SPD-Parteitag: Kurz links blinken, dann Augen zu und weiter so

14.12.2023, Lesezeit 5 Min.
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Quelle: photocosmos1

Trotz Umfragetief, rechter Offensive der Union und Haushaltsdauerkrise: Die SPD gab sich auf ihrem Parteitag sozial engagiert und geschlossen. Das wird nicht lange halten.

„Eindeutiger geht es nicht!“, bejubelte die SPD ihre eigenen Beschlüsse auf ihrer Webseite, nachdem am Sonntag der Parteitag der Sozialdemokratie zu Ende gegangen war. In Berlin haben die Delegierten am vergangenen Wochenende einen Leitantrag unter dem Motto „Zusammen für ein starkes Deutschland“ beschlossen.

Dabei befindet sich nicht nur das Land in der Krise. Auch die SPD selbst ist als Kanzlerpartei schwer angeschlagen. In der Sonntagsfrage liegt die Partei gut zehn Prozent niedriger als bei der siegreichen Bundestagswahl vor über zwei Jahren – weit abgeschlagen hinter den rechten Oppositionsparteien Union und AfD.

Dennoch herrschte intern bemerkenswerte Eintracht bei den Sozialdemokrat:innen. Selbst die Rede des Juso-Vorsitzenden Philipp Türmer war nüchtern betrachtet ganz schön friedlich. Olaf Scholz solle sich in der Regierung besser durchsetzen. Das war der Tenor, alles andere lediglich betont kraftvolle Rhetorik. Reißerische Schlagworte wie „Schelte“ oder „Kanzler-Schreck“ beweisen da höchstens ein Heischen nach Klicks.

Bei ihrer Eröffnungsrede trat die Co-Vorsitzende der Partei mit einem scharfen Angriff gegen die Union auf, diese sei unter Friedrich Merz die “populistischste Opposition aller Zeiten“ und betreibe politischen Vandalismus. Ein Blick auf das neue CDU-Grundsatzprogramm lässt einen zumindest zweifeln, ob die CDU überhaupt noch versucht, Politik zu machen. Doch wie häufig Merz auf dem Parteitag erwähnt wurde, war ein Zeichen der Verunsicherung. Die Sozialdemokraten bemühten sich darum, sich forscher als zuvor darzustellen und von der Lage, in der sich die Ampelregierung während des Haushaltsstreits befindet, mit Aufrufen zur Geschlossenheit und Angriffen gegen die CDU abzulenken.

Viele Kommentatoren werfen Realitätsverlust vor, sowohl von konservativer Seite wie der NZZ, die dem Angriff der Union auf den Sozialstaat Schützenhilfe leistet. Aber auch der Spiegel: „eine kollektive Verdrängung der Realität“, den wirklichen Konflikten ging die Partei aus dem Weg.

So wurde während des Parteitags beispielsweise kein Beitrag zur Situation in Palästina zugelassen. Obwohl einige Mitglieder zumindest eine Debatte befürworten, um die weiterhin von der Spitze gehaltene “bedingungslose Solidarität” zu Israel zu thematisieren. Dass einige in der Partei Bauchschmerzen wegen dieser Position hatten, weil in deren Augen die Taten des israelischen Militärs im Gazastreifen nicht mehr tragbar seien, wurde erstmal ignoriert, um ja keine Zerwürfnisse innerhalb der Partei zu verursachen.

Es macht sich bemerkbar, dass die Partei sich weigert, die offensichtliche Krise, in der sie steckt, anzusprechen. Die Umfragewerte der SPD und Olaf Scholz sind im Keller, in der Regierung gibt es weiterhin verhärtete Grenzen und auch innerhalb der Partei kann es unruhig werden. Denn während die Spitze beim Parteitag von Zugeständnissen für die “Schwächsten des Landes” spricht und eine Kürzung des Sozialstaats ablehnt, scheint es in Bezug auf diese Debatte innerhalb der Ampel keineswegs Einigkeit zu geben. Die FDP stellt sich gegen den Versuch, die Schuldenbremse weiter auszusetzen und fordert die eben genannten Einsparungen von Sozialleistungen. Mit dieser sozialen Rhetorik versucht sich der Kanzler bloß zu profilieren.

Das zeigt auch die gestern bekannt gegebene Einigung im Haushaltsstreit. Scholz, Habeck, Lindner sowie die Fraktionsspitzen ihrer Parteien im Bundestag legten gestern ihren Plan vor, wie man das erwartete Loch im Haushalt von 17 Milliarden Euro für 2024 stopfen könnte. Das soll neben geringeren Subventionen für Kerosin unter anderem über eine höhere CO₂-Bepreisung geschehen, was das Tanken und Heizen verteuert. Daneben trifft es aber noch mehr soziale und ökologische Bereiche, die so gar nicht zur „kämpferischen“ Rhetorik des SPD-Parteitags passen. Es kommt zu Kürzungen bei erneuerbaren Energien, indem die Solarindustrie weniger Unterstützung bekommen wird. Das „Bonus-Programm“ beim Bürgergeld wird verkleinert und einige Sanktionen werden verschärft. Und auch wird die Verteuerung von Strom in Kauf genommen, indem man die staatlichen Zuschüsse bei den Netzentgelten streicht. Die Haushaltseinigung zeigt die soziale Heuchelei des SPD-Parteitags wie in einem Brennglas.

Auch die Forderung nach einer einmaligen Krisenabgabe auf hohe Vermögen wird in der aktuellen Regierung nicht umgesetzt und ein weiteres, nicht eingehaltenes Versprechen der SPD bleiben. Wenn wir tatsächlich wollen, dass die Reichen für diese und andere Krisen bezahlen, eben die, die sie verursachten, können wir uns nicht bloß an die Versprechen der Sozialdemokraten halten. Sie handeln weiterhin nicht im Interesse der Arbeiter:innenklasse und vertreten uns weder mit ihrer Wirtschaftspolitik noch mit ihrer kriegstreiberischen Außenpolitik. Wir brauchen eine unabhängige revolutionäre Alternative, die in der Lage ist, öffentliche Investitionen und Sozialleistungen aus den Taschen der Kapitalist:innen zu bezahlen.

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