Kann man “unpolitisch” für Geflüchtetenrechte eintreten? Zur “Vollversammlung” von Students for Ukraine München

28.04.2022, Lesezeit 7 Min.
Gastbeitrag

Seit nun etwa zwei Monaten herrscht Krieg in der Ukraine, der bis jetzt schon tausende Menschenleben gekostet und Millionen zur Flucht gezwungen hat. Die ganze Welt blickt seit der Eskalation dieses Krieges auf die Ukraine und reagierte mit Massen-Mobilisierungen gegen den Krieg und Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung und den flüchtenden Menschen. Was können wir als Studierende und Uni Beschäftigte tun?

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Foto: Ayrin Giorgia (KGK)

Die aktive Solidarität mit den Geflüchteten äußerte sich vor allem in der Organisation von breiter humanitärer Hilfe. Diese Hilfe ist notwendig und ein wichtiger Akt der Solidarität, nur dürfen wir nicht an dieser Stelle stehen bleiben. Dieser Krieg ist kein Krieg zwischen einem bösen Mann und dem “demokratischen” Westen, der sich erst jetzt einschaltet, um für “Freiheit” oder “Demokratie” zu kämpfen. Dieser kriminelle Angriffskrieg Putins, den wir aufs schärfste verurteilen und gegen den wir die Antikriegsproteste in Russland unterstützen, ist Teil eines Machtkampfs zwischen Russland und den NATO Staaten um geopolitische Interessen. Es ist einer von vielen Kriegen, die gerade auf der Welt auf Kosten der zivilen Bevölkerung von verschiedenen Regierungen geführt werden. Gleichzeitig rüsten sich die führenden Staaten konstant auf und nutzen die Angst und die Wut in der Bevölkerung vor dem Krieg aus, um ihre Aufrüstung und den Militarismus voranzutreiben. Neue Fluchtursachen werden somit vorbereitet.

Dabei rüsten vor allem die reicheren Länder auch die eigenen Grenzen,  Grenzpolizei und -überwachung wie Frontex immer weiter auf, um Menschen, die vor eben diesen Kriegen und der Armut fliehen, fernzuhalten. So sterben jedes Jahr tausende Menschen vor den Mauern der Festung Europa, da sie an den Grenzen verhungern und erfrieren oder im Mittelmeer ertrinken. Menschen ohne ukrainischen Pass oder People of Color, die aus der Ukraine fliehen wollen, werden oft rassistisch abgewiesen. Gleichzeitig werden Menschen daran gehindert, das Land zu verlassen, um zum Militärdienst gezwungen zu werden. Wir stehen für die Aufnahme ALLER Geflüchteten aus der Ukraine sowie aus allen anderen Ländern.

Dieser Krieg hat, wie alle Kriege auf dieser Welt, politische Ursachen und solange wir uns nicht gegen diese richten und anfangen zu verstehen, wofür und auf wessen Kosten in dieser Welt die ganze Zeit Krieg geführt wird, wird kein Frieden in Sicht sein. Es liegt in unserer Verantwortung, jetzt politisch aktiv zu werden gegen Krieg, Rassismus und Aufrüstung!

Ende vergangener Woche wollten wir als Kampagne “Unis gegen Krieg, Rassismus und Aufrüstung” an einer Versammlung der Vereinigung Students for Ukraine teilnehmen, um über politische Forderungen zu diskutieren, die wir als Studis stellen können, wie die der Ausweitung des Zugangs zur Uni für ALLE Geflüchteten. In der Einladung hieß es, es handle sich um eine “Vollversammlung”, wobei diese Art der Versammlung historisch eine Versammlung möglichst vieler Studierender einer Hochschule oder Universität meint. Diese kann politische Themen besprechen und demokratische Beschlüsse fassen. Bis auf das Bundesland Bayern sind Vollversammlungen der Studierenden eigentlich Teil des universitären politischen Austausches und Ort der Entwicklung politischer Positionen als Studierende. Hier werden diese jedoch untersagt, was mit der Abschaffung der Verfassten Studierendenschaft im Jahr 1974 einherging. Damals wurde dies durch CSU-Kultusminister Hans Maier durchgesetzt um „den linken Sumpf an den Universitäten trocken zu legen“, ein Spruch den sich die Gruppe Students for Ukraine scheinbar zu eigen gemacht hat. Obwohl sich die Initiative aus verschiedenen Fachschaften heraus organisiert hat, geht es hier also weniger um eine Vertretung der Studierendenschaft, als um die Gründung eines Vereins für ein paar Mitglieder abseits der Uni.

In der Vergangenheit waren diese Vollversammlungen unmittelbarer Ausdruck politischer Initiativen von Studierenden, wie 2009 oder 2011, als das Audimax zur Abschaffung der Studiengebühren und in Protest gegen die Ökonomisierung der Bildung durch den Bologna-Prozess in Vollversammlungen besetzt wurden. Vollversammlungen können ein wirklich demokratischer Grundstein für eine politische aktive Studierendenschaft sein.

Anscheinend haben die Kommiliton:innen von Students for Ukraine den Begriff anders verstanden, denn sie luden schon im Vorraus Studierende aus, die im Rahmen der linken Tageszeitung Klasse Gegen Klasse an der Uni mit der Kampagne “Unis gegen Krieg, Rassismus und Aufrüstung” eine Politik gegen diese Probleme unserer Zeit machen.

Wir wollten dennoch an der Diskussion vor Ort teilnehmen, weil wir die Sache für wichtig halten; dort sprachen die Organisator:innen aber von einer “Mitgliederversammlung”, die “nichts mit der Uni zu tun habe” und “keinen politischen Inhalt – außer den drei Grundsätzen der Menschenrechte, der Verurteilung des Krieges und die Wichtigkeit der Verfassungstreue” –  haben solle. Was der Exklusivität der Veranstaltung noch einmal Ausdruck verlieh, war die Tatsache, dass vor Ort nur ein paar wenige Personen anwesend waren, die sich zur Aufgabe stellten, einen Verein zu gründen.

Begründet wurde der Ausschluss mit dem Argument, dass extremistische Organisationen verboten seien. Dieses Argument der Verfassungstreue wurde einfach benutzt, um der inhaltlichen Diskussion und den Diskussionsanregungen aus dem Weg zu gehen, genauso die Diffamierungen in der offenen Whatsapp Gruppe nach der Veranstaltung, in der wir als manipulative Unterwanderer beschrieben werden, als wären wir nicht einfach auch Studis, die politisch an der Uni aktiv sind. Wir lehnen den verwendeten Extremismusbegriff ab; er ist politisch willkürlich und undemokratisch und wird von rechts benutzt, um gegen linke Politik vorzugehen und sie auszuschließen.

Interessant ist auch, dass die Veranstalter:innen einerseits die Verteidigung der Menschenrechte als zentralen Grundsatz sehen, andererseits aber gar keinen Widerspruch zwischen den propagierten Menschenrechten und der rassistischer Kategorisierung von flüchtenden Menschen durch den deutschen Staat zu sehen scheinen. Die BRD zwingt weiterhin Menschen dazu in AnkER Zentren zu leben, Menschen sitzen in Abschiebehaft oder werden in Armut, Krieg und Verfolgung abgeschoben.

Der deutsche Staat steht nicht für Menschenrechte und sich auf seine Definition von Menschenrechten und Verfassungstreue zu beziehen, hat nichts mit einer wirklichen Verteidigung von Menschenrechten zu tun.

Die “Positionierung”, sich keine politischen Inhalte zu bestimmten Fragen zu geben, ist nicht unpolitisch – sie trägt in ihrer vermeintlich neutralen Haltung dazu bei, die Entscheidungen und Vorgehensweisen der kriegstreiberischen Politik gesellschaftlich zu legitimieren. Dies gilt gleichermaßen für die rassistische Differenzierung von schutzsuchenden Menschen, wenn die Forderung von Bürger:innenrechten für alle Geflüchteten ausbleibt. Wir glauben, dass Studierende das Potenzial haben, eine politische Kraft gegen den Krieg, gegen Rassismus und Unterdrückung und gegen den deutschen Militarismus aufzubauen. Dafür wäre eine wirkliche Studi Vollversammlung ein guter erster Schritt.

Wir suchen weiterhin Diskussion mit Studierenden der Initiative Students for Ukraine und würden uns über eine konstruktive Zusammenarbeit und gemeinsame Diskussionen freuen!

Als Kampagne “Unis gegen Krieg, Rassismus und Aufrüstung” wollen wir als Studis und Beschäftigte der Uni den Aufbau einer solchen Kraft vorantreiben! Wir treffen uns regelmäßig, organisieren Aktionen, wie gestern den Stand am Geschwister-Schollplatz am 27. April und wollen perspektivisch größere Veranstaltungen und Versammlungen organisieren!

Werde Teil unserer Kampagne “Unis gegen Krieg, Rassismus und Aufrüstung” in München und komme zu unserem Offenen Treffen am Dienstag, den 3. Mai an der LMU oder über Zoom! (Ort und Link bekommst du dann als Nachricht von uns)

Du hast Interesse? Dann schreibe uns eine Nachricht über Instagram, Twitter oder Email!
Ihr könnt uns erreichen unter ugkrua.muc@gmail.com, auf Instagram und Twitter.

Wir spiegeln diesen Artikel als Teil der Kampagne „Unis gegen Krieg, Rassismus und Aufrüstung München“.

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