Verhindert eine Zivilklausel Rüstungsforschung?

27.01.2017, Lesezeit 5 Min.
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Damit Universitäten nicht zu Erfüllungsgehilfen der Kriegstreiber*innen werden, fordern viele Linke eine Zivilklausel. Diese allein können die Rüstungsforschung aber nicht beenden.

Die Idee klingt erst einmal bestechend: Der Senat schreibt sich in die Grundordnung, dass an seiner Universität nur noch für friedliche Zwecke geforscht wird – eine Zivilklausel also. So ein Passus wurde inzwischen an mindestens 62 Hochschulen in Deutschland verabschiedet, darunter die Unis in Tübingen, Göttingen und Münster und auch die Humboldt-Universität zu Berlin. Als älteste Zivilklausel kann das Motto der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel gelten, das seit 1665 Pax optima rerum – Frieden ist das höchste Gut – lautet. 2008 schrieb der dortige Senat fest, dass er sich auch heute noch dem Wahlspruch des Gründers verpflichtet fühle. Der herzogliche Namensgeber taugt allerdings eher schlecht als Vorbild, lag er doch selbst immer wieder mit Dänemark im Krieg. Auf den Waffengebrauch hat er dabei freilich nicht verzichtet.

Hier liegt auch heute noch eines der Hauptprobleme mit der schönen Vorstellung der Zivilklausel: Papier ist geduldig. Eine wirkliche Waffe gegen Kriegsforschung stellen die Klauseln nämlich nicht dar. Die Formulierungen bleiben häufig vage. Und selbst, wenn sie es nicht sind, halten sich manche Wissenschaftler*innen schlicht nicht daran. Mit Folgen müssen sie in der Regel nicht rechnen.

Seit 1986 gibt es in Bremen eine Zivilklausel. So heißt es in der aktuellen Beschlussfassung zwar, dass „Studium, Lehre und Forschung an der Hochschule Bremen […] ausschließlich friedlichen Zwecken“ dienen. Das hielt die Hochschulleitung aber nicht davon ab, ab diesem Wintersemester in dem Frauenstudiengang Informatik mit der Bundeswehr zu kooperieren. Neun Studienplätze für zukünftige Offizierinnen werden dort nun angeboten. So lang wie die Tradition der Verpflichtung auf den Frieden ist in Bremen auch die Tradition, diese zu brechen. Trotz Erneuerung der Klausel 2012 wurde im gleichen Jahr eine Stiftungsprofessur des Bremer Rüstungsunternehmens OHB eingerichtet. Zwischen 2003 und 2011 gab es in Bremen mindestens zwölf solcher Fälle – alle trotz Zivilklausel.

Ein Einzelfall ist die Universität Bremen damit nicht. Die Technische Universität Berlin, die Georg-August-Universität Göttingen, die Universität Kassel, die Universität Konstanz, die Universität Rostock, die Universität Tübingen – an all diesen Hochschulen wurde gegen Zivilklauseln verstoßen. Eine häufig vorgebrachte Argumentation dazu ist der Verweis auf Dual Use. So könne nicht genau unterschieden werden, ob die Forschung nun militärischen oder zivilen Zwecken dient. Dabei ist klar: Wer mit Armeen oder Waffenkonzernen zusammenarbeitet, dient nur dem Krieg.

Unsere Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) braucht sich nicht darum zu scheren, ob sie gegen eine Zivilklausel verstößt. Sie teilt die Ansicht des von ihr beschäftigten Bombenbastlers Klapötke und ist stolz auf ihre Kriegsforschung. Eine Zivilklausel widerspreche der Freiheit der Forschung. Gerade aber solche drittmittelfinanzierten Projekte wie die Forschung für die US-Armee führen diese Behauptung ad absurdum. Die Frage muss erlaubt sein: Wie frei ist eine Forschung, die auf Mittel von Konzernen und Armeen angewiesen ist? Was bedeutet freie Forschung, wenn sie mörderischen Kriegen dient?

Diese Fragen stellen sich auch viele Studierende und so erfreut sich die Forderung nach einer Zivilklausel einigermaßen großer Beliebtheit. Die Linke und ihr Studierendenverband SDS erheben sie ebenso wie die SPD und deren Anhängsel, die Jusos. Sie verweisen mit Vorliebe auf das im Grundgesetz verankerte Friedensgebot. Doch gerade aus dem Mund von SPD-Politiker*innen ist diese Forderung geradezu zynisch angesichts der zahllosen Militäreinsätze, die unter SPD-Regierungen geführt wurden und werden.

Ihren Ursprung hat das Konzept der Zivilklausel in der Zeit der Friedensbewegung. Was wir brauchen sind keine abstrakten Appelle gegen den Krieg und für Gewaltlosigkeit. Die Gewalt der imperialistischen Aggressor*innen darf niemals mit der selbstverteidigenden Gewalt der Unterdrückten gleichgesetzt werden. So solidarisieren wir uns beispielsweise mit dem Befreiungskampf der Kurd*innen gegen den türkischen Staatsterror.

Um unseren Beitrag für eine Welt ohne imperialistische Kriege zu leisten, müssen wir dringend verhindern, dass im Interesse von Bundeswehr und Nato nach neuen Waffen, wie dem Hightech-Sprengstoff des Professor Klapötke, geforscht wird. Eine Zivilklausel allein kann das nicht leisten.
Wir haben kein Vertrauen in Gremien, die die Einhaltung überprüfen sollen, aber keinerlei Kontrolle unterliegen. Der Kampf gegen Kriegsforschung führt dabei über den massenhaften Protest von Studierenden, Beschäftigten und Lehrenden. Zivilklauseln können dabei aber höchstens Zwischenziele sein, die uns zugestanden werden, wenn es großen Druck gibt. Gewonnen werden kann dieser Kampf aber nur, wenn wir eine demokratische Universität aufbauen, an der nicht Konzerne und Reaktionär*innen das Sagen haben.

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