Marx21: Nur in Worten anti-imperialistisch

24.05.2023, Lesezeit 5 Min.
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Foto: Simon Zinnstein

Dieses Wochenende veranstaltet Marx21 den "Marx is muss'"-Kongress in Berlin. Anti-Imperialismus ist für das Netzwerk leichter gesagt als getan.

Am 23. Februar 2023, am 365. Tag des Ukrainekrieges, veröffentlichte die post-trotzkistische Gruppe Marx21 (M21) eine Position zum Ukrainekrieg. „Krieg in der Ukraine: Weder Putin noch NATO – Eskalation stoppen!“, heißt er. Das klingt gut. Ist es auch – zum Teil.

Moskau wolle entgegen seiner eigenen Aussagen natürlich keinen Frieden schaffen. Doch wer nur den russischen Präsidenten für den Krieg in die Verantwortung zieht, irre sich. Denn auch der Westen sei nicht unschuldig. Schließlich habe er sich zuvor immer weiter gen Russland und damit auch gen China ausgebreitet.

Ein Prozess, auf den reagiert wird. Auf diese Reaktion antworten wiederum die NATO-Staaten mit einem Cocktail aus Sanktionen und Waffenlieferungen, und so weiter. Angeblich auch für den Frieden, in Wirklichkeit aber zu Lasten der Ukrainer:innen, deren Situation weder durch die von USA-geführten Mächten noch von der russischen verbessert würde.

So weit, so gut. Doch dann heißt es plötzlich: Um zu Verhandlungen zu gelangen, müssten Zivilgesellschaften Druck auf die entsprechenden Regierungen ausüben. Das ist gleich doppelt unmarxistisch.

Erstens, weil ein solches Plädoyer die Hoffnung impliziert, dass die Regierenden den „anhaltenden Massenmorden“ dauerhaft ein Ende setzen würden. Währenddessen geben sie diese selbst in Auftrag. Das Scheitern des 2015 unterzeichneten Minsker Abkommens für ein Ende des Krieges in der Ostukraine hat gezeigt, dass ihre Konflikte nicht langfristig mit diplomatischen Mitteln zu lösen sind. Die notwendigerweise kriegerische Ausdehnung des Imperialismus wird ignoriert.

Und zweitens, weil die Arbeiter:innenklasse in dem Appell als solche keine Rolle spielt. M21 schlägt vor, dass sie einfach als Teil der Zivilgesellschaft auf die Straße gehen. Dabei sind es die Arbeiter:innen, die mit ihren eigenen Methoden des Klassenkampfes den größten Druck ausüben können. Denn sie können ganze Gesellschaften komplett zum Erliegen bringen – wenn sie zum Beispiel (Flug-)Häfen, Transportzugfahrten, die Post oder Dienstleistungen bestreiken.

Dies ist kein hypothetisches Szenario. So waren die vergangenen zwölf Monate von riesigen Streiks geprägt: Unter anderem hatten Hafenarbeiter:innen, 500.000 nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Beschäftigte und Eisenbahner:innen ihre Arbeit niedergelegt, obwohl sie das zum Teil seit Jahrzehnten nicht getan hatte.

Marx21 hatte dabei bewusst darauf verzichtet, in diesen Streikbewegungen dafür zu kämpfen, dass sie nicht nur für mehr Lohn, sondern auch aktiv gegen Krieg und Militarisierung einstehen. Dabei spielte die Gruppe mit unzähligen Organizer:innen beispielsweise im Streik im öffentlichen Dienst eine große Rolle. Doch diese sind ökonomisch abhängig von der Gewerkschaftsbürokratie: Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hatte die Organisierung des Streiks zum Teil an das von M21-Mitgliedern geführte Unternehmen Organizi.ng ausgegliedert. Die Erteilung solcher Aufträge wäre gefährdet gewesen, wenn die Genoss:innen tief über das gesprochen hätten, was die Hauptamtlichen aus der Arbeiter:innenbewegung heraushalten wollten: Politisch kontroverse Themen wie die Kriegsfrage. Die Post-Trotzkist:innen verdammen sich mit Organizi(.)ng fatalerweise selbst zum Ökonomismus – das heißt, lediglich für Lohnerhöhungen und/oder bessere Arbeitsbedingungen, nicht aber gegen den Krieg zu kämpfen.

Hauptproblem ist: Marx21 bleibt in der Linkspartei

Das zentrale Problem ist jedoch: Zwar gibt sich Marx21 in Worten anti-imperialistisch, doch liegen Meilen zwischen diesen Erklärungen und den Positionen, die die Linkspartei vertritt. Und die Gruppe ist politisch aktiv in der LINKEN. Der Co-Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, hatte ebenso wie seine Parteikollegin Katja Kipping klargestellt, dass die NATO ihrer Meinung nach nicht mehr abzulehnen sei. Und: Nicht nur Susanne Hennig-Welsow, ebenfalls MdB, und Gregor Gysi befürworten im Grunde sowohl Waffenlieferungen als auch Sanktionen – die LINKE Bremen verlor in ihrem Programm zur Bürgerschaftswahl kein einziges Wort über Sanktionen.

Wie soll von den Posten dieser Partei aus eine Veränderung im Sinne von M21 ausgehen? Als Revolutionär:innen können wir von der LINKEN von Bartsch und Co. doch nicht einmal mehr erwarten, dass sie eine Bewegung gegen Krieg, Aufrüstung, Waffenlieferungen und Sanktionen überhaupt konsequent unterstützen würde – geschweige denn, dass sie sie starten würde. Schließlich hat sie nicht einmal mit aller Kraft zu den wenigen Demonstrationen gegen all diese Auswüchse der Militarisierung mobilisiert. Vielmehr setzt die Linkspartei darauf, in Wah­len Parlamentssitze zu erlangen, um auf diesem Wege an die Regierung zu gelangen.

Obwohl die Partei der Linken also ein so imperialistisches Land wie Deutschland mitverwalten will, fokussiert Marx21 all seine Politik auf sie. Ein Bruch mit der LINKEN und der Aufbau einer tatsächlich linken Partei – einer revolutionären Partei – scheint vollkommen aus dem Horizont der Genoss:innen verschwunden zu sein.

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