Mit Corona gegen Linke und Arbeiter:innen

27.10.2020, Lesezeit 5 Min.
1

Die ganze Welt wird getroffen von der Corona-Pandemie. Für die Regierungen jedoch auch eine willkommene Möglichkeit, Grundrechte einzuschränken und Repression auszudehnen.

Repressionen im Namen des Gesundheitsschutzes

Seit über einem halben Jahr hat die Corona-Pandemie die Welt im Griff. Über eine Million Menschen starben weltweit schon an der Krankheit. Als dieser Artikel verfasst wird, befinden wir uns mitten in der zweiten Welle.

Die Auswirkungen von Corona treffen Arbeiter:innen, Migrant:innen, Frauen und die Jugend am stärksten. Nicht nur sind ärmere und migrantische Schichten überproportional von den Gesundheitsfolgen betroffen, auch die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie treffen sie härter.

Und wenn sich die Betroffenen gegen diese Zustände wehren, werden sie mit aller Härte angegriffen. Besonders gravierende Beispiele konnten wir in den vergangenen Monaten an den EU-Außengrenzen betrachten, wo beispielsweise im Geflüchtetenlager Moria zehntausende Menschen den Verheerungen der Pandemie ausgesetzt waren und die Herrschenden in der Europäischen Union dennoch um jeden Preis die Festung Europa aufrecht erhalten wollten. Doch auch hierzulande gab es Widerstand gegen unsägliche Hygienebedingungen, beispielsweise in der Fleischindustrie oder bei den Erntehelfer:innen. Als beispielsweise in Bornheim Erntehelfer:innen aus Osteuropa gegen die schlechten Bedingungen und für ihren Lohn streikten, rückte die Polizei zur Repression des Streiks an. Und die offiziellen Führungen der großen Gewerkschaften? Ließen sie im Regen stehen, sodass sie ihren Kampf “wild” in die eigenen Hände nehmen mussten. Nicht zuletzt sei auch daran erinnert, dass im Namen von Infektionsschutz Versammlungen verboten und Demonstrationen aufgelöst wurden. Bei Black Lives Matter-Demonstrationen wurden Geflüchtete und antirassistische Aktivist:innen mit Pfefferspray und Hunden attackiert, und im Sommer häuften sich Berichte über Polizeigewalt gegen migrantische Jugendliche, die sich auf Plätzen in Innenstädten getroffen hatten.

Repression hat viele Gesichter

Wir als organisierte Linke haben ein klares Bild von Repressionen. Sie steht um 6 Uhr morgens vor der Tür und durchwühlt unsere Wohnungen, sie schleift uns von Demos und Blockaden, sammelt unsere Daten und überwacht uns. Sie schlägt und tritt uns, und badet uns in Pfefferspray.

Doch das ist nicht alles: Gewerkschaftsfeindliche Politik und Entlassungen sind letztendlich auch Repressionen. Sie sind Ausdrücke der Gewalt im kapitalistischen Ausbeutungsverhältnis. Nicht nur, wenn wir Knüppel abbekommen, sondern auch wenn wir unser Leben auf der Arbeit aufs Spiel setzen, erfahren wir Repressionen. Weil wir trotz Corona zur Arbeit gehen müssen, keine Entscheidungsgewalt über die notwendigen Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen haben und im Zweifelsfall für die Profitgier der Bosse durch die Arbeit sterben.

Aktuell zahlen wir für die Krise

Ein effektiver Hygieneschutz ist in Pandemiezeiten notwendig. Doch Corona dient immer wieder auch als Rechtfertigung, um demokratische Grundrechte und nötige Interventionen für den Arbeitskampf einzuschränken. Ebenso das private und soziale Leben. Als Hauptübel in der Pandemie gelten feierwütende Jugendliche und junge Erwachsene, sowie migrantische Hochzeiten, während Unternehmen Milliarden als Rettungspakete bekommen und trotzdem fröhlich Massenentlassungen durchführen und trotz allem Renditen ausschütten.

Millionen von Arbeiter:innen schuften unter unzureichenden Schutzmaßnahmen und setzen so ihr Leben aufs Spiel. Beschäftigte werden entlassen und auf Kurzarbeiter:innengeld gesetzt. In anderen Branchen, besonders dem Gesundheitssektor und dem Einzelhandel, werden Unmengen an Überstunden eingefordert und deutlich weniger Mitarbeiter:innen sind für die gleichen Aufgaben verantwortlich — und das obwohl schon vor Corona Personalmangel ein riesiges Problem war!

Aktuell bezahlen also wir für die Krise. Mit Geld, Zeit, Gesundheit — und im dramatischsten Fall mit unserem Leben. In diesem Kontext werden Parolen wie “Wir sitzen alle im gleichen Boot” und deren politischer Ausdruck wie die Nullrunde für die Tarifkämpfe der IG Metall tödlich.

Nicht mit uns

Es ist klar: Inmitten einer Krise, die nicht nur eine Pandemie ist, sondern die größte Krise des Kapitalismus seit Jahrzehnten, können die Organisationen der Arbeiter:innenklasse und der Linken nicht stillhalten und sich auf die Routine von Tarifrunden oder noch schlimmer auf den Burgfrieden der nationalen Einheit zurückziehen. Denn das wäre nicht nur ein Verzicht des Kampfes, sondern würde die Arbeiter:innenklasse und die Unterdrückten ohne Verteidigung zurück lassen.

Wenn wir uns nicht jetzt organisieren, um unsere Arbeits- und Lebensbedingungen gegen die zu erwartende Kahlschlagpolitik zu verteidigen, werden Millionen Menschen ins Elend gestürzt werden. Dies ist der Nährboden, auf dem die extreme Rechte sich aufbauen kann.

Es ist notwendig, dass wir uns als Linke gegen die Polizei und gegen die Aufmärsche der Rechten positionieren und wehren. Aber es reicht nicht aus. Darüber hinaus müssen wir uns auch gegen die herrschenden Verhältnisse stellen, gegen das ganze System.

Und das wird nur möglich sein, wenn wir gemeinsam als und mit Arbeiter:innen die Gewerkschaftsführungen unter Druck setzen, um einen Kampfplan gegen die sozialen Auswirkungen der Krise aufzustellen und durchzusetzen. Die Warnstreiks im öffentlichen Dienst und im Nahverkehr, die kommenden Kämpfe gegen Entlassungen in der Metallindustrie und im Dienstleistungssektor gehören zusammen und müssen zu einem Kampf gegen die gesamte Krise zusammengeführt werden. Nur so können wir uns dagegen wehren, dass wir diese Krise bezahlen müssen, und dafür sorgen, dass es stattdessen die Kapitalist:innen tun.

Mehr zum Thema