Warum wir eine Linke brauchen, die vom Staat finanziell unabhängig ist

12.09.2021, Lesezeit 5 Min.
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shutterstock.com / Von Michaelspb

Sollte man DIE LINKE wählen, um linke Basisarbeit zu finanzieren? Oder müssen Linke unabhängig vom Staat sein? Ein Debattenbeitrag.

In 14 Tagen sind Bundestagswahlen und unter Linken werden hitzige Debatten darüber geführt, wen man eigentlich wählen sollte. Oft wird dabei das Argument genannt, man müsse ja die Linkspartei “kritisch” wählen, um dann von ihren Fördermitteln zu profitieren. So schreibt beispielsweise der SDS Leipzig: “Würde DIE LINKE aus dem Bundestag fliegen, würden linken Kräften in ganz Deutschland erheblich weniger finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Hierbei geht es nicht nur um Räumlichkeiten, sondern auch um ganz banale Dinge wie Flyer oder Fahrtkosten.” Doch so banal ist die Frage nicht: Sollten sich Linke finanziell vom Staat abhängig machen?

Unserer Meinung nach ganz klar: Nein! Als Materialist:innen wissen wir, dass die eigene Existenzgrundlage eine zentrale Rolle für unsere politischen Ideen spielt. Wenn unsere politische Arbeit von den Institutionen genau des Staates abhängig ist, den wir als antikapitalistische Revolutionär:innen überwinden wollen, dann passen wir uns diesen Institutionen nach und nach an. Im aktuellen Fall: Die Linkspartei tut alles, um an die Bundesregierung zu kommen. Und obwohl wir dagegen sind, dass DIE LINKE Regierungspositionen des wichtigsten imperialistischen Staates in Europa einnimmt, sollen wir für sie stimmen, damit unsere politische Arbeit gegen den deutschen Imperialismus weiter finanziert wird?

Die Argumentation dafür, dass man doch trotz der fortschreitenden Anpassung an den bürgerlichen Staat weiter auf die finanziellen Mittel des Staates bauen soll, geht davon aus, dass eben der Staat den politischen Kampf finanzieren soll und wenn er das nicht tut, dann ist es nicht möglich. Aber der kapitalistische Staat kann kein verlässliche:r Partner:in sein, um linke Forderungen umzusetzen. Wenn man seine politische Arbeit von den Finanztöpfen des Staates abhängig macht, läuft man immer wieder große Gefahr, dass die eigenen Projekte nicht mehr finanziert werden, weil sie dem Staat nicht passen.

Es ist eine Illusion zu glauben, dass der Staat, dessen Polizei Oury Jalloh ermordet hat, dessen Verfassungsschutz den NSU aufgebaut hat und der der Wirtschaft während der Pandemie über 1.000 Milliarden Euro geschenkt hat, die Rechte der Arbeiter:innen und Unterdrückten vertreten kann. Die Staatsbeamten, Minister:innen, die Polizist:innen, Richter:innen, usw. sind über tausend Fäden mit der Bourgeoisie verbunden: Angefangen von ihrem sozialen Hintergrund, über ihre Weltanschauung bis zu ihren unmittelbaren politischen und wirtschaftlichen Interessen. Jede politische Organisation, die sich von diesem Staat materiell abhängig macht, ist dazu verdammt, sich letztlich dem Erhalt dieses Staates als oberste Prämisse unterzuordnen.

Das ist auch der Grund, warum wir uns für ein Ende aller Privilegien von Abgeordneten einsetzen: Alle Abgeordneten sollten nicht mehr verdienen dürfen, als einen durchschnittlichen Facharbeiter:innenlohn und dürfen darüber hinaus keine Nebeneinkünfte erhalten. Sie müssen außerdem jederzeit abwählbar sein. Alle Parteispenden und alle wirtschaftlichen Zuwendungen an die Parteien und Abgeordneten müssen verboten werden. Abgeordnete dürfen nicht durch ihre persönliche Lebenssituation an die Interessen der Wirtschaft gebunden werden. Bisherige Spenden müssen genutzt werden, um sofort, unbürokratisch und sozial der Gesellschaft zu dienen, insbesondere den von der Coronapandemie betroffenen Arbeiter:innen und Kleinunternehmer:innen.

Ein positives Beispiel sind die Genoss:innen der Front der Linken und der Arbeiter:innen aus Argentinien: Sie nehmen von ihrer parlamentarischen Diät nur den Lohn einer durchschnittlichen Lehrerin an und spenden den Rest ihrer Diät an Streikkassen und soziale Kämpfe.

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Grundlegend sollte also nicht die Frage sein, welche Partei zum Erhalt von Finanzströmen des Staates die richtige ist, sondern warum solch wichtige Projekte überhaupt von Parteigeldern abhängig sind. Damit Jugendtreffs, Vereine oder auch (befristete) Projektstellen sicher und unabhängig vom Parlament finanziert werden können, müssen wir Druck auf der Straße aufbauen.

Darum schlagen wir eine Kampagne für ein Notfallprogramm vor, um die Arbeiter:innenklasse und die Jugend in den Kämpfen zu vereinen, damit wir die Kapitalist:innen dazu zwingen können, die Krise zu bezahlen. Wir wollen eine politische Kraft aufbauen, die sich nicht länger mit dem “geringeren Übel” zufrieden gibt und sich den staatlichen Institutionen und den Bürokratien unterordnet, sondern schon heute Schritte in Richtung einer Einheit der revolutionären Linken geht. Eine Kampagne, damit bei den nächsten Wahlen eine tatsächliche Alternative existiert, die ein Programm im Interesse der großen Mehrheiten vertritt.

Wenn du Interesse hast dabei aktiv zu werden, dann komm gerne zu unserem Offenen Treffen. Wir laden euch herzlich ein, am Montag, den 13. September ab 18 Uhr mit uns auf Zoom zu diskutieren, warum Rot-rot-grün keine tatsächliche Antwort auf unsere Probleme geben kann und welche Alternative wir stattdessen aufbauen müssen.

Offenes Treffen · Montag · 13. September · 18 Uhr · Auf Zoom

Offenes Treffen: Wie organisieren wir unsere Wut gegen ihr System?


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