei vollem Lohnausgleich.

2. Lohnarbeit bestreiken – gemeinsam mit allen Geschlechtern als eine geeinte Klasse!

Frauenunterdrückung entsteht nicht einfach spontan in der Familie durch Männer und ist auch keine veraltete Ideologie, die wir mit besserer Bildung überwinden. Im Gegenteil ist sie eine zentrale Stütze des Kapitalismus. Die Besitzer*innen der Produktionsmittel profitieren von der machtvollen Spaltung der Arbeiter*innenklasse in verschiedene Geschlechter und von der billigen und kostenlosen Arbeit von Frauen.

Um ihnen wirklich etwas entgegensetzen zu können, ist es deshalb wichtig, direkt in den Prozess der Verwertung des Kapitals einzugreifen, also in den Prozess, der Grundlage der Profite und der Macht der Bosse ist. Dafür müssen die Betriebe bestreikt werden – und zwar nicht alleine von den Frauen, sondern von Menschen aller Geschlechter. So überwinden wir die Spaltung, die nur den Bossen nützt. Alle Arbeiter*innen müssen perspektivisch gemeinsam für die Befreiung der Frauen kämpfen.

Natürlich gibt es Kollegen, Mitschüler, Kommilitonen, die sexistisch denken und handeln. Welche bessere Art gibt es, ihnen zu zeigen, dass sie im Unrecht sind, als an einem gemeinsamen Tag des Kampfes, an dem sie sehen, wie Frauen sich für ihre Rechte einsetzen – und an dem sie außerdem sehen, was alles möglich ist, wenn wir gemeinsam kämpfen?

3. Streikkomitees in Unis, Schulen und Betrieben aufbauen!

Um einen Massenstreik zu organisieren, der von wirklich vielen Menschen getragen wird, reicht es nicht aus, dazu aufzurufen. Damit werden nur die Menschen erreicht, die sich eh schon mobilisieren – und wenn sie dann alleine in den Ausstand treten, sind sie schnell von Repression betroffen, oder sie trauen sich erst gar nicht. Ein Streik wird erst dann wirklich effektiv, wenn der Betrieb an so vielen Orten wie möglich tatsächlich lahmgelegt wird. Deshalb ist es notwendig, sich in den Betrieben selbst zu organisieren, ebenso wie in den Unis oder den Schulen. In Komitees an den jeweiligen Orten können die Kolleg*innen vom Streik überzeugt werden und gemeinsame Aktionen geplant werden.

Solche Komitees helfen nicht nur in der Vorbereitung des Streiks. Sie können auch darüber hinaus Orte sein, an denen darüber diskutiert wird, welche Probleme Frauen und andere Unterdrückte an jedem einzelnen Arbeits- oder Lernplatz haben. Gemeinsam kann ein Kampfplan entwickelt werden, wie gemeinsam dagegen vorgegangen werden kann. Aus diesen Komitees heraus können Frauenkommissionen entstehen, die in der Vergangenheit in vielen Ländern wichtige Orte waren, wo sich Arbeiterinnen gemeinsam gegen die Bosse organisieren und eine eigenen Stimme erlangen.

4. Die Gewerkschaftsführungen herausfordern!

Damit ein Streik zum 8. März sich wirklich ausbreiten kann, müssen aber auch die Gewerkschaften ihre Mitglieder mobilisieren und auf die Straße rufen. Denn einerseits schützt das vor Repression und andererseits können so nochmal mehr viel mehr Menschen erreicht werden.

Das werden die Führungen der Gewerkschaften aber nicht von selber tun. Deshalb müssen sie unter Druck gesetzt werden – von ihrer Basis in den Gremien der Gewerkschaften selbst und indem in den Streikkomitees Resolutionen beschlossen werden, in denen die jeweiligen Gewerkschaften aufgefordert werden, selber zum Streik aufzurufen. Ebenso muss das auf öffentlichen Versammlungen von feministischen Gruppen und anderen politischen Gruppen passieren.

5. Für eine internationalistische, klassenkämpferische Frauenbewegung, gegen jede Art der Unterdrückung und Ausbeutung!

Ein solcher Streik am 8. März ist ein machtvoller Auftakt für eine Frauenbewegung, die auf die Macht der Arbeiter*innen als geeinte Klasse vertraut.

So eine Frauenbewegung muss antirassistisch sein und sich für die Rechte und Bedingungen von LGBT*-Menschen einsetzen, sie muss also gegen jede Form der Unterdrückung auftreten. Nicht nur, dass viele Frauen selber von Rassismus, Homo- und Transphobie betroffen sind – sondern auch, weil wir nur stärker werden können, wenn wir uns nicht spalten lassen. Sie muss klassenkämpferisch sein und die Strategie verfolgen, unter Führung der Arbeiter*innenklasse den Kapitalismus zu stürzen. Sie muss internationalistisch sein, denn der Sieg über den Kapitalismus kann nur weltweit erfolgen.

Vorbild dafür, dass Befreiung möglich ist, sind die Frauen, die am 8. März vor 100 Jahren in Petersburg in den Ausstand traten und demonstrierten. Sie stießen so die Russische Revolution an, welche die Situation der Frauen auf einen Schlag verbesserte. Auch wenn der Stalinismus ihnen diese Errungenschaften wieder nahm, sind sie ein inspirierendes Beispiel dafür, dass unsere Befreiung möglich ist!

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