Selenskyj verbietet weite Teile der Opposition

21.03.2022, Lesezeit 4 Min.
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Foto: shutterstock / 360b

Von den meisten Medien wird der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als „Verteidiger der Demokratie” dargestellt. Nun verkündete er das Verbot der größten Oppositionspartei, sowie von nahezu sämtlichen dem linken Spektrum angehörigen Parteien. Gewerkschaften droht er mit „vollständiger Entmachtung”.

In einer Videobotschaft aus der Nacht zum Sonntag argumentierte er das Verbot der Parteien damit, dass diese eine andere Sichtweise auf den russischen Angriffskrieg vertreten würden. Im Zuge dessen kündigte der Sicherheitsrat der Ukraine an, sämtliche Fernsehprogramme, die Informationen verbreiten, unter einem einheitlichen Programm zusammen zu schalten, womit er die möglichen Sichtweisen auf das Kriegsgeschehen drastisch einschränkt. Selenskyj nutzt diesen Krieg um seine eigene Macht abzusichern und sein pro westliches Regime zu festigen.

Das Verbot entzieht 50 Abgeordneten aus zwei Parteien ihre Mandate. Besonders betroffen ist die „Opposition für das Leben”. Diese Partei führt die Opposition im Parlament an und obwohl sie sich gegen den russischen Einmarsch positioniert hat, wurde auch sie unter dem Vorwand von „pro russischen Kriegspositionen“ verboten. Nicht nur die Opposition im Parlament soll fortan ausgeschaltet sein, sondern auch die außerparlamentarischen Kräfte, darunter eine Vielzahl von sozialistischen Parteien.

Bereits vor Selenskyjs Amtsantritt im Jahr 2019 wurden Linke in der Ukraine politisch verfolgt. Gesetze sehen bspw. vor, dass die Kritik an nationalistischen Gruppierungen wie der „Organisation of ukrainian Nationalists”, welche im zweiten Weltkrieg mit den Nazis kollaborierte und sich an ethnischen Säuberungen beteiligten, ein staatsfeindliches Verbrechen ist und strafrechtlich verfolgt wird. Es kann bereits das Singen der Internationale als Begründung für eine bis zu 5 Jährige Haftstrafe verwendet werden. Mitglieder der 2015 verbotenen Kommunistischen Partei sitzen in der Ukraine in Haft und sehen sich massiven Repressionen ausgesetzt. Faschistische Parteien und Gruppierungen hingegen erhalten von der Regierung Selenskyjs Honorierungen und sind von den nun verkündeten Verboten nicht betroffen.

Ergänzung vom Autor 25/03:
Fest steht, dass zumindest einige der verbotenen Parteien reaktionäre und „pro russische“ Inhalte teilen. Das Verbot richtet sich aber nicht nur gegen diese Kräfte, sondern gegen alle oppositionellen Stimmen in der Ukraine. Es reiht sich ein in eine lange Reihe von Repressionen gegen alle, welche nicht dem neoliberalen und pro westlichen Kurs der Regierung folgen. Das Verbot der Opposition wird immer auch mit Repressionen gegenüber der organisierten Arbeiter:innenklasse einhergehen.

Die Repressionen der Regierung treffen auch die Gewerkschaften. Ein Gesetzesvorschlag, welcher Ende 2021 verfasst wurde, sieht zum Beispiel die Enteignung von Gewerkschafts-Immobilien vor, wie Oleksandr Shubin, der Vizepräsident der 4,5 Millionen Mitglieder starken Föderation der Gewerkschaften der Ukraine öffentlich machte. Selenskyj verkündete im Herbst letzten Jahres weitere Verschlechterungen der Situation für die Arbeiter:innen. Er treibt die gesetzliche Gleichstellung von Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen voran, was bedeutet, dass keine Kollektivverträge die Arbeitsverhältnisse regeln, sondern Einzelverträge. Die soziale Lage in der Ukraine war bereits vor dem Krieg sehr schlecht, was vor allem auf diese neoliberale Agenda zurückzuführen ist. Der Mindestlohn beträgt derzeit 190 Euro pro Monat, fast 3 Millionen Ukrainer:innen werden jedes Jahr als billige Saisonkräfte im Ausland ausgebeutet. Der Mangel an gut ausgebildeten Arbeiter:innen und der Anteil an prekarisierten Beschäftigten ist hoch.

Sich gegen die Regierung von Selenskyj zu positionieren, bedeutet nicht, sich mit Putin oder prorussischen Kräften gemein zu machen. Ein Stop der Repressionen gegen die Opposition und Gewerkschaften muss ebenso eine unserer Forderungen seien, wie den Rückzug der russischen Streitkräfte zu fordern. Die konsequente Ablehnung jedes bürgerlichen Staates ist für uns Sozialist:innen essentiell. Die Arbeiter:innen müssen sich gegen ihre Regierung und für die Perspektive einer unabhängigen und sozialistischen Ukraine stellen.

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