„Und wer von uns gestorben ist, der wurde umgebracht“ – Zum Tod einen rumänischen Erntehelfers an Corona

16.04.2020, Lesezeit 3 Min.
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In Baden-Württemberg starb ein rumänischer Erntehelfer mutmaßlich an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung. Dies ist mehr als nur eine individuelle Tragödie. Sie ist Folge der kapitalistischen Ausbeutung.

Mit der Corona-Pandemie und den Einreisebeschränkung kam es zu Problemen in der Landwirtschaft. Es standen nicht mehr genug Saisonarbeiter*innen aus Osteuropa zur Verfügung. Auf Druck der landwirtschaftlichen Kapitalist*innen lockerte die Bundesregierung die Einreisebeschränkungen und ließ 40.000 rumänische Erntehelfer*innen einfliegen.

An den Bedingungen änderte sich jedoch auch in Zeiten des Coronavirus nichts. Weiterhin herrschen Akkordlöhne knapp über dem Mindestlohn und die saisonalen Arbeitskräfte wurden in engen Quartieren zusammengepfercht. Zwölf-Stunden-Schichten und nur ein freier Tag pro Woche gehörten weiterhin zum Programm. Ideale Bedingungen also für Krankheitserreger wie das Covid-19-Virus.

Als erste Konsequenz wurde gestern der Tod eines rumänischen Erntehelfers im Breisgau infolge einer Coronainfektion mitgeteilt, die er sich in Deutschland zugezogen hatte. Dieser Tod ist kein tragischer Betriebsunfall, sondern bewusstes Kalkül der kapitalistischen Logik, aus der Arbeitskraft möglichst viel Profit zu schlagen. Dazu gehört die beengte Unterbringung saisonaler Arbeitskräfte, Akkordlöhne und 72-Stunden-Wochen. Die schwere Feldarbeit und wechselnde Witterungsbedingungen tun ihr übriges.

Besonders skandalös ist, dass die sich die Arbeitsbedingungen trotz der Einreisebeschränkungen für die Saisonkräfte nicht gebessert haben. Die Klagen über fehlende Arbeitskräfte führen nicht dazu, dass die Bosse bereit sind auch nur kleinste Zugeständnisse zu machen. Weder die Unterbringung, noch die Löhne haben sich gebessert, obwohl klar war, dass die rumänischen Arbeitskräfte einem besonderen Risiko ausgesetzt sind. Die zehrende Feldarbeit, verbunden mit dem hohen Arbeitspensum und der prekären Unterbringung haben Folgen auf das Immunsystem. Besondere Schutzmaßnahmen hätten die Vorbedingung jeglicher Beschäftigung sein müssen. Mit diesen hätte der Tod des Erntehelfers vielleicht verhindert werden können.

Die Auswirkungen der beengten Wohnverhältnisse und schwerer körperlicher Arbeit auf die Gesundheit der Arbeiter*innen und die Ausbreitung von Seuchen wurden bereits von Friedrich Engels in seiner Studie über die Lage der arbeitenden Klasse in England eingehend untersucht. Es ging sogar soweit, dass die Regierung selber hygienische Grundstandards in den Arbeiter*innenvierteln einführte, um ein Übergreifen von Seuchen auf die bürgerlichen Viertel zu verhindern. Dies alles ist also seit spätestens 1845 bekannt. Trotzdem erfolgte die Lockerung der Einreisebestimmungen ohne die landwirtschaftlichen Betriebe zu besonderen Maßnahmen zu verpflichten. Es ist wie Berthold Brecht in seinem „Lied vom Klassenfeind“ beschreibt: Wer von uns gestorben ist, der wurde umgebracht!

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