rassistischen Massenkontrollen zu Silvester in Köln haben etwas Empörung hervorgerufen, aber noch viel mehr rassistische Hetze. Der Probelauf der Polizei, durch die Stigmatisierung von Migrant*innen ihr martialisches Auftreten zu rechtfertigen, ist aufgegangen – auch die Grünen jubeln der Polizei zu." /> rassistischen Massenkontrollen zu Silvester in Köln haben etwas Empörung hervorgerufen, aber noch viel mehr rassistische Hetze. Der Probelauf der Polizei, durch die Stigmatisierung von Migrant*innen ihr martialisches Auftreten zu rechtfertigen, ist aufgegangen – auch die Grünen jubeln der Polizei zu." />

Silvester in Köln: Alle danken der Polizei für Rassismus und Militarismus

04.01.2017, Lesezeit 5 Min.
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Die rassistischen Massenkontrollen zu Silvester in Köln haben etwas Empörung hervorgerufen, aber noch viel mehr rassistische Hetze. Der Probelauf der Polizei, durch die Stigmatisierung von Migrant*innen ihr martialisches Auftreten zu rechtfertigen, ist aufgegangen – auch die Grünen jubeln der Polizei zu.

Um Übergriffe wie zum letztjährigen Silvester zu vermeiden, setzte die Polizei in Köln präventiv hunderte junge Männer fest. Allerdings ging es ihr wohl mehr darum, Bilder von großen Gruppen dunkelhäutiger Menschen zu produzieren, die nach und nach durch den dreistündigen Kessel zusammenkamen. Als „nordafrikanische Intensivtäter“ („Nafris“), wie die Polizei sie auf Twitter nannte, mussten diese als Projektionsfläche einer rassistisch aufgeladenen Debatte herhalten.

Die Polizei sprach davon, die Gekesselten hätten sich auffällig und aggressiv in Gruppen bewegt. Der Reporter Chrisoph Herwartz von n-tv widerspricht dieser Aussage:

„Wer durch die rechte Glastür gehen muss, entscheidet ein Bundespolizist innerhalb von Sekundenbruchteilen, ohne denjenigen vorher beobachtet zu haben. Und allein diese Entscheidung ist ausschlaggebend dafür, wer kontrolliert wird. Denn hinter der rechten Tür wartet die Landespolizei.“

Die vorbereitete Aktion war Teil einer Strategie der massiven Polizeipräsenz im gesamten Bundesgebiet. Militarisierte Bahnhöfe und zentrale Orte gab es zu Silvester auch in weiteren Städten. Durch den Münchner Hauptbahnhof patrouillierten ebenso wie in Köln größere Gruppen Polizist*innen mit Helmen unter dem Arm und Maschinenpistolen. Unabhängig davon, was die kontrollierten Personen in Köln tatsächlich vorhatten, konnte die Polizei ein Gefahrenszenario schaffen, für dessen Abwehr sie von fast allen Seiten Dank erhielt.

Grüne passen sich rassistischem Sicherheitsdiskurs an

Die Vorsitzende der Grünen, Simone Peter, hatte sich zunächst noch kritisch zu dem Polizeieinsatz geäußert: Das Wort „Nafris“ sei „völlig inakzeptabel“. Zudem „stelle sich die Frage nach der Verhältnis- und Rechtsmäßigkeit“, so Simone Peter zur Rheinischen Post. Medial und in den Kommentarspalten war sie dafür massiv angegriffen worden. Die BILD titelte in bester Pegida-Rhetorik: „Dumm, dümmer, Grüfri*: *Grün-Fundamentalistisch-Realitätsfremde Intensivschwätzerin“.

Wie sehr es der BILD um Frauenrechte geht, dürfte hinreichend bekannt sein. So offenbart diese Schlagzeile, dass es in der Debatte kein bisschen um den Schutz von Frauen geht, sondern nur um die Rechtfertigung von Aufrüstung und rassistischer Hetze. Kritik an dem Vorgehen der Polizei wurde auch von Union und SPD in schrillen Tönen zurückgewiesen. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte: „Wir dürfen nicht zulassen, dass blauäugige Multikulti-Duselei zum Sicherheitsrisiko für unsere Bevölkerung wird.“ Und auch SPD-Chef Sigmar Gabriel ließ sich nicht lumpen, als er meinte, der Vorwurf des racial profiling sei „eine absurde und geradezu verrückte Debatte“.

Der massiven rechten Stimmung haben sich derweil auch die Grünen angepasst. Co-Parteichef Cem Özdemir und Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hatten den Polizeieinsatz gelobt und ihre „Besorgnis“ über die Ansammlung von jungen Männern geäußert. Nach der öffentlichen Kritik ruderte auch Peter zurück und lobte die Polizei, wie es eine Regierungssprecherin kaum diplomatischer hätte formulieren können:

„Dass die Menschen in Köln in diesem Jahr friedlicher feiern konnten und sich die Übergriffe des letzten Jahres nicht wiederholten, ist auch der gut vorbereiteten Polizei zu verdanken. Es ist besorgniserregend wenn dennoch – wie im vergangen Jahr – verabredete Gruppen aggressiv auftreten. Es war richtig hier schnell und präventiv zu reagieren und die Sicherheit aller Menschen in Köln zu gewährleisten. Dafür danke ich den Beamtinnen und Beamten.“

Innere Aufrüstung gegen Sexismus?

Die Argumentation, der Polizei dankbar zu sein, weil sie schlimme Übergriffe verhindert hätte, kommt in einer Situation der inneren Aufrüstung und massiven Verschärfung der rassistischen Gesetzeslage. Die CSU hat kurz vor Jahresende mit der Verabschiedung des bayerischen Integrationsgesetzes Fakten geschaffen, um stärkere Repressalien gegen Migrant*innen einzusetzen. Und nach dem Terroranschlag von Berlin übertreffen sich Politiker*innen und Polizeivertreter*innen mit neuen Vorschlägen zum Ausbau des Überwachungsapparates. Der neueste Coup von Thomas de Mazière ist der Vorschlag der Zusammenlegung aller landesweiten Ämter für Verfassungsschutz zu einem zentral geführten Inlandsgeheimdienst.

Der eigentliche Vorwand, Frauen vor sexualisierter Gewalt zu schützen, tritt dabei völlig in den Hintergrund. Sexistische Macker dürfen sich freigesprochen fühlen, solange sie keine Migranten sind. Übergriffe in der Familie, der Öffentlichkeit oder am Arbeitsplatz werden nicht aufhören, nur weil die Polizei die Kölner Domplatte zum Sperrgebiet für Migranten gemacht hat. Frauenverachtende Werbung und Rollenbilder werden weiterhin medial präsent sein. Frauen werden auch zukünftig in schlechtere Jobs gedrängt.

Sexualisierte Gewalt ist grauenhaft, egal ob sie von Menschen mit oder ohne deutschem Pass verübt wird. Rassistische Polizeikontrollen instrumentalisieren den Kampf gegen sexualisierte Gewalt für eine reaktionäre Agenda, um staatlichen Rassismus und innere Aufrüstung zu rechtfertigen. Sich auf reaktionäre Sicherheitsbehörden zu verlassen, die oft genug für victim blaming verantwortlich sind und Frauen in Kriegsgebiete abschieben, kann den dringend benötigten antisexistischen Kampf nur schwächen.

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