Voith braucht keine Bosse! Diese 5 Betriebe produzierten nach der Schließung weiter – unter eigener Kontrolle

21.05.2020, Lesezeit 4 Min.
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Wenn ein Konzern eine Fabrik schließen will, können die Arbeiter*innen etwas dagegen unternehmen. Die Gewerkschaftsführungen sagen, man kann höchstens um hohe Abfindungen kämpfen, so auch aktuell bei Voith in Sonthofen. Aber wir haben fünf Beispiele von Arbeiter*innen, die Schließungen nicht hinnehmen wollten — sie haben ihre Fabriken selbst übernommen und weiterproduziert.

Im Bild: Die Beschäftigten von Zanon 2001.

Seit einem Monat ist die Belegschaft von Voith in Sonthofen im Streik gegen die Schließung ihres Betriebes. Da die Konzernleitung den Standort trotz schwarzer Zahlen dicht machen will und auch nicht bereit ist, den Betrieb zu verkaufen, gibt es noch eine Möglichkeit, das Werk zu erhalten: Die Arbeiter*innen besetzen es und führen die Produktion selber weiter. Wie das aussehen kann, zeigen internationale Beispiele:

1. Zanon

Diese Keramikfabrik in der Stadt Neuquen in Argentinien sollte im Zuge einer Wirtschaftskrise im Jahr 2001 geschlossen werden. Die 500 Kolleg*Innen haben das nicht akzeptiert, und stattdessen den Betrieb besetzt. Sie haben Lagerbestände verkauft, und dann nach einigen Monaten unter eigener Führung die Produktion wieder aufgenommen. Ihr Motto: Eine Fabrik ohne Arbeiter*innen funktioniert nicht — aber eine Fabrik ohne Chefs kann sehr wohl funktionieren!

Das ist über 15 Jahre her — und die Produktion läuft noch. Sie treffen alle Entscheidungen zusammen in Versammlungen. Sie mussten die Fabrik gegen die Polizei und Schläger*innen vom ehemaligen Besitzer verteidigen. Sie kämpften gemeinsam mit vielen anderen Belegschaften und Arbeitslosen-Bewegungen. Zanon-Arbeiter*innen treten als Sozialist*innen bei Wahlen an und sitzen als Abgeordnete im Parlament — aber bekommen nur einen Arbeiter*innenlohn.

Weiterlesen: Broschüre: Zanon gehört den ArbeiterInnen!

Im Video erklärt Raúl Godoy, einer der Anführer der Besetzung von Zanon 2001, seine Solidariät mit den Beschäftigten von Voith:

2. MadyGraf

Noch ein Betrieb in Argentinien: RR Donnelley gehörte zu den modernsten Druckereien des Landes. Die Konzernführung hat die Schließung angeordnet — doch der klassenkämpferische Betriebsrat besetzte stattdessen. Jetzt heißt der Betrieb Madygraf und ist eine Genoss*innenschaft. In der Krise haben die Kolleg*innen beschlossen, dass sie Desinfektionsmittel herstellen.

Weiterlesen: Bericht zu MadyGraf in der ver.di-Zeitschrift publik: „Wer hier das Heft in der Hand hat“

3. Vio.Me

Bisher hatten wir nur Beispiele aus Argentinien. Aber auch in der Europäischen Union gab es Beispiele von Produktion unter Arbeiter*innenkontrolle. Die Fabrik Vio.Me im griechischen Thessaloniki stellte Baustoffe her — und sollte 2011 geschlossen werden, obwohl es profitabel war. Obwohl die Maschinen bereits abtransportiert wurden, waren die Arbeiter*Innen kreativ: sie stellen Reinigungsmittel und Seifen auf ökologischer Basis her, und tauschen sie mit anderen selbstverwalteten Projekten aus. Gerade in der Corona-Krise sind ihre Seifen ein wichtiger Hygieneartikel.

Weiterlesen: Interview: Fabrik unter ArbeiterInnenkontrolle in Griechenland

4. Philips Dreux Frankreich

Aber auch in zentralen imperialistischen Ländern gab es solche Erfahrungen: 2010 haben Arbeiter*innen von der Fernsehfabrik des Philips-Konzerns in Dreux die Produktion unter eigener Führung aufgenommen. Insgesamt zehn Tage lang hielten sie die Fabrik unter ihrer Kontrolle. Leider konnten hier die Gewerkschaftsführungen in Zusammenarbeit mit den Bossen diese Erfahrung beenden. Aber es blieb eine Inspiration für Kolleg*innen aus dem ganzen Land.

Weiterlesen: Zehn Tage ArbeiterInnenkontrolle in Frankreich

5. Strike Bike Nordhausen

Sogar in Deutschland gab es Schritte in Richtung Produktion unter Arbeiter*innenkontrolle, und zwar in Nordhausen in Thüringen. Im Sommer 2007 haben 135 Arbeiter*innen bei Bike Systems ihre Fahrradfabrik besetzt, um die Schließung zu verhindern. Dem Unternehmen gelang es, die Maschinen abzutransportieren, aber die Kolleg*innen konnten trotzdem eine kurze Zeit lang „Strike Bikes“ bauen und verkaufen. Über 1.800 Bestellungen gingen ein! Die erfolgreiche Aktion konnte nicht fortgesetzt werden, da die Gewerkschaftsführung alles darauf setzte, einen neuen Käufer für die Fabrik zu finden. Eine Perspektive wäre gewesen, für die Verstaatlichung der Fabrik unter Arbeiter*innenkontrolle zu kämpfen.

Weiterlesen: Strike Bikes! Ein Fahrrad, das ohne KapitalistInnen hergestellt wurde

Stimmen der Beschäftigten

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