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Keine Frauenbefreiung ohne Antiimperialismus!

20.01.2016, Lesezeit 9 Min.
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Die Hetze gegen Geflüchtete und Migrant*innen erreichte nach den sexistischen Angriffen am Silvesterabend in Köln eine neue Qualität. Dass die „westlichen Werte“, die angeblich verteidigt werden sollen, auf imperialistischer Ausbeutung beruhen, wird verschwiegen.

Viel wurde schon geschrieben über die Heuchelei des neuen „Antisexismus“, der nach den Ereignissen in Köln auf einmal die Kommentarspalten füllt. Anders als bei den Ereignissen in Köln ist sexuelle Gewalt bei anderen Großereignissen wie dem Oktoberfest kein großes Thema. Das liegt vor allem daran, dass die „Wiesn“ der Münchener Wirtschaft große Gewinne einspielen und als weltweites Aushängeschild dienen. Doch am Rande eines jeden Oktoberfestes finden zehn Vergewaltigungen statt – die Dunkelziffer liegt laut TAZ jedoch bei bis zu 200. Das hat bisher keine Krisensitzung der bürgerlichen Parteien ausgelöst, die Parteien schickten nicht sofort ihre Sprecher*innen vor Kameras, um darüber zu reden.

Es geht also offensichtlich nicht vorrangig um die Bekämpfung sexistischer Gewalt, wenn nun von einer „neuen Qualität“ von Übergriffen gesprochen wird. Es wird zwar aktuell eine Verschärfung des Sexualstrafrechts im Bundestag diskutiert, aber dass die Änderungen sehr weitreichend sein werden, ist zu bezweifeln. Zweifellos ist jedoch, dass die Übergriffe in Köln dazu genutzt werden, weitere Asylrechtsverschärfungen durchzuführen und den gesellschaftlichen Rassismus zu schüren.

Mehr Bomben, Profit, Unterdrückung im Namen der Frauen!

Es geht jedoch noch um viel mehr: Mit Köln wird nicht nur der steigende Rassismus gerechtfertigt, sondern auch gleich noch die imperialistische Ausbeutung und Invasion der kapitalistischen Peripherie. Natürlich wird das nicht offen gesagt, doch hinter der „Verteidigung der westlichen Werte“, für die die neue Riege selbsternannter „Antisexisten“ wirbt, verbirgt sich genau das.

Schon häufig diente der „Schutz von Frauenrechten“ als Vorwand dafür, dass imperialistische Mächte in andere Länder intervenierten. So war es zum Beispiel in Afghanistan der Fall, wo der westliche Imperialismus jahrelang die Taliban unterstützt und geduldet hatte. Doch aufgrund einer veränderten geopolitischen Situation und neuen imperialistischen Ansprüchen fiel ihm auf, dass die afghanischen Frauen befreit werden müssten.

Auch der sogenannte „Islamische Staat“, der an Frauenfeindlichkeit viele Reaktionäre übertrifft, konnte erst durch die imperialistische Besatzung des Irak entstehen. Jetzt wird Syrien bombardiert, um die Frauen vor dem IS zu retten. Und dabei wird es nicht bleiben: Mit demselben Argument wirbt Verteidigungsministerin von der Leyen nun für eine Blanko-Erlaubnis zur Intervention in Libyen.

In Wirklichkeit ist das Gerede der bürgerlichen Politiker*innen über die Frauenrechte nur ein Vorwand, um einen weiteren Angriff zu starten. Um die heuchlerische Haltung des Imperialismus deutlich zu machen, reicht der Hinweis auf Saudi-Arabien, wo die elementarsten Rechte der Frauen mit Füßen getreten werden. Was macht Deutschland, damit die Frauen in Saudi-Arabien mehr Rechte bekommen? Es liefert mehr Waffen an das saudische Regime. Während in Deutschland über Menschen aus Nordafrika diskutiert wird, werden die Geflüchteten aus Nordafrika zur Zeit mit deutschem Geld aus Griechenland in die Türkei abgewiesen. Der türkische Staatspräsident Erdogan, bekannt für seinen Sexismus und seine Frauenfeindlichkeit, genießt zurzeit den politischen und wirtschaftlichen Schutz der EU.

Es ist kein großes Geheimnis, dass das Patriarchat in vielen Halbkolonien sehr stark ist und dass Frauen und LGBT*-Menschen darunter sehr leiden. Die Frage, warum das Patriarchat in diesen Ländern so stark werden kann, wird jedoch in dem bürgerlichen Diskurs auf kulturelle und religiöse Elemente beschränkt. Die wirtschaftliche Schwäche einer Halbkolonie in einer imperialistischen Weltordnung führt dazu, dass sie ständigen Krisen, Kriegen und der Ausbeutung und Unterdrückung der führenden Mächte ausgesetzt sind. Doch nicht nur die Armut der halbkolonialen Länder allgemein sichert den Fortbestand von reaktionären Regimen. Die imperialistischen Mächte tun aktiv alles, um fortschrittliche Bewegungen in den Halbkolonien zu bekämpfen und reaktionäre Diktaturen an der Macht zu halten. Ein gutes Beispiel ist auch dafür die Türkei: Deutschland verfolgt die kurdische Bewegung und stützt Erdogan mit Waffen. In Afrika finden wir dutzende Beispiele von imperialistischen Umstürzen gegen weniger reaktionäre Regierungen.

Während sich der westliche Imperialismus durch die Ausbeutung und Unterdrückung der halbkolonialen Länder schicke Wohnungen und Autos und ein „gutes Benehmen“ sichern kann, müssen die Menschen aus der arabischen Welt und Nordafrika alltäglich Bomben, reaktionäre Regime, Foltern in den Gefängnissen und Vergewaltigungen über sich ergehen lassen. Die Zivilisation in Deutschland und in den westlichen Ländern mit “gutem Lebensstil“ ist also auf den Leichen von Millionen von Arbeiter*innen auf der ganzen Welt aufgebaut, manche davon starben z.B. in der Textilfabrik in Bangladesch, damit sich die Menschen in den imperialistischen Ländern noch günstiger ankleiden können.

Während die deutsche Bourgeoisie die Bevölkerung aus diesen Ländern unter den Generalverdacht stellt, „rückständig“ und „sexistisch“ zu sein, haben sich Hunderttausende von ihnen während des arabischen Frühlings unter schwersten Bedingungen auf die Straße getraut, um gegen das Regime zu kämpfen und Plätze wie den Tahrir-Platz in Orte der Entscheidung für tausende Frauen und Männer verwandelt. Die Unterstützung reaktionärer Kräfte wie dem putschistischen General Al Sisi durch die imperialistischen Mächte hat diese Bewegung jedoch zerquetscht.

Die bürgerliche Ideologie dient letztendlich zur Rechtfertigung der Profite des Imperialismus. Deshalb ist es in der aktuellen Diskussion über Sexismus und Rassismus notwendig, diese mit der Perspektive des Antiimperialismus zu verbinden.

Das angeblich saubere Haus: Merkels Deutschland

Gerade wird in Deutschland diskutiert, wie sich Frauen gegenüber fremden (das meint vor allem „fremd aussehenden“) Männern zu verhalten haben. Der Vorschlag, sich eine Armlänge von solchen Männern zu distanzieren, war der Höhepunkt dieser reaktionären Scheindiskussion.

Die Übergriffe von Köln sind durch nichts zu rechtfertigen und unbedingt zu verurteilen. Doch sie sind nur die Spitze des Eisbergs. Der absolute Großteil der sexuellen Gewalt in Deutschland wird nämlich nicht von unbekannten Männern verübt, sondern findet in einer Beziehung zu einem bekannten Mann wie dem Ehemann oder Freund, also in den eigenen Schlafzimmern statt und ist ein alltägliches Phänomen. Doch nur ein Bruchteil dieser Gewalt wird strafrechtlich verfolgt: Das liegt zum Einen an bestehenden Gesetzeslücken und einem gesellschaftlichen Klima, in welchem sexuelle Gewalt verharmlost oder verschwiegen wird („rape culture“). Zum Anderen liegt das aber häufig auch daran, dass patriarchale Abhängigkeiten existieren, die es Frauen erschweren, ein Leben in Unabhängigkeit und ohne Angst zu führen.

Deshalb können die sexistischen Strukturen unserer Gesellschaft, in der Frauen für die gleiche Arbeit weniger Lohn bekommen oder in der keine ausreichende Kinderbetreuung existiert, nicht von den unzähligen Fällen sexualisierter Gewalt getrennt werden.

Der Sexismus ist ein reales Problem – nicht nur von Menschen mit Migrationshintergrund, sondern gerade auch der weißen deutschen Mehrheitsgesellschaft. Dass derzeit so heftig über die Überfälle in Köln diskutiert wird, trägt aber vor allem dazu bei, den „eigenen“ Sexismus zu überdecken, statt tatsächlich gegen jegliche Formen von Sexismus und sexueller Gewalt vorzugehen.

Um besser jeden Sexismus zu bekämpfen, führt kein Weg daran vorbei, die unbezahlte Hausarbeit zu vergesellschaften, sodass die Frauen nicht an „Heim und Herd“ gekettet werden, oder den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit durchzusetzen, damit Frauen sich uneingeschränkt unabhängig von ihrem Partner oder der Familie ein Leben ermöglichen können. Diejenigen Kräfte, die gerade über die Geflüchteten wegen den „Frauenrechten“ herfallen, fallen durch ihr reaktionäres Bild von Frauen als Mutter und gute Hausfrauen „zu Hause“ auf, wie CSU, CDU, SPD, AfD usw.. Die bürgerliche Herrschaft befürwortet ferner imperialistische Interventionen im Namen von „Frauenbefreiung“, die aber nur die reaktionärsten Kräfte in den halbkolonialen Ländern schüren.

Die aktuelle imperialistische Weltordnung steht aber in Widerspruch zur Befreiung der Frauen. Milliarden Menschen werden von guter Bildung, guten Wohnmöglichkeiten, guten sozialen Sicherungssystemen, guter Arbeit usw. ausgeschlossen. Dieser Ausschluss ist aber Voraussetzung und zugleich Nährboden für den Fortbestand patriarchaler und sexistischer Verhältnisse. Die Interessen der imperialistischen Mächte stehen in direktem Gegensatz dazu, dass fortschrittliche Bewegungen in der Peripherie diese Bedingungen durchsetzen und gegen patriarchale Strukturen kämpfen können.

Solange imperialistische Mächte Krieg schüren, um ihre Profite zu garantieren, solange werden sich reaktionäre und frauenfeindliche Kräfte wie der „Islamische Staat“ – der sich als Widerstandskraft des „Antiimperialismus“ geriert – stärken können.

Erst in der Bekämpfung des deutschen Imperialismus bekommen wir die Möglichkeit, mit der weltweiten Frauenbewegung einen gemeinsamen Kampf zu entwickeln und den Sexismus hier wie dort zu zerschlagen. Konkret heißt diese Aufgabe heute, eine Bewegung mit tausenden Jugendlichen, Frauen, LGBT*, Arbeiter*innen gegen Krieg und Abschiebung aufzubauen. Um den Sexismus in Deutschland und überall zu bekämpfen, dürfen wir also nicht in die rassistische Hetze einstimmen, sondern müssen uns gegen die Parteien der Unternehmer*innen organisieren, die das Patriarchat, die reaktionäre Kleinfamilie und imperialistische Machtansprüche aufrecht erhalten.

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