Warum muss DIE LINKE eine Antikriegspartei sein?

02.06.2023, Lesezeit 7 Min.
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Marx21 veranstaltete am vergangenen Wochenende die Konferenz „Marx is Muss”. Am Sonntagvormittag nahmen wir zusammen mit über 150 anderen Linken an einer Debatte zur Frage „Warum muss DIE LINKE eine Antikriegspartei sein?” teil.

Auf dem Podium wurde die Frage von Christine Buchholz, Daphne Weber (beide im Parteivorstand DIE LINKE), Özlem Demirel (Europaparlamentsabgeordnete der Fraktion „European Left“) und Heinz Bierbaum (Rosa-Luxemburg-Stiftung) eher als eine inhaltliche statt einer strategischen Diskussiongrundlage verstanden. Dennoch blieb die Stimmung lebendig und es blieb genug Raum, um die strategische Debatte anzuschneiden.

Der Ukraine-Krieg als Ausdruck kapitalistischer Widersprüche

Für die Referierenden war die Position „Weder Putin, Noch NATO” klar. Der Angriff Russlands sei durch nichts zu rechtfertigen, die Rolle und die Interessen der NATO müsse man sich aber auch anschauen. Sie beriefen sich auf das berühmte Zitat des Revolutionärs Karl Liebknecht, der sagte: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“ und begründeten damit die Forderungen nach einem Ende der Aufrüstung in Deutschland, die die „Rüstungsspirale” (Daphne Weber) anheize. Der Krieg werde, so Weber weiter, auf Kosten des Gesundheitssystems, der Bildung, insgesamt auf dem Rücken der Arbeiter:innen ausgetragen. Ebenfalls stellten sich die Redner:innen gegen Waffenlieferungen. So kritisierte ein Mitglied von Marx21 aus dem Publikum, dass „mit Klaus Lederer DIE LINKE niemals eine Antikriegspartei wird” und sprach sich gegen dessen Befürwortung der Waffenlieferungen aus.

Heinz Bierbaum von der RLS analysierte den Krieg in Bezugnahme auf Rosa Luxemburg als einen „Kulturschock“, einen Ausdruck innerimperialistischer Widersprüche. Die Hintergründe des Krieges seien zentral für die Analyse und Antwort. Der Krieg würde von den USA benutzt, um ihre bröckelnde Hegemonialstellung in der Welt zu retten. Eine Analyse, die wir durchaus teilen. Auch Demirel stellte fest, dass es bei dem Krieg nicht nur um die Ukraine ginge, sondern auch massive geopolitische Verschiebungen abzusehen seien. Heinz Bierbaum erklärte, Krieg sei immer auch eine Klassenfrage, also eine Frage danach, wer den Preis des Krieges zahlt.

Illusionen in die Linkspartei

Neben der inhaltlich relativ unkontroversen Diskussion kamen wichtige strategische Fragen leider viel zu kurz. Nach über 15 Jahren, in denen die Partei DIE LINKE sich immer tiefer in den Staat integrierte und an den deutschen Imperialismus anpasste, scheint es immer noch die „Strategie” der Linken in der Partei zu sein, zum Regierungs- und Reformlager zu vermitteln. Daphne Weber forderte etwa, mit Klaus Lederer über den Krieg zu sprechen, mit dem Verweis, er würde sich doch auch an die Parteitagsbeschlüsse halten. Eine andere Herangehensweise, vor allem die von Marx21 vertretene, scheint es zu sein, die Linkspartei Stück für Stück „umkrempeln” zu wollen. Es ist jedoch eine Illusion, eine reformistische Partei über Parteitagsbeschlüsse, Diskussionen an der Basis oder bessere Organizing-Ansätze zu einer sozialistischen Partei verwandeln zu können. Denn die Linkspartei hat von Anfang an ihr Zentrum in den Parlamenten und nicht im Klassenkampf verortet.

Statt weiterhin das linke Feigenblatt der Linkspartei zu sein, müssen sich die linken Kräfte in der Partei zu einer Fraktion formieren und anhand von inhaltlichen und strategischen Debatten (bspw. zum Krieg) mit der Linkspartei brechen. Die Perspektive sollte eine Organisierung unabhängig von der herrschenden Klasse und auch jeder sozialen Bürokratie sein.

Die Verbindung von politischen und ökonomischen Fragen

Aus dem Publikum wurde darauf aufmerksam gemacht, dass, wie auf dem Podium schon richtig erkannt, die Krise auf dem Rücken der Arbeiter:innenklasse ausgetragen wird. Der Inflation wurde durch den Krieg und die Sanktionen ein neuer Anschwung gegeben. Besonders bei Konsumgütern des täglichen Gebrauchs, wie zum Beispiel Nahrungsmitteln, beträgt die Inflation 17,2 Prozent. Die Kosten treffen Jugendliche, Studierende und Arbeiter:innen besonders, gerade bei gleichbleibendem Einkommen. Jede Waffenlieferung heizt den Krieg weiter an. In den Streiks im öffentlichen Dienst, die für 10,5 Prozent mehr Lohn kämpften – also beinahe einen Inflationsausgleich – ,wurde diese Verbindung von Arbeiter:innen an der Basis immer wieder aufgezeigt. Der Zusammenhang zwischen Krieg und Inflation wurde von der Gewerkschaftsbürokratie, also bezahlten Funktionär:innen, zwar anerkannt, jedoch nicht als Forderung in den Streik aufgenommen. Gerade weil ökonomische und politische Fragen zusammenhängen, halten wir es für zentral, diese Verbindung als fundamentales Element gegen den Krieg einzusetzen. 

Welche Strategie gegen den Krieg?

Doch vom Podium aus wurde die Frage, wie eine tatsächliche Strategie gegen den Krieg aussehen kann, nicht aufgeworfen. Wir befinden uns in einer Periode der Krisen, Kriege und vorrevolutionären Momenten. Wenn Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist, ist demzufolge die Rückkehr zur vorherigen „friedlicheren” Situation eine Illusion. Darum bringt es nichts, Illusionen in Verhandlungen zu schüren, wie Heinz Bierbaum diese auf dem Podium als Ausweg aus der Krise vorschlug. Ein Plädoyer für Verhandlungen impliziert die Hoffnung, dass die Regierenden dem Töten ein Ende setzen werden, während es doch diejenigen sind, die das Töten in Auftrag geben. Wir sind davon überzeugt, dass es keinen friedlichen Imperialismus geben kann. Darum kann das Bitten danach keine marxistische Antwort auf den Krieg sein.

Unsere Antwort auf den Krieg lautet politische Streiks. Dafür ist es zentral, dass Arbeiter:innen nicht nur als ungefähre „Zivilgesellschaft” oder „Staatsbürger:innen” auf die Straße gehen, sondern als Arbeiter:innen. So werden sie sich ihrer politischen Kampfmittel bewusst, um diese strategisch einzusetzen. Denn die Arbeiter:innen sind es, die mit ihren Methoden des Klassenkampfes den größten Druck ausüben können. Wenn sie den Verkehr, Häfen und die Produktion bestreiken, wird das Fortlaufen unseres ausbeuterischen Systems zum Stillstand gebracht. Sobald die Arbeiter:innen nicht arbeiten, funktioniert nichts mehr. Wenn diese Streiks mit politischen Forderungen verknüpft werden, wird die Macht der Arbeiter:innenklasse sofort sichtbar. Auch dem Ersten Weltkrieg wurde 1918 durch Massenstreiks ein Ende gesetzt. Im Hafen von Genua wurden bereits Waffenlieferungen bestreikt und auf der anderen Seite in Belarus Züge mit Waffen sabotiert. Diese Streiks sollten wir als Vorbilder begreifen.

Aus dieser Situation und Analyse ergibt sich die Notwendigkeit einer sozialistischen Revolution, wenn wir verhindern wollen, dass es weitere kriegerische Auseinandersetzungen mit großem Eskalationspotential gibt. Doch bei dieser Diskussion ging es nicht um die Erarbeitung einer Strategie zur Revolution. Es schien so, als würde es genug sein, wenn die „Friedensbewegung und die Linkspartei sich erneuern”. Etwas mehr Klassenposition und die Verbindung zur Klimabewegung sind wichtige Schritte, aber eben noch lange keine revolutionäre Strategie.

Durch Publikumsbeiträge zeigten wir auf, dass revolutionäre Linke die Streiks politisieren, die Selbstorganisation voranbringen müssen, um die Aufnahme der Forderungen, nach dem Stopp von Waffenlieferungen, einer Ablehnung der Aufrüstung und einem Ende der Sanktionen zu ermöglichen. Nur so kann der Krieg, der auf dem Rücken der Arbeiter:innen in der Ukraine, Russland, als auch weltweit getragen wird, beendet werden.

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