Warum Studis gemeinsam mit Beschäftigten gegen Outsourcing und Befristung kämpfen müssen

02.03.2020, Lesezeit 6 Min.
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An verschiedenen Berliner Betrieben wie zuletzt an der Charité-Tochter CFM regt sich Widerstand gegen die Ausgliederung und die damit verbundenen schlechten Arbeitsbedingungen. Warum sollten wir Studierende uns diesem Kampf gegen Outsourcing und Befristung anschließen?

Mehr als 70 Prozent aller Studierenden müssen nebenher jobben, um über die Runden zu kommen. Das tun wir zumeist in schlecht bezahlten und prekären Arbeitsverhältnissen: sei es der Mini-Job im Supermarkt, bei der Leiharbeitsfirma oder das unbezahlte Praktikum. Mehr als 50 Prozent aller Jugendlichen zwischen 16 und 24 Jahren arbeiten in sogenannten atypischen Beschäftigungsverhältnissen und verdienen dabei den Mindestlohn – oder weniger.

An unseren Arbeitsplätzen trifft uns der Sexismus von Chefs und Kollegen. Selbstorganisierte Strukturen, um sich dagegen zu wehren, gibt es kaum. Doch kündigen ist häufig keine Option, gerade bei steigenden Mietpreisen. Teilweise arbeiten wir ohne Arbeitsverträge, z.B. als Babysitter*in. Gerade die Arbeit in Privathaushalten wird häufig von Frauen* geleitest, die illegalisiert und somit in starker Abhängigkeit leben. Solche Strukturen erschweren den Kampf für bessere Arbeitsbedingungen.

Schon jetzt gehören über 20-prozentige Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen* und migrantischen und nicht-migrantischen Menschen zu unserem Alltag. Besonders reproduktive Arbeiten – Pflege, Erziehung, Reinigung, Versorgung -, in denen besonders Frauen* arbeiten, werden abgewertet, schlecht entlohnt und zur „natürlichen“ Aufgabe von Frauen erklärt.

Die meisten von uns sehen diese schlechten Arbeitsbedingungen jedoch nur als eine Übergangsphase an, der wir durch ein abgeschlossenes Studium entkommen können, obwohl die Realität das Gegenteil belegt.

Daher ist der Widerstand gegen befristete Verträge und miese Löhne bei Studierenden meist nicht vorhanden. Ein Gegenbeispiel stellte der Arbeitskampf der studentischen Beschäftigten an den Berliner Hochschulen dar: 2018 erkämpften sie mit zahlreichen Streiks und Aktionen die erste Lohnerhöhung in 17 Jahren. Doch in der Privatwirtschaft sind wir Studierende meist vereinzelt und haben wenig Möglichkeiten, uns zusammenzuschließen und zu organisieren.

Dem gegenüber stehen verschiedene Kämpfe von Arbeiter*innen, die sich gegen die gleichen schlechten Arbeitsbedingungen wehren. Denn die Prekarisierung ist bei Weitem nicht nur ein Problem in der Jugend: Immer größere Teile der Arbeiter*innenklasse arbeiten in Mini-Jobs, in Teilzeit, sind befristet oder schuften für ein Subunternehmen zu schlechteren Bedingungen als im Hauptkonzern. Besonders betroffen sind davon Frauen* und Migrant*innen. Doch genauso wie für die Jugend, ist die Prekarisierung dieser Sektoren nichts Unveränderliches. Momentan ist es die Praxis, mit der die Regierung und die bürgerlichen Parteien die Lebensverhältnisse der arbeitenden Bevölkerung und der Jugend zugunsten der Kapitalist*innen existenziell verschlechtern.

Durch die Selbstorganisierung der Beschäftigten und Kämpfe können wir jedoch aktiv dagegen vorgehen. Positive Beispiele dafür sind die Arbeiter*innen des Botanischen Gartens, die in einem harten Kampf die Wiedereingliederung in die Freie Universität (FU) erreichten – und nun mehrere hundert Euro mehr im Monat verdienen als vorher. Ähnliches gelang den Therapeut*innen vom Physiotherapie- und Präventionszentrum der Charité, das ebenfalls ausgelagert wurde und durch Kämpfe wieder Teil der Charité wurde. In beiden Fällen konnten sich die kämpferischen Kolleg*innen auf die Unterstützung solidarischer Studierender und von anderen Beschäftigten verlassen. Sie übten Druck auf Hochschul- und Geschäftsleitung aus und begleiteten die Aktionen der Streikenden.

Ein solcher Kampf findet zur Zeit auch am größten Uniklinikum in Europa statt. Die fast 3.000 Beschäftigten des Charité Facility Managements (CFM), ein Tochterunternehmen der Charité, haben im Februar bereits in drei Warnstreiks ihre Arbeit niedergelegt. Die Arbeiter*innen, die im Krankentransport, dem Catering, der Logistik oder der Reinigung beschäftigt sind, verdienen 11,50 Euro – ein Lohn, der nur gerade so zum Leben reicht und Altersarmut bedeutet. Sie fordern höhere Löhne und mehr Urlaub, aber vor allem eine Eingliederung in den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) und die Rückführung in die Charité. Ab dem 2. März treten sie erneut in den Streik, da sich die Geschäftsleitung der CFM und der Charité keinen Fußbreit bewegen und sogar Verschlechterungen durchdrücken wollen.

Ein Sieg der Kolleg*innen der CFM wäre ein großer Erfolg und würde der gängigen Praxis der Ausgliederung und Befristung einen Schlag versetzen. Da die Charité dem Land Berlin gehört und damit der rot-rot-grünen Regierung untersteht, wäre es auch ein Signal an andere landeseigene Betriebe, in denen Outsourcing und Befristung stattfindet. Dazu gehören auch die Universitäten, an denen große Teile des Betriebs ausgelagert sind, unter anderem die Reinigung und das Catering. Die Reiniger*innen an der Alice-Salomon-Hochschule haben sich deshalb gegen diese Praxis gewehrt, was Entlassung und die Nichtfortführung ihrer befristeten Verträge zur Folge hatte.

Wir als Studierende müssen diese Kämpfe unterstützen, da sie unsere eigenen prekären Arbeitsbedingungen direkt betreffen. Ein gemeinsamer Kampf gegen Outsourcing und Befristung an den Berliner Hochschulen und in den landeseigenen Betrieben könnte diese arbeiter*innenfeindlichen Praktiken komplett zurückdrängen und bessere Arbeitsbedingungen für alle, Studierende, Jugendliche, Frauen*, Migrant*innen, etc., sicherstellen. Da gerade die prekären Sektoren besonders von Repressionen betroffen sind und problemloser entlassen werden können, kommt Studierenden in diesem Kampf eine besondere Rolle zu: Wir können politische Aktionen und Kampagnen betreiben und die Kolleg*innen in ihrem Kampf unterstützen, ohne dafür der Hochschule verwiesen oder entlassen zu werden. Die Unis sind nicht nur Orte der kritischen Auseinandersetzung mit Theorien. Sie sind auch Orte, an denen wir lernen müssen, für unsere Interessen einzustehen und für gute Arbeitsbedingungen für alle zu kämpfen.

Am 8. März werden in Berlin anlässlich des Internationalen Frauen*kampftages wieder Tausende gegen patriarchale Unterdrückung, sexualisierte Gewalt und eine Prekarisierung, die besonders hart Frauen* trifft, auf die Straße gehen. Kolleg*innen der CFM, der Vivantes Service GmbH (VSG), der Kampagne für die Rekommunalisierung der Reinigung an Berliner Schulen „Schule in Not“, FU:fair&unbefristet Berlin, der BVG, Klasse Gegen Klasse, Brot und Rosen, ver.di aktiv – Basisgewerkschaftsgruppe, Organize:strike, Berliner Aktion gegen Arbeitgeberunrecht, Hände weg vom Wedding, Kritische Medizin Berlin und andere werden deshalb einen Block gegen Outsourcing und Befristung bilden. Studierende sollten sich diesem Block anschließen, um ein klares Zeichen gegen prekäre Beschäftigung und für das Ende von Outsourcing und Befristung zu setzen.

Block “Gegen Outsourcing und Befristung” am 8. März

Wann? Sonntag, 8. März, 14 bis 18 Uhr
Wo? Leopoldplatz, Berlin-Wedding
Mehr Infos hier und auf Facebook

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