Kurzarbeit, 12-Stunden-Tag, Demoverbote: Die Arbeiter*innen sollen die Kosten der Coronakrise tragen

12.04.2020, Lesezeit 5 Min.
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Millionen Menschen in Kurzarbeit, in vielen Sektoren drohen Massenentlassungen und nun kann auch die maximale tägliche Arbeitszeit bis zu zwölf Stunden betragen. Wieder einmal sollen Arbeiter*innen für die Krise bezahlen.

Fast 120.000 Menschen haben sich in Deutschland mittlerweile mit dem Coronavirus infiziert. 2673 davon sind gestorben. Während diese Zahlen täglich steigen, bastelt die Bundesregierung nicht etwa daran, die Gesundheitsversorgung für Beschäftigte zu verbessern. Ganz in Gegenteil fehlt es in vielen Betrieben an grundlegender Hygieneversorgung. Besonders die Situation in Krankenhäusern ist schwierig. Denn aufgrund der Sparmaßnahmen im Gesundheitssektor haben Krankenhäuser über Jahre nicht genug Schutzausrüstung gelagert, besonders Atemschutzmasken und Schutzanzüge. Den Kolleg*innen dort wird zwar aktuell von allen Seiten zurecht für ihren Einsatz gedankt. Doch anstatt die Arbeitsbedingungen für Krankenhauspersonal zu verbessern, würgt ihnen SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil nun Zwölf-Stunden-Schichten und eine Verkürzung der Mindestruhezeiten rein. Diese Maßnahmen treffen neben Beschäftigten in der Pflege auch den Einzelhandel. Damit einher gibt es nun auch Ausnahmen vom Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen. Die Verordnung gilt zunächst bis Ende Juni.

Gleichzeitig hat die Bundesregierung ein riesiges Paket für die Wirtschaft geschnürt. Dieses Paket nutzen Hunderttausende Unternehmen, um in ihren Betrieben Kurzarbeit durchzusetzen. Über 600.000 Unternehmen haben mittlerweile solche Anträge gestellt. Ungefähr 2,35 Millionen Beschäftigten werden laut der Bundesregierung in Kurzarbeit gedrängt. Zum Vergleich: Während der großen Finanzkrise 2009 lag der höchste Stand bei etwa 1,14 Millionen. Beschäftigte mit geringem Einkommen stellt diese Maßnahme vor große Probleme. Für die Bosse ist dieses Paket auf der anderen Seite eine willkommene Blaupause. Sie sparen sich einen Teil des Lohns und die Sozialabgaben für ihre Beschäftigten. Besonders zynisch: Kolleg*innen berichten bereits davon, dass sie zwar in Kurzarbeit geschickt wurden, aber faktisch genauso viel arbeiten müssen wie vorher, weil es den eigentlich geforderten Arbeitsausfall gar nicht gibt.

Scharfe Angriffe auf demokratische Rechte

Statt die Arbeitsbedingungen zu verbessern, greift die Bundesregierung die Rechte aller Kolleg*innen an. Das Arbeitsrecht wird ausgehöhlt, demokratische Freiheiten beschränkt und nun befürwortet die Bundesregierung auch die Anwendung einer Überwachungs-App, um feststellen zu können, mit wem infizierte Personen in den letzten Tagen Kontakt hatten.

Demonstrationen sind aktuell verboten, selbst wenn dort Schutzmaßnahmen wie das Tragen von Atemschutzmasken und die Einhaltung des Mindestabstands eingehalten werden. Erst letzte Woche löste die Polizei die #LeaveNoOneBehind-Demonstration am Brandenburger Tor auf, bei der auf die katastrophalen Zustände in den Geflüchtetenlagern auf den griechischen Inseln aufmerksam gemacht wurde. Demonstrant*innen, die den Platz nicht verlassen wollten, wurde mit Strafanzeigen belangt. Um die Zehntausenden Menschen in den Lagern hingegen schert sich die Bundesregierung einen Dreck.

All diese Maßnahmen zeigen: Bezahlen für die Krise sollen nicht Unternehmen und Banken, sondern normale Beschäftigte. Umso tragischer ist auch, dass sich die Gewerkschaftsführungen kleinlaut daneben stellen. Zwar fordern sie eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes in der aktuellen Krise. Gleichzeitig verzichten sie über alle Sektoren hinweg auf Streikmaßnahmen ohne Verbesserungen der Arbeitsbedingungen. Sie nehmen den Kolleg*innen damit das wirksamste Druckmittel, um Verbesserungen der Arbeitsbedingungen oder die Einhaltung von Hygienestandards durchzusetzen. Was bleibt sind leere Appelle an die „soziale Verantwortung“ von Regierung und Bossen.

Nach der Krise kommt die Krise

Dabei bettet sich die aktuelle Corona-Krise in eine Zeit weltweiter wirtschaftlicher Krisen ein. Schon vor dem Ausbruch von Corona haben insbesondere Automobilkonzerne europaweit Massenentlassungen angekündigt. Die aktuelle Krise ist damit wohl nur ein Vorgeschmack auf das, was auf Millionen Beschäftigte in Deutschland in den nächsten Jahren zukommt. Gerade deshalb ist die Weigerung der Gewerkschaftsführungen zu verurteilen, die den Kampf für die Interessen der gesamten Klasse verraten.

Statt Milliarden in die Taschen der Konzerne zu pumpen, braucht es eine außerordentliche Finanzspritze für den Gesundheitssektor durch Sondersteuern für besonders große Vermögen und Unternehmen. Die gesamte industrielle Produktion muss auf die Produktion von medizinisch relevanten Materialien wie Schutzanzüge, Desinfektionsmittel etc. und lebenswichtigen Gütern unter Kontrolle der Beschäftigten umgestellt werden. Entlassungen und Kurzarbeit müssen verboten werden. Wer aktuell nicht notwendige Arbeiten verrichtet, muss bei voller Lohnzahlung freigestellt werden. Alle ausgegliederten Bereiche in Krankenhäusern müssen sofort eingegliedert werden, um Pflegekräfte zu entlasten. Zwölf-Stunden-Schichten gefährden nicht nur die Gesundheit der Kolleg*innen, sondern auch der Patient*innen. Ganz im Gegenteil braucht es Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich und sofortige Einstellungen sowie die Entfristung und Einarbeitung von erforderlichem Personal. Die Einhaltung von Arbeitszeiten und Hygienestandards muss von Beschäftigten selbst in Ausschüssen kontrolliert werden. Diese Forderungen müssen auch mit Streiks und Demonstrationen durchgesetzt werden. Statt Ausgangssperren und Burgfrieden – Verstaatlichungen des Gesundheitssektors und der Industrie unter Arbeiter*innenkontrolle.

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