#CoronaRealität von Azubis im Krankenhaus: Wir wollen im Kampf gegen das Virus mithelfen – aber nicht so!

03.04.2020, Lesezeit 6 Min.
Gastbeitrag

Katharina ist Hebammenschülerin und berichtet von den Belastungen, denen die Auszubildenden in der Pflege während der Coronakrise ausgesetzt werden: „Wir wollen nicht uns und andere in Gefahr bringen müssen.“

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Wir Auszubildenden wurden in diese Krise hineingeworfen. Vom einem Tag auf dem anderen waren unsere Berufsschulen geschlossen, wir mussten auf den Stationen auftauchen und wurden in bestehende Dienstpläne hineingequetscht. Wir hatten gar keine Zeit darüber nachzudenken, was die Risiken sind. Und wir stehen jetzt gemeinsam mit unseren ausgelernten Kolleg*innen an der Basis.

Auszubildende in Pflegeberufen berichten schon seit Jahren von erheblichen Mängeln in der theoretischen, aber vor allem auch in der praktischen Ausbildung in den Kliniken. Um Kosten einzusparen, mangelt es überall an Personal, und somit auch an ausreichend geschulten Praxisanleiter*innen. So werden wir junge Menschen – sei es in der Ausbildung zum*zur (Kinder)kranken- und Gesundheitspfleger*in, Hebamme, anästhesietechnischen oder operationstechnischen Assistent*in – viel zu häufig wortwörtlich allein und somit uns selbst überlassen.

Dass die allermeisten von uns dennoch in der Praxis meist korrekt umsetzen, was sie theoretisch gelernt haben, und somit kein Menschenleben gefährden, ist nur dem ungebrochenen Willen und dem tiefen Berufsethos zu verdanken, sich Elementares im Selbststudium anzueignen. Dazu kommt, dass wir auf den meisten Stationen als volle Planstellen in den Dienstplan einberechnet und dadurch als billige Arbeitskraft gezählt werden. Es ist frustrierend, wenn wir dann noch wie selbstverständlich im Dienstplan umgetragen werden, dauernd einspringen sollen oder ständig für Lageraufräumarbeiten vom Dienst am Patient*innenbett abgezogen werden. Jede*r vierte Azubi in der Pflege bricht daher die Ausbildung ab. Selbst diejenigen, die drei Jahre durchhalten, haben auf diesem Berufsfeld un bei extremer Arbeitsbelastung finanziell nicht viel zu erwarten.

All das bedeutet, dass die Lage für Auszubildende in den Krankenhäusern schon in normalen Zeiten prekär ist. Die Probleme, die wir in der heutigen Krise haben, sind nicht wirklich neu, sondern haben sich nur verschärft.

Nun ist bekanntermaßen gerade der Bereich der Pflege in den Zeiten der Corona-Pandemie besonders belastet. Eine chronische Unterbesetzung von Pflegestationen erhöht die Sterberate massiv, was wir in Italien und Spanien sehen können. Das Klinikpersonal kann den Virus binnen kürzester Zeit an viele Menschen verteilen. Deshalb sehen wir unsere Arbeitgeber*innen in einer doppelten Schutzpflicht: Sie müssen einerseits uns Auszubildende vor einer Infektion schützen und andererseits sicherstellen, dass wir Auszubildende den Virus nicht weitergeben, denn oft verläuft gerade bei jungen Menschen die Krankheit symptomlos. Wer nicht getestet ist, kann nicht automatisch davon ausgehen, kein*e Übeträger*in zu sein.

In der Praxis aber ist es anders: Diese Schutzpflicht wird nicht erfüllt. Wir sind nicht ausreichend geschützt. Es fehlt wie überall an Schutzkleidung. Statt uns richtig zu schützen, werden die Hygieneanforderungen stetig nach unten verschoben. Einwegprodukte sollen plötzlich nicht mehr nach jedem Patient*innenkontakt gewechselt werden, sondern müssen nun einen ganzen Tag halten. Als ob der Mund-Nasen-Schutz heute besser schützen würde als gestern.

Geradezu fassungslos macht es, wenn unsere Vorgesetzten auf unsere berechtigten Sorgen und Forderungen nur mit Unverständnis und Häme reagieren. Schließlich hätten wir ja wissen müssen, dass wir in Pflegeberufen auch Menschen mit Infektionskrankheiten versorgen müssen. Und Covid-19 sei auch nur eine weitere Infektionskrankheit.

Seit die Berufsschulen wie alle anderen Bildungseinrichtungen geschlossen wurden, leisten wir unseren Dienst auf den Stationen. Gleichzeitig sollen wir uns die Lehrinhalte dann aber selbstständig und im E-Learning aneignen, ohne dafür Zeit eingeräumt zu bekommen. Wie soll diese Doppelbelastung auf Dauer funktionieren?

Dass die Schulen geschlossen sind, bedeutet auch, dass wir viel mehr Auszubildende auf Station sind als gewöhnlich. Mit so vielen Leuten auf der Station können wir gar nicht den nötigen Abstand halten. Die Infektionsprävention als Ziel der Schulschließungen wird so untergraben. Wenn es dann nicht einmal genug Sinnvolles für uns alle zu tun gibt, hätte man uns lieber nachhause schicken sollen und uns dort lernen lassen.

Es ist aktuell auch einfach nicht sinnvoll, uns auf fachfremden Stationen einzusetzen, die wir durchlaufen müssen, um die Arbeit dort kennenzulernen. Als Hebammenschülerin auf der Neugeborenenintensivstation eingesetzt zu werden, ist im Normalfall sehr interessant und lehrreich, aber zum aktuellen Zeitpunkt bin ich dort mehr Risiko als Hilfe.

Schon im Normalbetrieb werden wir Auszubildenden viel zu oft eingesetzt, als wären wir schon examinierte Fachkräfte. Wenn sich die aktuelle Krise zuspitzt, wird sich auch dieses Problem weiter verschärfen. Der Deutsche Hebammenverband geht in seinen „Fragen und Antworten zu Hebammenausbildung und -studium in der COVID-19-Lage“ vom 19. März davon aus, dass „sämtliche Heilberufe-Angehörige und Auszubildende/Studierende dieser Berufe sehr wahrscheinlich eine systemrelevante Rolle spielen werden.“ Im Notfall könne nicht ausgeschlossen werden, dass auch wir Hebammenschülerinnen als Pflegekräfte im Krankenhaus eingesetzt werden.

Es ist ganz klar, dass eine große Anstrengung nötig ist, um die Corona-Pandemie einzudämmen. Und wir Auszubildenden wollen dabei mithelfen, weil wir sehen, dass wir gebraucht werden. Unser Berufsethos darf aber nicht dazu führen, dass wir uns ausnutzen lassen. Wir wollen nicht uns und andere in Gefahr bringen müssen. Wir wollen nicht hinterher völlig ausgebrannt sein. Und wir wollen das alles zu einer wirklich angemessenen Entlohnung für die wichtige und anstrengende Arbeit, die wir leisten, machen.

Wir wissen, dass wir dafür ein Gesundheitssystem brauchen, das nicht im Interesse der Profite organisiert ist. Auch für uns Auszubildende ist es höchste Zeit für ein Gesundheitssystem im Interesse der Beschäftigten und Patient*innen!

Unter #CoronaRealität sammelt Klasse Gegen Klasse Erfahrungen aus dem Alltags- und Arbeitsleben in Zeiten der Coronakrise. Wenn ihr selbst Auszubildende in Pflegeberufen seid, postet unter dem Hashtag oder in den Kommentaren eure eigenen Geschichten. Lasst uns unsere Stimmen stärken, damit nicht die Arbeiter*innen für diese Krise bezahlen.

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