TVöD: Solidaritätskampagne gestartet – für politische Demonstrationen!

14.01.2023, Lesezeit 9 Min.
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Bild: Simon Zinnstein

Schon am 24. Januar steht die erste Verhandlungsrunde der Tarifrunde im öffentlichen Dienst (TVöD) bevor. Dabei geht es um mehr als nur die Löhne: Wir brauchen einen politischen Kampf. Die Berliner Krankenhausbewegung lädt zu einem ersten Treffen einer Solidaritätskampagne am Montag, den 16. Januar, ein.

Kommentar von Anika, die als ver.di Mitglied in der Berliner Krankenhausbewegung aktiv ist.

Am 16. Januar um 18 Uhr findet in Berlin das erste Treffen des „Solidaritätsratschlag zur Tarifrunde des öffentlichen Dienst“ statt, eine politische Solidaritätskampagne mit den anstehenden Streiks. Die Anmeldung erfolgt über diesen Link. Alle Streikenden des TVöD, interessierte Personen, Kolleg:innen anderer Gewerkschaften, politische Gruppen und solidarische Initiativen sind zum Treffen eingeladen, um sich gemeinsam zu organisieren.

In einigen Wochen werden wir in Deutschland die ersten Streiks der Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst (TVöD) erleben. Mehr als 2,5 Millionen Beschäftigte des Bundes und der Kommunen fallen unter den TVöD: Krankenhausbeschäftigte, Erzieher:innen, Reinigungskräfte, Kommunalbeschäftigte und viele mehr. Also genau die Bereiche, in denen seit Jahren eine drastische Kürzungspolitik existiert, obwohl Gesundheit und Bildung für die Gesellschaft so eine wichtige Rolle spielen.

250.000 Kolleg:innen haben sich bereits anhand einer ver.di-Unterschriftenkampagne hinter die Forderungen gestellt. Gefordert wird: 10,5 Prozent mehr Lohn, jedoch mindestens 500 Euro mit einer Laufzeit von 12 Monaten. Die 500 Euro bedeuten für die unteren Lohngruppen ca. 15 Prozent mehr. Eine Forderung, die angesichts der hohen Inflation nur eine absolut notwendige Korrektur darstellt. Die Berliner Krankenhausbewegung hatte noch weitergehende Forderungen vorgeschlagen, nämlich eine Lohnforderung von 19 Prozent und insbesondere auch eine automatische Anpassung der Löhne an die Preissteigerungen. Auch die Arbeiter:innen der Berliner Stadtreinigung haben 16 Prozent mehr Lohn gefordert.

Für Azubis werden 200 Euro mehr gefordert, was jedoch angesichts der drastisch schlechten Arbeitsbedingungen, der hohen Kündigungsquotesowie finanziellen Hürden beim Berufseinstieg politisch völlig unzureichend ist. Trotzdem bedeuten sie eine Entlastung für viele Kolleg:innen, die unter anderem noch mit Nebenjobs aufstocken müssen, und sind daher ein sehr wichtiger Teil des Tarifkampfes.

Die Basis sollte über Streiktage und Abschluss entscheiden!

Damit die beschlossenen Forderungen tatsächlich die Inflation ausgleichen, müssen sie durchgesetzt werden. Das heißt für die Bundestarifkommission: Es darf keinen Abschluss unter der Inflationsrate geben – für keine der Lohngruppen. Besonders die 500 Euro Sockelbetrag für alle müssen unbedingt durchgesetzt werden.

Das bedeutet auch, dass jetzt schon die Urabstimmung und der Erzwingungsstreik vorbereitet werden sollten. Denn einzelne Streiktage werden nicht ausreichen, den notwendigen Druck auf die Regierung aufzubauen.

Als Beschäftigte in den betroffenen Betrieben und ver.di-Mitglieder müssen wir in demokratischen Versammlungen debattieren und abstimmen, wann und wie lange wir streiken. Als Team-Delegierte sollten wir all diese Fragen in die Teams tragen und ein Votum einholen. Solche Entscheidungen dürfen nicht alleine der Tarifkommission und der Arbeitskampfleitung überlassen werden. Diese sollten vielmehr die Beschlüsse aus den Versammlungen der Basis durchsetzen. So sollte Basisdemokratie in den Gewerkschaften funktionieren.

Es darf nicht nur keinen Abschluss unterhalb der Inflationsrate geben, sondern ebenso auch keinen Abschluss ohne die Entscheidung der Basis!

TVöD- und GEW-Streiks zusammenführen!

In denselben Wochen, in denen die TVöD-Streiks stattfinden, werden die Berliner Lehrkräfte, die in der GEW organisiert sind, für kleinere Klassen an Schulen streiken. Sie nehmen sich die Berliner Krankenhausbewegung als Vorbild und kämpfen für Entlastungen und bessere Lernbedingungen für Schüler:innen.

Beide Bewegungen richten sich objektiv gegen die Kürzungspolitik der Regierungsparteien, wie SPD und Grüne in der sozialen Daseinsvorsorge. Gesundheit und Bildung sind genau die Bereiche, in denen in den vergangenen Jahrzehnten drastisch Gelder und Personal gekürzt worden sind. Und warum? Damit die Milliarden Euros lieber durch Subventionen und „Rettungspakete“ (Rettung der Profite!) in die Taschen der Aktionär:innen fließen und 100 Milliarden für Aufrüstung ausgegeben werden können.

Es ist nur selbstverständlich, dass die TVöD-und GEW-Streiks in Berlin einen größeren Druck ausüben können, wenn sie zusammengeführt werden. Als ersten Schritt könnten Aktive der beiden Bewegungen am 16. Januar bei dem Treffen der Solidaritätskampagne zusammenkommen.

TVöD: Politische Demonstrationen gegen die Krise!

Am 16. Januar findet das erste Treffen der Solidaritätskampagne mit den TVöD-Streiks statt. Dort soll diskutiert werden, wie eine solche Kampagne aussehen kann, welche politischen Forderungen die Beschäftigten in den Mittelpunkt stellen wollen und wie ein gemeinsamer Kampf mit anderen Sektoren gestaltet werden kann. Eine solche Kampagne kann ein Vorbild für andere Bundesländer und Städte sein, wo ebenfalls Akteure wie „Genug ist Genug“, politische Organisationen, Sozialverbände und Gewerkschaftsgliederungen in Kampagnen zusammenarbeiten können.

Eines ist klar: So lange aus Tarifbewegungen keine politischen Forderungen erhoben werden, befindet sich die Gewerkschaftsbewegung in einem Zustand der Ohnmacht, da dann die Funktionärsspitzen des DGB den Ton angeben. Ein Beispiel dafür ist Yasmin Fahimi, die keine einzige politische Demonstration gegen die Regierungspolitik organisiert und die Dividende der Unternehmen verteidigt. Es braucht eine Abrechnung mit dieser Sozialpartnerschaft.

Es ist also endlich an der Zeit, dass wir für politische Forderungen mobilisieren und auch versuchen, alle Teile der Arbeiter:innenklasse ebenso wie Arbeitslose, arbeitende Studierende, Kolleg:innen in anderen Betrieben usw. durch gemeinsame Forderungen zu einer Schlagkraft zu entwickeln:

  • Inflationsausgleich für alle, Anpassung aller Sozialleistungen an die Inflation; Erlass eines Mietenstopps, DWE durchsetzen.
  • Milliardeninvestitionen in Gesundheit, Bildung und Klima statt 100 Milliarden in Aufrüstung, Einführung von Vermögenssteuern und -abgaben.
  • Vergesellschaftung der Energieversorgung unter demokratischer Kontrolle der Beschäftigten und der Bevölkerung.
  • Gegen die rassistische Hetze gegen unsere Kolleg:innen mit Flucht- und Migrationserfahrungen, Arbeits- und Studienerlaubnis für alle, Stopp aller Abschiebungen.
  • Solidarität mit Gewerkschaften und Arbeiter:innen anderer Länder, die unter Krise und Krieg leiden. Internationale Solidarität zwischen Arbeiter:innen, die unter gegenseitigen Sanktionen leiden.

Über die politischen Forderungen, die bei einer solchen Demonstration erhoben werden, sollte in Mitgliederversammlungen und Team-Delegierten-Treffen diskutiert und abgestimmt werden.

Wir brauchen politische Demonstrationen an Streiktagen des TVöD, um einerseits den maximalen Druck auf die Regierung zu erzeugen, denn Arbeitsniederlegungen üben einen ganz anderen Druck aus als Mobilisierungen. Andererseits werden mit der massiven Unterstützung und Beteiligung durch große Teile der Bevölkerung an den politischen Demonstrationen die Tarifverhandlungen zum Inflationsausgleich positiv beeinflusst. Hier können wir mit unserer Stärke der Berliner Krankenhausbewegung weitermachen!

8. März: Am Kampftag der arbeitenden Frauen auf die Straße!

Der 8. März hat als Internationaler feministischer Kampftag eine besondere Bedeutung für uns während der Tarifrunde. Wie schon Frauen vor mehr als hundert Jahren, kämpfen wir vor allem in den unterbezahlten Care-Berufen weiterhin für Arbeitsbedingungen und Löhne, die dem unglaublichen Wert unserer Arbeit für die ganze Gesellschaft entsprechen. Die feministische Bewegung hat bereits viele Rechte und Reformen erkämpft, die unser Leben verbessert haben. Der Mühen, Schmerzen und Einbußen, die notwendig waren, um diese Ziele zu erreichen, erinnern uns an diesem Tag.

Gleichermaßen erkennen wir auch, dass der Weg zu einer gleichberechtigten Gesellschaft, in der unsere Arbeit nicht abgewertet wird, Frauen und Queers nicht mehr ausgebeutet werden und wir die vollkommene Autonomie über unsere Körper besitzen, noch weit ist. In Sektoren der Pflege, der Erziehung, der Geburtshilfe, der Reinigung, der Küchen oder der Wäschereien erkennen wir, wie eng diese Themen miteinander verknüpft sind. Umso deutlicher wird, dass auch der Kampf um einen neuen Tarifvertrag politisch ist – egal, ob man sich als Feminist:in bezeichnet oder nicht. Unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen sind nicht voneinander zu trennen.

In Kämpfen, die wir außerhalb der Tarifrunde führen, wie der Kampf gegen die Kreißsaalschließung in München, merken wir das besonders. Den Kreißsaal zu erhalten, bedeutet eine bessere, gesicherte Versorgung für die Gebärenden der Umgebung und ist dadurch auch ein feministischer Kampf. Ebenso ist es ein bisher sicherer Arbeitsplatz von vielen Kolleginnen, die weiterhin dort gemeinsam arbeiten wollen. Eine Verbindung des Widerstandes mit den Tarifkämpfen ist für die Politisierung der TVöD-Runde eine wichtige Voraussetzung, um mit mehr Kolleg:innen für den Erhalt im Interesse eines besseren Gesundheitssystems einzutreten.

Ebenfalls am 8. März brauchen wir bundesweit Aktionstage der Gewerkschaften, Sozialverbände und linken, feministischen Organisationen. Für weitere feministische Forderungen wie:

  • Schluss mit neoliberalen Angriffen auf Geburtshilfe, Kinderstationen und Zentralisierungspolitik im Gesundheitswesen! Gegen die Schließung von Kreißsälen!
  • Milliardeninvestitionen in Kitas und Schulen!
  • Eingliederung aller ausgelagerten Betriebe, gleicher Lohn für gleiche Arbeit!
  • Kostenfreie Kindergärten in den Betrieben, bezahlt von den Bossen und vom Staat, 24 Stunden am Tag!
  • Streichung der Abtreibungsparagraphen aus dem Strafgesetzbuch! Schwangerschaftsabbruch ist ein Grundrecht, keine Straftat!
  • Ausbau von kostenlosen Frauenhäusern und Zufluchtsorten für Betroffene sexualisierter Gewalt!

In allen Städten sollte dafür gekämpft werden, dass bei Mitgliederversammlungen in Betrieben solche Forderungen aufgestellt werden und Streikaktionen am 8. März stattfinden!

Kommt zum Treffen der TVöD-Solidaritätskampagne in Berlin!

1. Berliner Solidaritätsratschlag zur Tarifbewegung für höhere Löhne im öffentlichen Dienst

Wann?
Montag, 16.01.2023
18:00-20:00 Uhr

Wo?
ver.di Landesbezirk B-B, Raum: 6.05, Köpenicker Str. 30, 10179 Berlin

Hier ist die Anmeldung.

Werde aktiv mit KGK Workers!

Wir sind eine branchen- und gewerkschaftsübergreifende Arbeiter:innengruppe um die Zeitung KlasseGegenKlasse. Wir sind in DGB Gewerkschaften und Betriebsgruppen organisiert – gestalten die Streikbewegungen aktiv mit. In der Arbeiter:innenbewegung treten wir für eine klassenkämpferische Perspektive gegen die Sozialpartnerschaft. Wir denken, dass wir als Gewerkschaften nicht nur für mehr Lohn, sondern auch für politische Forderungen an die Regierung mit Aktionen und Streiks kämpfen müssen, um unsere Interessen zu verteidigen. Außerdem bauen wir die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) bundesweit mit auf.

Willst du mit uns aktiv werden? Oder einen Gastbeitrag schreiben? Melde dich hier per info@klassegegenklasse.org

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