Lohnfortzahlung in Quarantäne bald nur noch für Geboosterte? Das Impfchaos ist nicht unsere Schuld!

21.01.2022, Lesezeit 5 Min.
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Aus einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages geht hervor, dass Beschäftigte ihren Anspruch auf Lohnfortzahlung verlieren könnten, wenn sie in Quarantäne müssen, auch wenn sie doppelt geimpft sind. Die Kosten für das Versagen der Bundesregierung mit solchen Mitteln auf die Arbeiter:innen abzuladen ist ein Skandal.

Anrufen, warten, auflegen. App öffnen, Termine aktualisieren, schließen. Und von vorne. Jede:r der oder die seit Beginn der Pandemie einen Impftermin buchen wollte, kennt diese Prozedere wahrscheinlich auf die ein oder andere Art. Auch wenn nichts an die hoffnungslose Unterversorgung an Impfterminen im letzten Sommer herankommt, ist es nach wie vor nicht immer leicht sich eine Dosis Impfstoff abzuholen. Schuld daran ist unter anderem die Kopflosigkeit, mit der die Politik in den Herbst und Winter 2021 gegangen ist: Nach dem im Sommer die Kampagne zur Schutzimpfung nur schleppend verlief, entschloss man sich dazu viele der neu eingerichteten Impfzentren wieder zu schließen, als würde man sie nie wieder brauchen. Als die Notwendigkeit der Auffrischung offensichtlich wurde, standen viele Städte also wieder mit niedrigen Kapazitäten dar, die erst schrittweise wieder hochgefahren werden mussten. Auch die schlechte gesundheitliche Infrastruktur in ländlichen Regionen trägt dazu bei, dass dort nach wie vor nicht jeder Mensch so einfach an ein Impfangebot kommt. Laut den Zahlen des RKI haben sich bis heute 41.212.549 Menschen in Deutschland die dritte Impfung abgeholt, was einer Quote von 49,6 Prozent der Bevölkerung entspricht.

Während 73,2 Prozent der Bevölkerung bereits grundimmunisiert sind, gibt es also etwas über 19 Millionen Menschen in diesem Land, die sicht noch nicht geboostert haben. Für diese Menschen könnte es bald Probleme geben: In einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags heißt es, dass der:diejenige den Anspruch auf Lohnfortzahlung im Fall gesetzlich angeordneter Quarantäne verliert, „wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung oder anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, […] ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können“. Das ist soweit nichts neues, immerhin ist die Lohnfortzahlung für ungeimpfte Beschäftigte schon seit November ausgesetzt.

Das Gutachten geht aber noch weiter: Der Ausschluss von der gesetzlichen Entschädigung kann nur aufgrund öffentlicher Empfehlung oder gesetzlicher Vorschrift erfolgen. Eine öffentliche Empfehlung ist dann erfolgt, wenn die obersten Landesgesundheitsbehörden auf Grundlage der Empfehlung der Impfkommission diese Aussprechen. Wenn dies erfolgt ist, würde „Das Fehlen der COVID-19-Auffrischimpfung […] dann zum Ausschluss des Entschädigungsanspruchs“ führen, heißt es in dem Gutachten.

Bisher gibt es zwar noch keine Klarheit darüber, ob und wann diese Regelung von den Ländern umgesetzt wird. Die letzten zwei Jahren Pandemie (Mis-)management haben allerdings gezeigt, dass die Regierung alles tun wird, möglichst viel von dem durch ihre Politik angerichteten Schaden auf die arbeitende Bevölkerung abzuladen. Die Verkürzung der Quarantänezeiten, oder die skandalöse Einschränkung der Verfügbarkeiten von PCR-Tests sind dafür nur zwei Beispiele.

Im Bezug auf die Impfung zeigt sich das auch klar im Umgang mit denjenigen, die sich letztes Jahr mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson haben Impfen lassen. Der „Rolls-Royce“ unter den Impfstoffen, wie es noch vor einigen Monaten hieß: Gute Wirksamkeit und nur ein Pikser notwendig für den vollen Schutz. Mittlerweile sieht das wohl ganz anders aus. Menschen, die sich mit J&J haben impfen lassen, zählen nicht mal mehr als Grundimmunisiert, wie von einem auf den anderen Tag entschieden wurde. Wer J&J bekommen hat, braucht zunächst noch eine weitere Impfung, und dann noch eine Impfung um als geboostert zu gelten. Wer sich aber erst im Winter nochmal hat Impfen lassen, in der Annahme diese Dosis gelte als Booster (da der große Vorteil von J&J ja in der einmaligen Verabreichung lag), muss nach dieser Impfung mindestens noch drei weitere Monate warten, um jetzt als geboostert zu gelten, kann sich also unter Umständen erst im Februar, März oder April die „echte“ Auffrischung holen und würde dann auch solange keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Quarantänefall erhalten. Informationen dazu oder Kommunikation irgendeiner Art gibt es kaum. Wieder muss die Bevölkerung, die sich täglich ändernde Lage selbst einschätzen und versuchen, aus ihr schlau zu werden.

Wer die Quarantäne im Krankheitsfall eigentlich bezahlen sollte, sind die Pharmakonzerne und Bosse, die wie Biontech, finanziert mit unseren Steuergeldern, Milliarden an Profiten durch Impfstoffe machen. Den knapp 19 Millionen zweifach Geimpften in Deutschland jetzt durch eine Androhung eines Ausfalls der Lohnfortzahlung indirekt die Schuld am Pandemiegeschehen zu geben, dreht die Verantwortlichkeiten auf absurde Art und Weise um: Seit zwei Jahren leben wir in einer Pandemie, jede neue Welle überrollt Deutschland scheinbar genauso überraschend wie die letzte, da Maßnahmen seit Tag 1 nicht im Interesse eines langfristigen Schutzes der Bevölkerung getroffen werden, sondern immer nur kurzfristig – Welle für Welle – darauf geblickt wird, wie die kapitalistischen Profite möglichst unangetastet bleiben können, um jeden Preis. Jetzt Millionen von Menschen für das Chaos verantwortlich zu machen, welches Spahn, Lauterbach und Co. heraufbeschworen haben, ist eine schändliche Verkehrung der Tatsachen und soll lediglich davon ablenken, dass es nie im Interesse von der Regierung und den Konzernen war, Politik alles nur mögliche dafür zu tun, diese Pandemie endlich in den Griff zu bekommen.

 

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