Unser Frauenkampf um die Pflege – Brot und Rosen

28.09.2018, Lesezeit 6 Min.
1

Der Kapitalismus basiert auf der Ausbeutung von Arbeiter*innen, das heißt, wie bekommen nicht alles von dem, was wir herstellen. Das gilt auch für die Pflege, mit der Profite gemacht werden.

Darüber hinaus ist der Kapitalismus angewiesen auf Reproduktionsarbeit zur ständigen Wiederherstellung der Arbeitskraft, was Beschäftigte in der Pflege ebenfalls nicht ausnimmt. Solche überwiegend häuslichen Pflichten stellen für in der Pflege arbeitende Frauen eine Doppelbelastung dar.

Und gleichzeitig wird an allen Ecken und Enden gespart und Frauen diese Rolle noch so schwer wie möglich gemacht: Die finanzielle Unterstützung bei der Kindererziehung ist gering, eine garantierte Hebammen-Betreuung um die Geburt herum ist nicht gewährleistet, Kita-, Kindergarten- und Schulplätze sind aufgrund von Personalmangel und schlechter Bezahlung für Menschen, die selbst in der Pflege arbeiten, rar. Die Konsequenz ist eine Unfreiheit und Belastung von Frauen, für die gleichzeitig noch viele andere Faktoren der geschlechtsspezifischen Unterdrückung hinzukommen.

Das deutsche Gesundheitssystem prekarisiert Frauen

Das deutsche Gesundheitssystem ist ein Paradebeispiel für die Konsequenzen, die der Kapitalismus für arbeitende Frauen hat. Mit Gesundheit wird in Deutschland Profit gemacht. Das wird spätestens durch die fortschreitende Privatisierung und dadurch abnehmende flächendeckende Gesundheitsversorgung deutlich. Auch das seit 2004 bestehende DRG-System (mit den „Fallpauschalen“), durch das Krankenhäuser mit den Krankenkassen abrechnen, ist für eine deutliche Abnahme der Qualität der Patient*innenversorgung, wie auch für die extremen Kürzungen im Personalbereich verantwortlich. Und das Personal im Krankenhaus besteht zu einem Großteil aus Frauen. Dabei geht es nicht nur um die Pflege, sondern auch um Reinigungskräfte, Küche, Wäscherei und Pflegehilfskräfte. Arbeiter*innen in Pflegeberufen sind oft abhängig von der Wechselschichtzulage. Diese Zulage macht einen großen Teil des Gehalts aus. Dazu braucht es ein Dreischichtsystem (Früh-, Spät- und Nachtdienst). Bei einer Doppelbelastung aufgrund von Kinder- oder Angehörigen-Betreuung können besonders Frauen nicht alle Schichten arbeiten. Dies führt zu einem geringeren Gehalt und einer noch prekäreren Situation mit zusätzlicher Abhängigkeit, bei Müttern verschärft durch Mängel in der Kinderbetreuung. Frauen, besonders mit dieser Doppelbelastung, brauchen ein ausreichendes Grundgehalt mit Rücksicht auf die familiäre Situation.

Nicht nur für die dort Arbeitenden ist das Gesundheitssystem schädlich, auch für alle Menschen, die auf gesundheitliche Dienstleistungen angewiesen sind. Immer zahlreicher werden die Berichte von Patient*innen, die in der Notaufnahme trotz schwerer Probleme stundenlang warten, Frauen, die unter Wehen-Tätigkeit von einem Krankenhaus in ein anderes verlegt werden müssen oder aufgrund von fehlenden Kapazitäten außerhalb eines Krankenhauses gebären, und schlechter Betreuung, weil das Personal überbelastet ist. In vielen Bereichen der Gesundheitsversorgung sind Frauen schärfer als Männer von den Missständen betroffen. So vor allem im Bereich Geburtshilfe durch den eklatanten Hebammen-Mangel. Aber auch Verhütungsmittel werden in Deutschland nicht von den Krankenkassen übernommen und die Kosten bleiben meistens an Frauen hängen, da fast alle Verhütungsmittel auf den weiblichen Körper ausgerichtet sind. Ebenso sind gebärende Frauen Risiken ausgesetzt, die nicht sein müssten: Durch die Fallpauschale im DRG-System ist ein Kaiserschnitt viel profitabler als eine Spontan-Geburt. Somit stieg die Kaiserschnittrate in den letzten Jahren auf 35 Prozent.

Auch das Abtreibungsverbot bedeutet, dass gesundheitliche Versorgung versagt bleibt. Damit verbunden sind hohe Kosten, die mit einer straffreien Abtreibung für betroffene Frauen entstehen. Zur Gesundheit eines Menschen gehört auch die Selbstbestimmung über den eigenen Körper, die in Deutschland mit dem geltenden Abtreibungsrecht nach wie vor verweigert wird (§218 StGB), bis hin zum Verbot angeblicher „Werbung“ für Abtreibung, die Patientinnen das Recht zur Information entzieht (§219a). Ist eine gesundheitliche Versorgung, wie im Fall der Abtreibung, kein garantiertes Grundrecht, liefert das die Menschen der Willkürlichkeit des kapitalistischen Systems und seinen Regeln aus – wer das nötige Kleingeld hat, kann es in den Niederlanden machen lassen.

Das Volksbegehren

Zurzeit findet die allgemeine Unzufriedenheit in Bayern Ausdruck im Volksbegehren „Stoppt den Pflegenotstand“. Besonders kurz vor der Landtagswahl, hat dieses Thema eine große Öffentlichkeit. Es drückt ein Misstrauen gegenüber der CSU-Regierung aus, die den profitorientierten Wettbewerb im Gesundheitssystem unterstützt, Arbeiter*innen im Gesundheitswesen und darüber hinaus prekarisiert und feindlich gegenüber feministischen Forderungen ist. Es ist eine Regierung, die um der AfD-Basis zu gefallen sogar noch immer weiter nach rechts rückt – das Volksbegehren, das unter anderem einen Personalschlüssel für die Pflege verlangt, findet breite Unterstützung, auch als Symbol gegen die Obrigkeitspolitik der CSU.

Bis zum erfolgreichen Durchsetzen des Volksbegehrens, dessen erste Etappe im Oktober genommen wird, ist es jedoch ein langer Weg. Die Pflegekräfte – von denen 80 Prozent Frauen sind – können ein Einschlafen der Kampagne in der Öffentlichkeit nur verhindern, indem sie im Volksbegehren die Chance eines öffentlichen Arbeitskampfes erkennen, auf die Straße gehen, sich betrieblich organisieren und ihre Forderungen laut werden lassen.

Das ultimative Mittel, das Arbeiter*innen zur Durchsetzung ihrer Forderungen zur Verfügung steht, ist schließlich nicht das Volksbegehren, sondern der Streik. Eine fortwährende Diskussion und zunehmende Organisierung der Arbeiter*innen im Rahmen des Volksbegehrens, verbessern in Zukunft die Möglichkeit zu einem Streik, der den Wettbewerb stillstehen lässt und die Bosse und Politiker*innen zwingt, auf die Forderungen der Arbeiter*innen einzugehen. Damit meinen wir nicht nur einen tariflichen Streik, sondern einen politischen Streik zur umfassenden Verbesserung unserer Bedingungen.

Die Organisierung von Arbeiterinnen als Lösung

Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Frauen in Krankenhäusern ist durch die Bemühungen einzelner ebenso wenig wie durch das Wählen von Politiker*innen mit großen Versprechungen zu lösen. Arbeitende Frauen müssen mit einander in den Dialog treten und in ihren scheinbar individuellen Problemen und Lasten die Verbundenheit zueinander erkennen.

Ein Austausch und eine Organisierung muss die Bildung von Frauenkommissionen in Krankenhäusern zur Folge haben und ein Erkämpfen der gewerkschaftlichen Führung. Eine solche Bewegung könnte die Grundlage für den Aufbau einer deutschlandweiten Frauenbewegung sein, mit der Perspektive eines politischen Streiks aller Beschäftigten. Das heißt – den Dialog, den das Volksbegehren anrührt, nicht abreißen lassen, sondern fortsetzen! Werdet aktiv in euren eigenen Arbeitsumfeldern, tauscht euch aus, verbindet euch, organisiert euch gewerkschaftlich und politisch, zum Beispiel in der feministischen Gruppe Brot und Rosen München. Denn wir Frauen haben nicht nur ein Recht auf ausreichende Mittel, um unser Brot zu zahlen, und wir verdienen Rosen, um unser Leben zu gestalten.

Kontakt: www.instagram.com/brotundrosen.muc/
brotundrosen.muc@gmail.com

Mehr zum Thema