Rumänische Erntehelfer*innen bestreiken Spargelbetrieb in Bornheim

16.05.2020, Lesezeit 3 Min.
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Am vergangenen Freitagmorgen traten 150 Arbeiter*innen aus Rumänien in den Streik, um gegen die Niedriglöhne und desaströsen Wohn- und Hygieneverhältnisse zu protestieren. Der Betriebsleiter des Erdbeer- und Spargelhofs Ritter rief die Polizei, um den Streik zu beenden.

Es ist eine Routine, dass in der Hauptsaison zusätzlich Erntehelfer*innen aus Polen und Rumänien einberufen werden. So funktioniert auch der Bornheimer Betrieb der Familie Ritter, der zu den größten Spargel- und Erdbeererzeugern der Region zählt.

„Wer erntet jetzt unseren Spargel?“ fragten die Kapitalist*innen und Bäuer*innen der Landwirtschaft zum Beginn der Corona-Pandemie, die Medienkonzerne druckten es. Auf die Bundesregierung wurde großer Druck ausgeübt, um die Einreise von Arbeiter*innen aus Osteuropa zu gewährleisten. So hatte diese Anfang April beschlossen, im April und Mai jeweils 40.000 Arbeitskräfte ins Land zu holen.

Dabei wurden aber kaum Hygienemaßnahmen ergriffen, um die besonderen Risiken in der Landwirtschaft einzudämmen. Auch Lohnerhöhungen waren kein Thema. Es ging letztlich nur um die Sorge des Profits – Menschenleben wurden zweitrangig behandelt. So sorgte der Tod eines rumänischen Erntehelfers in Baden-Württemberg an Covid-19 Erkrankung nicht für einen Skandal. Im Gegenteil wurde der Tod wie ein tragischer Betriebsunfall im Rahmen der Berufsrisiken behandelt.

Was ein Streik aussagt

Bisher wurden nur zugunsten der Interessen der Eigentümer*innen gehandelt: Die Zeitungen stellen die Profitsorgen der Kapitalist*innen mit überzogenen Dramatisierungen in den Vordergrund. Die Bundesregierung führt ohne Rücksicht auf die Arbeitsbedingungen Lockerungen durch.

Der jetzige Streik von rumänischen Arbeiter*innen ist daher von besonderer Bedeutung, weil sie dadurch menschenunwürdige Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft enthüllen. Die Arbeiter*innen haben diese Missstände beschrieben:

  • Die Unterkünfte und die Sanitäranlagen seien schmutzig. Die Dusch- und Toilettenräume seien unbenutzbar. Die Wohnräume seien nicht beheizt. Es werde keine Rücksicht auf Infektionsgefahren genommen, mehrere Arbeiter*innen seien in engen Räumen unterbracht.
  • Der tatsächliche Monatslohn betrage nur 100 bis 300 Euro, was einem winzigen Teil des vereinbarten Lohnes entspreche. Sotri, Arbeiterin aus dem Betrieb, klagte außerdem über die Verpflegung, da ihnen Salami und Brot mit abgelaufenen Haltbarkeitsdatum ausgegeben worden sei.
  • Der Betriebsleiter reagierte auf den Streik mit der Behauptung, die Arbeiter*innen seien gewalttätig. So wurde die Polizei gerufen, um den Streik schnellstmöglich zu beenden. Als die Polizei aber vor Ort auftauchte, wurde klar, dass es sich um eine Diffamierung seitens der Geschäftsführung handelte.

Diese Zustände sind kriminell. Die rumänischen Arbeiter*innen führen einen berechtigten und notwendigen Streik und ihre Forderungen müssen erfüllt werden. Die Aktion wird als „wilder Streik“ bezeichnet, weil die Gewerkschaften abwesend sind und kein Interesse darin sehen, Saisonkräfte zu organisieren. Doch dies führt zur Spaltung der Arbeiter*innenklasse und bereitet solchen Missständen den Boden. Die Kolleg*innen brauchen die Rückendeckung der Gewerkschaften, um nicht ihrem eigenen Schicksal überlassen zu sein.

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