Warum die Jugend den Tarifkampf der Krankenhaus-Beschäftigten unterstützen sollte

25.09.2020, Lesezeit 6 Min.
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Bild: Protest von Gesundheitsarbeiter:innen in Belgien. Shutterstock.

Die Held:innen im Krankenhaus treten in den Streik, weil Klatschen nicht ausreicht, um die Miete zu zahlen. Die Jugend hat ein Interesse daran, dass die Krankenhausbeschäftigten Erfolge in ihrem Kampf erzielen.

Die Generation der Held:innen

Die Kolleg:innen im Krankenhaus werden Held:innen genannt. Sie sind diejenigen, die den Kampf gegen das Coronavirus an vorderster Front angeführt haben. Sie sind diejenigen, die mit Überstunden und schlechter Hygieneversorgung ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, um die Bevölkerung zu behandeln. Doch die Pandemie ist nicht vorbei, obwohl einige bürgerlichen Politiker:innen vermitteln wollen, dass es so sei. Trotz der steigenden Infektionszahlen öffnen die meisten Betriebe und Schulen wieder ihre Türen. Diese Entwicklung geht einher mit einer noch viel drastischeren Entwicklung, die jetzt schon Millionen in die Kurzarbeit und Hunderttausende in die Arbeitslosigkeit gedrängt hat und auch in der Zukunft wird – die Rede ist von der wirtschaftlichen Krise.

Die prekären Arbeitsbedingungen sind allerdings nicht durch Corona entstanden, sie wurden aber dadurch in der Öffentlichkeit enttarnt. Spätestens seit der Einführung des DRG-Abrechnungssystems im Jahr 2004 steht im Gesundheitssystem der Profit über der bestmöglichen Behandlung. Wie die Hebamme Charlotte Ruga aus München beschreibt, hat diese kapitalistische Logik zu Personalmangel, Bettenabbau, Schließung bzw. Privatisierung öffentlicher Einrichtungen geführt. Zudem wurde das Übel des Outsourcings eingeführt, welches die Spaltung der Belegschaft hervorgebracht hat. Gegen diesen Ausdruck der Prekarisierung streikten die Beschäftigten der Charité Facility Management in Berlin.

Die Beschäftigten in den Krankenhäusern kämpfen jetzt in den Tarifverhandlungen nicht nur um sich selbst, sondern um das Schicksal der zukünftigen Krankenversorgung der gesamten Gesellschaft und in der möglichen Perspektive des gemeinsamen Kampfes mit anderen Sektoren im öffentlichen Dienst um das Schicksal der Arbeiter:innenklasse insgesamt.

Nachdem die Arbeitgeber:innen lediglich den Inflationsausgleich zahlen wollten, also den Forderungen der Gewerkschaft Ver.di nicht nachkamen, ist die zweite Verhandlungsrunde gescheitert. Ver.di ruft in München zu einem Warnstreik am Montag auf. Laut Ver.di soll der Lohn um 4,8% erhöht werden, mindestens aber 150€ bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Darüber hinaus eine Verlängerung und Verbesserung der Regelungen zur Altersteilzeit sowie eine Erhöhung der Auszubildendenvergütung um 100€ und Übernahmegarantie nach Ende der Ausbildung. Auch die Ost/West-Angleichung der Arbeitszeit soll jetzt geschehen und nicht erst in 2023, wie es bisher geplant ist. Zusätzlich werden mehr freie Tage gefordert. Spezifisch für den Gesundheitssektor soll es eine Pflegezulage von 300€ geben, bezahlte Pausen in der Wechselschicht und eine Erhöhung der Zuschläge für Samstagsarbeit auf 20%.

Azubis und der Kampf ums Heute und Morgen

Wir Jugendlichen sollten unter diesen Bedingungen nicht zweimal darüber nachdenken, ob wir uns solidarisch positionieren, vielmehr müssen wir uns fragen, wie dieser Kampf uns betrifft und wie wir ihn zum Sieg führen können. Denn die schlechten Arbeitsbedingungen im Gesundheitssektor haben Konsequenzen für die gesamte Gesellschaft – von medizinischer Unterversorgung bis hin zur Perspektivlosigkeit für Auszubildende, die den Umständen eines Niedriglohnsektors ausgesetzt sind. Besonders in der Covid-19-Pandemie sollte uns bewusst werden, dass an der Gesundheit nicht gespart oder spekuliert werden darf.

Die Initiative „Tarifrebell*innen” der Auszubildenden in der Gewerkschaft ver.di zeigt die besondere Rolle, die den Auszubildenden im Kampf für eine bessere Zukunft zukommt. Wir haben uns bereits an anderer Stelle zu den Forderungen dieser Kampagne positioniert, allerdings tritt diese nicht im Kampf der Krankenhausbeschäftigten auf.

Ein Mangel, den man aufheben muss, da die Streikenden zum Teil selbst Azubis sind und eigene Forderungen erheben. Diese sind eine Erhöhung der Auszubildenden-Vergütung um 100€ und eine Übernahme-Garantie. Letztere ist ein besonderer Ausdruck der Prekarität und zeigt, in welcher kritischen Lage wir uns befinden. Tausende Azubis anderer Sektoren werden heute schon nicht von ihren Ausbildungsbetrieben übernommen.

Die Kampagne schreibt sich Folgendes auf die Fahne: “Alle klagen vom Fachkräftemangel, aber für gute Ausbildungsbedingungen will keiner sorgen. Gesucht werden nur Topqualifizierte, aber niemand investiert in gute Ausbildung. Und statt Perspektiven zu sehen, landen wir nach unserem Abschluss in der Ungewissheit.” Es ist in der Tat so, dass wir nach unserem Abschluss in der Ungewissheit landen, dies ist aber keineswegs selbstverständlich und hängt von der Form ab, in der wir arbeiten und leben.

Die Jugend muss an vorderster Front gegen die Prekarisierung stehen

Die Prekarisierung, von der wir die ganze Zeit sprechen, hat unterschiedliche Facetten. Aber im Kern ist es die Senkung der Löhne, instabile Arbeitsverkürzung, Privatisierung der öffentlichen Dienste und Steigung der Alltagskosten. Man fragt sich also, wie diese Prekarität sich in anderen Teilen der Jugend ausdrückt. Das Einkommen der Jugend wird weniger. Zum einen, wie man es an der Forderung der Azubis sieht. Zum Beispiel haben 40% der Studierenden ihre Jobs verloren. Die meisten arbeiteten in Bereichen, die von Kurzarbeit und Entlassungen stark betroffen sind, wie der Gastronomie oder in Bereichen wie Events und Messen. Einen neuen Job zu finden ist momentan auch ziemlich aussichtslos. Laut einer Umfrage von Zenjobs – ein Unternehmen, welches von der Prekarität der Studierenden profitiert – seien 22% der Befragten nicht mehr in der Lage, ihre Miete zu bezahlen und müssten sich Geld von Familie und Freund:innen leihen.

Das Problem der Mieten hat mehrere Seiten. Einerseits steigen die Kosten für Wohnungen weiterhin stetig, wie eine neue Studie zeigte. Auch dort wird von einer “prekären Lage am Wohnungsmarkt für Studierende” gesprochen. Zusätzlich suchen viele Menschen, die eigentlich Wohnungen oberhalb von Studierendenbudgets mieten, jetzt einen billigere Wohnung, da auch sie von den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie betroffen sind. Somit schrumpft das eh schon begrenzte Wohnungsangebot weiter.

Es ist inmitten dieser demoralisierenden Situation die Aufgabe, sich zu mobilisieren und uns als Jugendliche solidarisch im Kampfe der Beschäftigten zu positionieren.

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