#ZeroCovid: Nur mit Polizeistaat durchsetzbar?

19.01.2021, Lesezeit 4 Min.
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Iven O. Schloesser / Shutterstock.com

Inzwischen haben fast 70.000 Menschen den Aufruf von #ZeroCovid unterschrieben, wenn auch manche mit Bauchschmerzen. Manche befürchten sogar, die Infektionszahlen auf Null zu senken, sei nur im Rahmen eines Polizeistaats möglich. Die Frage muss anders gestellt werden: Wen trifft der Lockdown - das Kapital oder die Arbeiter:innenklasse?

Seit Beginn der Pandemie hat die Linke über Auswege aus der Gesundheits- und der Wirtschaftskrise diskutiert. Sebastian Friedrich unterstellte der Linken dabei eine gewisse Planlosigkeit. Während einige sich hinter die Regierung stellen, gehen andere gemeinsam  mit Coronaleugner:innen auf die Straße. Wir haben darauf geantwortet, dass es eine Antwort der Arbeiter:innenklasse auf die Pandemie braucht.

Darin eingebettet war auch eine Kritik an der Linkspartei, die sich im Kampf gegen die Pandemie hinter die Regierung stellte. Damit überließ sie den Rechten die Initiative, sich gegen die Politik von Kanzlerin Angela Merkel zu stellen. Die Rechten gingen auf die Straße, um den Coronavirus als einen Hoax der Pharmaindustrie und „mächtiger Interessenverbände“ hinzustellen. Ihr Programm war letztlich: Betriebe auf und munter weiter produzieren im Sinne der Profite.

Dieser Block der nationalen Einheit, hinter dem sich die Linkspartei versammelte, sorgt allerdings innerhalb der Linken für einen zunehmenden Unmut. Mit dem Aufruf Zero Covid hat die Unzufriedenheit einen ersten zaghaften Ausdruck bekommen. Auch wenn die Linkspartei nicht explizit genannt wird, kommt er einem Appell an die Partei gleich, die Infektionszahlen der Covid-Pandemie auf Null zu senken, anstatt sie lediglich im Sinne der Profite zu verwalten.

Das kann jedoch nicht eine Fortsetzung der bisherigen Regierungspolitik nur mit strengeren Maßnahmen und mehr Repressionen gegen die Bevölkerung bedeuten, wie manche Unterzeichner:innen des Aufrufs befürchten. So sagte Raul Zelik: “Ich bin mir nicht sicher, ob Zero Covid ohne Abschottung nach außen und Repression nach innen möglich ist“. Ganz im Gegenteil muss es darum gehen, dass endlich die nicht-essentiellen Teile der Produktion geschlossen werden.

Dass die nicht-essentielle Wirtschaft immer weiter läuft, ist auch die Grundlage für die breite Unzufriedenheit innerhalb der Bevölkerung mit der Corona-Politik der Regierung. Unlängst hat sich das Infektionsgeschehen vom Privaten in die Betriebe verlagert. So wird dem Unternehmen Amazon von Gewerkschaftsseite schon länger vorgeworfen, ein Hotspot zu sein, aber Infektionen seiner Mitarbeiter:innen zu verheimlichen. Auch an anderen Orten gab es Fälle. In Bremen musste ein Mensch sterben, weil sein Chef einen Corona-Ausbruch im Betrieb verheimlichte. Auch bei Tönnies dauerte es lange, bis das Unternehmen einen Massenausbruch innerhalb seiner Belegschaft offiziell zugab. Trotzdem rügt die Politik immer wieder die Bevölkerung, die sich angeblich nicht ausreichend an die Vorgaben halten. Doch es sind die Bosse, die Infektionen in der Belegschaft verheimlichen und damit im Interesse der Profite die Gesundheit der Beschäftigten aufs Spiel setzen.

Es wäre selbstverständlich fatal, wenn die Linke nur mehr Maßnahmen und Repressionen gegen die Bevölkerung zur Eindämmung der Pandemie fordern würde, während die Bosse weiterhin Profite auf dem Rücken der Beschäftigten machen dürfen. Ganz bezeichnend dafür ist auch die Diskussion um einen „Mega-Lockdown“. Im Kanzleramt soll sogar darüber nachgedacht worden sein, den ÖPNV einzustellen. Aber natürlich bedeutet das nicht, dass die Regierung deswegen auch die nicht-essentiellen Teile der Produktion einstellen will. Stattdessen müsste sich jede:r selbst darum kümmern, wie sie:er pünktlich zur Arbeit erscheint. Wer nicht über ein entsprechendes Fahrzeug oder den Führerschein verfügt, wird von der Regierung einfach im Regen stehen gelassen.

Das entspricht auch ganz dem Ductus einer Regierung, die sich allgemein wenig um die sozialen Folgen des Lockdowns schert. Während viele Kleinunternehmen vor allem der Gastronomie und im Einzelhandel unter der Pandemie leiden, darf das Großkapital weiterhin unbekümmert Profite machen, allen voran Konzerne wie Amazon. Dessen Chef Jeff Bezos ist während der Pandemie um 65 Milliarden US-Dollar reicher geworden. Während die Regierung Moscheen durchsuchen lässt wegen des Verdachts auf Betrug mit Corona-Hilfen, ist Amazon ganz legal mit Steuervermeidungs-Tricks für das kaputtgesparte Gesundheitswesen mit verantwortlich.

Deshalb muss es darum gehen, dass der Lockdown die Interessen des Kapitals angreift und die Arbeiter:innen in den Betrieben und organisiert in den Gewerkschaften über Mittel und Wege diskutieren, um die gesamte nicht-essentielle Wirtschaft zu schließen, bei vollem Lohnausgleich für alle und mit einem ausreichenden Corona-Geld für alle, die es brauchen, bezahlt auf Kosten der großen Vermögen und des Großkapitals. Nur so ist #ZeroCovid tatsächlich durchzusetzen.

 

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