Warum und wie werden Hörsäle besetzt?

09.01.2024, Lesezeit 15 Min.
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Wo geht es hier zur 1A-Besetzung? Auch beim Bildungsstreik 2009 wurde an der FU Berlin besetzt. Bild: fubrennt, CC BY 2.0 DEED

Die Hörsaalbesetzung an der FU Berlin und studentische Proteste in Solidarität mit Palästina sorgten für großes mediales Aufsehen. Was wir aus ihnen und vergangenen Protestbewegungen an den Universitäten lernen können.

Am 14. Dezember besetzten rund 100 Studierende den größten Hörsaal der Freien Universität Berlin und forderten zur Solidarisierung mit Palästina auf. Das mediale und politische Echo daraufhin war gewaltig. Nahezu alle bürgerlichen Medien und politischen Parteien befanden sich in einem Überbietungswettbewerb der Hetze gegen die Studierenden. Selbst die Partei DIE LINKE rechtfertigte den Einsatz der Polizei gegen die friedlichen Studierenden damit, dass die Besetzung angeblich antisemitisch sei. In den vorherigen Wochen hatten an der Freien Universität und weiteren Universitäten in Berlin und bundesweit bereits ähnliche Proteste stattgefunden, zu denen jeweils mehrere Hundert Studierende erschienen. Doch in Anbetracht der Größe der Studierendenschaft (allein an der FU mehr als 33.000) muss konstatiert werden, dass es sich bei den mobilisierten Studierenden nur um einen kleinen Teil handelt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Thema nicht auch in breiteren Teilen der Studierendenschaft Anklang fände. Genauso bedeutet es auch nicht, dass die Studierenden auf der Seite der israelischen Apartheid stünden, die einen genozidialen Krieg in Gaza führt. Zu den pro-israelischen Demonstrationen, welche von regierungsnahen Organisationen und der Regierung selbst organisiert wurden, erschienen in der Regel noch viel weniger Menschen, bei denen es sich großteils nicht einmal um Studierende handelte.

Protest ist auch in Anbetracht der gestiegenen Lebenskosten (ein WG-Zimmer in Berlin kostet 680 Euro) und den geplanten Kürzungen beim Bafög nötig, ebenso wie Streiks für höhere Löhne, wie kürzlich der Arbeitskampf der Universitätsbeschäftigten im Rahmen der Tarifrunde der Länder (TVL). Häufig beteiligten sich jedoch nur wenige an Aktionen gegen die soziale Krise. Bei der „Vollversammlung“ an der FU Berlin zum „Streiksemester“ erschienen nur 60 Studierende. Das hat sicherlich verschiedene Ursachen. Ein Grund, den es an dieser Stelle hervorzuheben gilt, ist sicherlich das Agieren der Organe der Studierendenschaft. Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) etwa oder auch das Studierendenparlament sind nahezu inexistent im Alltag an der Uni. Auch die Fachschaftsinitiativen (FSIen) organisieren, wenn überhaupt, ein eher unpolitisches Programm. Genauso sind auch die Gewerkschaften oder Parteien nur wenig präsent. Die meisten politischen Kräfte an den Universitäten sind geschwächt, inexistent oder haben sich zurückgezogen. Doch der Aufstieg der AfD, die Klimakrise usw. erfordern eine Offensive der Studierendenbewegung.

Um zu so einer Offensive zu gelangen, müssen wir auch aus den Erfahrungen der Studierendengenerationen vor uns lernen. Ihre Geschichte ist reich an Kämpfen und Lektionen für die heutige Zeit. Warum und wie werden und wurden Hörsäle besetzt? Ein historischer Überblick.

Warum wir für die Besetzung von Hörsälen sind 

Das mediale Echo auf die Hörsaalbesetzung und universitäre Proteste in Solidarität mit Palästina hat gezeigt, dass die Universität ein besonders wichtiger Ort in unserer Gesellschaft ist. An ihr werden die herrschenden Ideologien ausgebildet, an ihr wird im Interesse von Kapital und Regierung geforscht und gelehrt. Den Interessen der kapitalistischen Universität steht es diametral entgegen, wenn sich Studierende gegen die Interessen des Kapitals oder gegen die imperialistische Staatsräson organisieren. Selbstorganisierte und kritische Veranstaltungen stören den existenten Kreislauf, der darauf ausgerichtet ist, neue Anführer:innen der Bourgeoisie und verwertbare Arbeitskräfte zu produzieren. Sie fordern die Hegemonie der Universitätsleitung und sogar die des Staates heraus. Aus ihnen heraus kann sich ein neues Bewusstsein für Demokratie von unten entwickeln, indem Studierende realisieren, wer die Lehrinhalte bestimmt und wofür. Eine Hörsaalbesetzung ist nicht einfach nur ein Druckmittel für die Durchsetzung studentischer Interessen, sie ist ein Werkzeug, um die Regierung herauszufordern, das Bewusstsein der Studierenden zu radikalisieren und den undemokratischen und prokapitalistischen Lehrstrukturen eine fortschrittliche Alternative entgegenzustellen. Sie sind unverzichtbarer Teil der historischen Selbstorganisation der Studierenden, die die Voraussetzung dafür ist, dass sich eine kraftvolle Studierendenbewegung an der Seite der Ausgebeuteten und Unterdrückten entwickelt.

Die Bildungsstreikbewegung

Die letzte größere Bewegung an den Universitäten war die Bildungsstreikbewegung vor etwa 15 Jahren. Die Bildungsstreikbewegung hatte ihre Vorläufer ab dem Sommer 2006 in Berlin, Schüler:innen begannen sich wegen der katastrophalen Zustände in ihren Schulen zu vernetzen. Ebenso kritisierten die Schüler:innen die soziale Selektion, die dem Bildungssystem inhärent ist. Beim ersten Schulstreik in Berlin nahmen 10.000 Schüler:innen teil, ein überraschender Erfolg. Bald nahmen auch Studierende an den Universitäten den Faden auf: Auf dem Höhepunkt der Bildungsstreikbewegung im Juni 2009 gingen bundesweit 250.000 Schüler:innen, Azubis und Studierende für ein besseres Bildungssystem auf die Straße. Sie forderten beispielsweise den unbeschränkten Zugang zu Bildung (Abschaffung von Studiengebühren und Zulassungsbeschränkungen) und auch die Demokratisierung der Hochschulen, genauso wie die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems. Im November 2009 begannen sich die Methoden zuzuspitzen, nun wurden auch Hörsäle besetzt – auf dem Höhepunkt bis zu 70 Stück bundesweit.

Regierung und Unileitungen diskreditierten die Proteste zunächst, die Bundeswissenschaftsministerin sprach von den „Ewiggestrigen“. Im Laufe der Proteste änderte das Regime jedoch seinen Diskurs hin zur Vereinnahmung. Es wurde viel mehr „Verständnis und Dialogbereitschaft“ geäußert. Doch wirklich etwas geändert hat sich nicht, das spiegelt der Satz der damaligen Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) wider: „Korrekturen sind beschlossen und werden umgesetzt, aber eine Generalrevision wird es nicht geben.“

Auch an der FU Berlin kam es in dieser Zeit zu einer Hörsaalbesetzung, der Hörsaal 1A (der gleiche wie nun bei der Palästinabewegung) war vier Monate lang besetzt. In einer Bilanz der Besetzung schrieben wir als Klasse Gegen Klasse:

Zu Beginn der Besetzung gab es wöchentliche Vollversammlungen und täglich mehrere Besetzungsplena, aber die Bereitschaft zur Teilnahme an beiden sank im Laufe der Zeit rapide, so dass es schlussendlich nur noch einen kleinen Kern von BesetzerInnen gab. […] Die Perspektive der Besetzung war von Anfang an eher darauf ausgelegt, eine Verhandlungslösung mit dem Uni-Präsidium zu finden, was sich vor allem daran zeigte, dass der ständig schrumpfende Kern der Bildungsstreikenden mehr und mehr dazu überging, die wenigen Kräfte auf die Abhaltung von Runden Tischen zur Erörterung von Minimalforderungen zu konzentrieren, statt die Proteste anderweitig auszudehnen. […] Zudem war der strategische Sinn der Aufrechterhaltung der Hörsaalbesetzung eher schleierhaft: Schließlich entstanden für die Unileitung kaum Unannehmlichkeiten, und die wenigen Vorlesungen, die in den ersten Tagen durch die Besetzung ausfielen, konnten schnell verlegt werden.

Was wir daraus lernen können, ist, dass Besetzungen kein Selbstzweck sind. Verhandlungen mit Unileitung oder Regierung sollten nicht der Fokus einer Besetzung sein, sondern ihre Ausweitung und Radikalisierung.

Gemeinsamer Kampf mit Arbeiter:innen

Eine Möglichkeit, die Kämpfe auszuweiten, stellte für einige Studierende der Bildungsstreikbewegung eine Allianz mit der Arbeiter:innenklasse dar. So solidarisierten sich etwa die Besetzer:innen der Uni Stuttgart mit Beschäftigten von Daimler in Sindelfingen, die von der Verlagerung der Produktion bedroht waren. Auch an der FU Berlin gab es solche Ansätze, mit der Unterstützung der Streiks der Gebäudereiniger:innen und der Teilnahme am Warnstreik der Mensa-Beschäftigten. An einem Tag konnte die größte Mensa der FU in einer gemeinsamen Aktion von Beschäftigten und Studierenden vollständig blockiert werden, wodurch ein enormer Schaden für die Geschäftsführung entstand. Auch nach dieser Blockade entschieden sich Studierende, weiterhin aktiv die Selbstorganisierung der Mensa-Beschäftigten zu unterstützen. Dennoch blieb diese Perspektive eher die Ausnahme als die Regel und antikapitalistische Ansätze und Organisierungen waren in der Minderheit. Dort wo Verbindungen mit der Arbeiter:innenklasse möglich wurden, waren sie auf die beständige Arbeit von Revolutionär:innen zurückzuführen. Bei einer studentischen Vollversammlung während der Bildungsstreikbewegung stimmten immerhin ein Drittel der 500 Teilnehmer:innen für die Nicht-Behandlung einer vorgeschlagenen Solidaritätserklärung mit dem Arbeitskampf der Beschäftigten an der Uni. Das zeigt, dass diese Allianz keine Selbstverständlichkeit war. KGK bilanzierte:

Nur die monatelange Überzeugungsarbeit der ‚AG Arbeitskämpfe‘, die von AktivistInnen von RIO angeführt wurde, machte es möglich, beide Kämpfe zusammenzuführen: Im Rahmen eines Warnstreiks beim Studentenwerk konnte die größte Unimensa der Stadt komplett lahmgelegt werden. An einer Vollversammlung in der besetzten Mensa nahmen dann 600 Studierende und auch 100 Beschäftigte teil, die mit stehenden Ovationen begrüßt wurden.

Durch einen gemeinsamen Kampf von Studierenden und Beschäftigten an der Uni kann der Druck massiv erhöht werden, da ein Streik der Beschäftigten auch ökonomischen Schaden anrichtet. Studierende können eine wichtige Rolle dabei spielen, die Organisation von Arbeiter:innen voranzutreiben. Gemeinsam können wir die Uni und sogar die ganze Welt zum Stillstand bringen. Streiks an den Schlüsselstellen der Wirtschaft sind das größte Druckmittel gegen die Macht der Kapitalist:innenklasse. Auch wenn an der Uni in der Regel keine Waren produziert werden, ist das geistige Kapital, welches an den Universitäten hergestellt wird, ein unerlässlicher Bestandteil für das Funktionieren des Kapitalismus.

Die Notwendigkeit von Demokratie in der Bewegung

In der Bildungsstreikbewegung kam es nie wirklich zur Herausbildung von bundesweiten demokratischen Strukturen. Auch auf lokaler Ebene war ihr Fehlen notorisch. Die Streikenden praktizierten in der Regel reine Konsensverfahren, was in mehrerer Hinsicht problematisch ist:

Einerseits können einzelne Personen den Willen der übergroßen Mehrheit faktisch außer Kraft setzen, sodass eine Radikalisierung der Proteste praktisch unmöglich wird. Andererseits bedeutet der Zwang zur Konsensfindung, dass die Teilnahme an Entscheidungen durch Zeitressourcen noch weiter beschränkt wird als ohnehin schon durch das BA/MA-System. Denn anstatt jedem/r die Möglichkeit zur Partizipation zu geben, wie dies von VerfechterInnen eines reinen Konsensprinzips immer wieder behauptet wird, entscheiden letztlich immer diejenigen, die am meisten Zeit haben, endlose Diskussionen über sich ergehen zu lassen. Wenn diejenigen, die anderer Meinung sind, nicht die Möglichkeit haben, durch Mehrheitsabstimmungen ihre Meinung kundzutun, entscheiden am Ende die, die nach ewigen Diskussionen immer noch da sind. […] Damit wird die Einstiegsschwelle zur politischen Teilhabe schlussendlich nicht verringert, sondern massiv erhöht.

Auch heute verlaufen studentische Bewegungen nach ähnlichen Prinzipien. Es ist keine Selbstverständlichkeit, über Kontroversen zu debattieren und abzustimmen. Abstimmungen nach Mehrheitsprinzip sind noch immer der demokratischste und effiziente Weg, während einer Besetzung oder im Streik Entscheidungen zu fällen, anstelle von Konsensprinzip oder der Entscheidung einiger weniger ohne breite Diskussion. Die Organe der Studierendenbewegung sollten demokratisch in Vollversammlung gewählt werden und jederzeit rechenschaftspflichtig sein.

Dass sich dieser Ansatz der offenen und demokratischen Forderungsfindung und Diskussion auszahlt, konnte im Rahmen der TVL-Streiks auch an der FU beobachtet werden. Die Beteiligung an den Streiks und der Streikversammlung der ver.di-Betriebsgruppe bezeugen das.

UNiMUT – ein Beispiel der Mobilisierungskraft

Zur Zeit des UNiMUT-Streiks hatte die FU 60.000 Studierende, gegen diese Überfüllung im Jahr 1988 haben das ganze Wintersemester lang die Studierenden gestreikt. Zunächst wurde das Latein-Amerika-Institut (LAI) am 29. November 1988 besetzt. Die LAI-Studierenden zogen agitierend durch die Hörsäle. Die folgende studentische Vollversammlung platze aus allen Nähten. Bis zum 7. Dezember wurden alle 36 Institute der FU besetzt und über 300 selbstbestimmte Seminare durchgeführt.

Die Studierenden des LAI können uns auch heute noch Vorbild sein: Eine Aktion dient nicht nur der Erzeugung von Druck (vor allem wenn der Druck aufgrund geringer Beteiligung nur gering ist), sondern vor allem auch der Mobilisierung weiterer Teile der Studierendenschaft und sollte unter anderem unter diesem Kriterium bewertet und durchgeführt werden. Kleinere Aktionen, um Aufmerksamkeit zu erzeugen, können unter Umständen auch eine sinnvolle Taktik sein, doch ersetzen sie nicht die Erfahrung, die durch echte kollektive Selbstorganisation, wie eine Vollversammlung oder die Besetzung eines Instituts durch die Studierenden selbst, entsteht.

Die Rolle der Polizei

Der brutale Einsatz der Polizei durch die Unileitung hat an der „Freien“ Universität in Berlin Tradition. Die Rolle der Polizei wird an einem Beispiel besonders gut deutlich. Am 11. Dezember 1988 hatten von 2.074 Mediziner:innen bei einer Fachbereichsvollversammlung 82,8 Prozent für eine Fortsetzung des UNiMUT-Streiks gestimmt. Die Solidarität der Naturwissenschaftler:innen war wichtig für die Moral anderer Fachbereiche und brachte einen Mobilisierungsschub. Doch trotz der großen Entschlossenheit mussten immer noch Streikbrecher:innen am Betreten von Lehrveranstaltungen abgehalten werden. Nachdem die Besetzer:innen auch die Weihnachtsferien in der Uni verbracht hatten, räumte ein „Rollkommando der Bullen die Physiologie und Biochemie“. Die Polizei riegelte das Gelände weiträumig ab, um Streikbrecher:innen Zutritt zu verschaffen. Presserat und AStA kommentierten: „die polizei ging gegen die blockierenden studentinnen mit brutalsten knüppeleinsäten (sic!) vor, um streikbrechern den zugang zu den gebaeuden freizumachen. bis 16 uhr gab es weit über 100 verletzte und über 80 festnahmen. vor der anatomie wurde ein demonstrant von einem polizeifahrzeug überrollt – mit diesem sollten streikbrecher zu ihren kursen gefahren werden.“ Bei einer erneuten Abstimmung über den Streik stimmte nur eine knappe Mehrheit für die Fortsetzung.

Die Polizei ist in keinem Fall Freund der Studierenden. Sie wird dazu eingesetzt, die sich mobilisierende Studierendenschaft zu spalten und zu schwächen. Die Polizei hat nichts in den Räumen der Universität zu suchen, als revolutionäre Studierende ist es unsere Aufgabe für ihre Abschaffung zu kämpfen.

Unsere Perspektive: Vollversammlungen und der Aufbau einer revolutionären Studierendenbewegung 

Jahrzehnte des Neoliberalismus, das Scheitern von linksreformistischen Projekten und nun der Aufstieg der Rechten auf globaler Ebene. Die Situation ist nicht einfach. Doch wir dürfen uns nicht der Resignation oder dem Individualismus ergeben. Es braucht in dieser Situation mehr denn je kollektive Mittel, um Krieg und Krise eine wirksame Antwort entgegenzusetzen. Unser Vorbild sind kämpferische Studierendengenerationen vor uns, wie die 68er, die es geschafft haben, die Ideen des revolutionären Marxismus in großen Teilen der Studierendenschaft zu etablieren.

Die Studierendenschaft befindet sich in einer Zwischenphase in ihrem Leben, ihre Klassenzukunft ist unklar. Ein Teil von ihnen wird zu optimal verwertbaren Arbeitskräften für den Kapitalismus ausgebildet. Andere jedoch werden zu Verteidiger:innen und Profiteur:innen des Status Quo. Der Anteil an Studierenden aus Arbeiter:innen- und migrantischen Familien ist im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung gering. Doch unter bestimmten Bedingungen kann sie eine fortschrittliche Rolle einnehmen:

Unter den Bedingungen der kapitalistischen Fäulnis und wirtschaftlichen Ausweglosigkeit aber versucht die Kleinbourgeoisie, sich den Fesseln der alten Herren und Meister der Gesellschaft zu entwinden. Sie ist durchaus fähig, ihr Schicksal mit dem des Proletariats zu verknüpfen.

Der Revolutionär Leo Trotzki beschreibt hier, dass Zwischenklassen wie die Studierendenschaft in Zeiten der tieferen Krise des Kapitalismus fähig sind, sich mit dem Kampf der Arbeiter:innenklasse zu verbinden und den Versprechungen der Bourgeoisie vom sozialen Aufstieg kein Gehör mehr zu schenken. Eine solche Situation zeichnet sich zur Zeit ab. Die Lage von Studis verschlechtert sich gerade enorm. Ein durchschnittliches WG-Zimmer in Berlin kostet 680 Euro, eine gesetzliche Krankenversicherung 130 Euro im Monat. Während man in einem Studijob 530 Euro verdient und immer weniger Studierende eine Bafög-Berechtigung haben. Das führt dazu, dass mehr als ein Drittel der Studierenden arm ist.

Die Nachwuchspolitikerin der Ampel Ria Schröder (FDP) sorgte vor kurzem für einen Skandal, als sie fragte, warum Studierende nicht einfach neben dem Studium arbeiten. Abgesehen davon, dass ein Vollzeitstudium viel Zeit und Aushalten von Leistungsdruck bedeutet, arbeiten die allermeisten Studierenden ja noch zusätzlich neben diesem. Die Regierung scheint den Studierenden abseits von kosmetischen Maßnahmen wie minimalen Einmalzahlungen und unnötigen Ratschlägen kaum etwas anbieten zu wollen.

Der kommende Haushalt im Bund bedeutet wohl vor allem Kürzungen. Bei der Bildung wird aber ohnehin bereits seit Jahren gespart. Nicht auszuschließen ist also, dass das Fass bald überlaufen wird. Die Bewegung der palästinasolidarischen Student:innen wurde in den Medien bereits als „neue 68er-Bewegung“ geframed. Das ist ein bisschen hochgestapelt, sicher ist aber, dass die radikalen Aktivist:innen dieser Kämpfe auch in möglichen kommenden Protesten eine Rolle spielen werden. Die Erfahrungen der Studierenden vor uns zeigen uns die Notwendigkeit von Vollversammlungen, damit wir uns kollektiv und demokratisch zur Wehr setzen können.

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