Jeder Tag ist fremdbestimmt – Wer kontrolliert die Unis?

05.12.2020, Lesezeit 7 Min.
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TrifonenkoIvan und V O R T E X / shutterstock.com

40 Stunden die Woche als Vollzeitstudierender oder noch mehr als Beschäftigte:r. Mindestens so viel Zeit verbringen wir an den Universitäten, mindestens 5 Tage die Woche. Mitspracherecht darüber wie unser alltägliches Leben ausschauen soll? Kann man lange suchen…

Wir wollen unsere Universitäten selber leiten. Wer ist wir? All diejenigen, die ihren Alltag in der Uni verbringen, weil sie dort studieren oder arbeiten. WIR wollen die Entscheidungen treffen, die unser tägliches Leben bestimmen.

Gerade ist das nicht der Fall. Besonders in Bayern, das konservative Reich der CSU, kann man alles, was mit studentischer Mitbestimmung zu tun, hat komplett vergessen, von der Mitbestimmung von wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Beschäftigten ganz zu schweigen…

Aber wer kontrolliert denn dann gerade unsere Universitäten?

Von wem werden wir fremd-bestimmt?

Um das zu verstehen (und dann im nächsten Schritt dagegen zu kämpfen) können wir zunächst einen Blick auf das Organigramm 1 der LMU werfen.

Das Gebilde (dessen einzelne Bauteile wir uns im Anschluss genauer anschauen werden) stützt sich auf vier Säulen – die Fakultäten eingeteilt nach Fächergruppen. Über den Fakultäten sitzen fünf Bausteine: die Zentralen Einrichtungen, die Zentralen Wiss. Einrichtungen, die Zentralen Ausschüsse, der Senat und die Zentrale Verwaltung. Gekrönt werden sie von der Hochschulleitung bzw. dem Präsidium, sowie der erweiterten Hochschulleitung und dem Hochschulrat.

So weit, so gut. Aber was hat es mit all diesen Elementen auf sich und wie demokratisch sind sie tatsächlich?

Undemokratischer geht’s kaum

Die Zusammensetzung von Senat und verschiedensten Ausschüssen ist recht ähnlich: Entweder findet man dort ausschließlich Professor:innen an, oder sie besetzen die Hälfte der Stühle und überlassen den Rest gnädigerweise einer Mischung aus Studierenden, wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Beschäftigten.

Was bedeutet das? Die Professor:innen – eine kleine Minderheit an den Universitäten im Gegensatz zu der überwältigenden Mehrheit von Studierenden, wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Beschäftigten – haben in allen Belangen die absolute Mehrheit. Diese äußerst gut bezahlte Clique aus ein paar dutzend bis ein paar hundert Profs bestimmt über die Ausrichtung der Hochschulen. Sie bestimmt darüber, welche Unternehmensinteressen sich in unsere Bildung einmischen dürfen. Insgesamt bestimmt sie über die Arbeits- und Studienbedingungen von tausenden oder zehntausenden Menschen pro Universität.

Währenddessen haben gerade wir Studierenden – die übergroße Mehrheit an den Hochschulen! – fast gar nichts zu melden. In Bayern haben wir noch nicht einmal eine “verfasste Studierendenschaft” wie in anderen Bundesländern, wo die Allgemeinen Studierenden-Ausschüsse, die ASten, wenigstens ein eigenes Budget verwalten dürfen. Genau so hat auch die große Mehrheit der Beschäftigten an der Uni wenig zu melden – und häufig genug befinden sie sich in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den Profs, was ihre eigenständigen Einflussmöglichkeiten noch weiter verringert.

Kurzum: Die Uni gehört aktuell einer Mini-Clique von Profs. Aber das muss nicht so sein. Im Gegenteil: Die Uni sollte denjenigen gehören, die dort arbeiten und studieren. Wie könnte es also anders aussehen?

Die Unis die wir wollen!

In der Studierendenbewegung gibt es seit Langem die Forderung nach “Viertelparität”. Das bedeutet, dass alle Statusgruppen an der Universität – Professor:innen, wissenschaftliche Beschäftigte, nicht-wissenschaftliche Beschäftigte, Studierende – in allen Gremien jeweils ein Viertel der Sitze erhalten, dass also keine Statusgruppe allein die Mehrheit halten kann, sondern alle gleich (“paritätisch”) vertreten sind. Das wäre im Vergleich zu dem absurd undemokratischen System heute, welches in vielerlei Hinsicht dem Feudalismus ähnelt, sicherlich ein großer Fortschritt. Die Rechte von Studierenden und Beschäftigten würden enorm gestärkt werden. Entsprechend haben wir in der Vergangenheit diese Forderung auch immer wieder kritisch unterstützt.

Doch auch wenn das viel besser wäre als der jetzige Zustand, kann es nicht dabei stehen bleiben, aus mehreren Gründen:

Erstens ist die Viertelparität selbst formal immer noch nicht demokratisch, denn weiterhin wären die Stimmen der Statusgruppen äußerst ungleich gewichtet: Ein paar Hundert Profs bekämen mehr Stimmen als tausende Beschäftigte und zehntausende Studierende. Und noch schlimmer: Häufig regiert das Präsidium der Hochschule einfach direkt an den Gremien vorbei. Dagegen fordern wie die Abschaffung der völlig undemokratischen Institution des Präsidiums. Und noch mehr: Wir treten für ein System ein, in welchem jede Stimme gleich viel gewichtet ist: eine Person, eine Stimme. Denn die überwältigende Mehrheit an der Uni sind Studierende und Beschäftigte, warum sollten sie nicht über die Universität bestimmen können?

Zweitens – und dieser Punkt ist noch viel wichtiger – zielt der Vorschlag der Viertelparität nur auf eine verbesserte Repräsentation ab, jedoch nicht darauf, die große Mehrheit der Betroffenen tatsächlich aktiv einzubeziehen. Es reicht nicht aus, die Gremien einfach ein bisschen repräsentativer zu gestalten, wenn die Vertreter:innen in den Gremien gegenüber der Mehrheit der Studierenden und Beschäftigten gar nicht verantwortlich sind.

Um das zu überwinden, müssen die gewählten Vertreter:innen in den Gremien jederzeit rechenschaftspflichtig und abwählbar sein. Das geht nur, wenn es regelmäßige Versammlungen von Studierenden und Beschäftigten gibt, in denen über alle wichtigen Fragen diskutiert und abgestimmt sind, und wo die Vertreter:innen in den Hochschulgremien an die Entscheidungen der Versammlungen gebunden sind.

Und drittens ist die Frage, wem die Uni gehört, nicht nur eine der demokratischen Prozeduren. Sie ist ausschlaggebend dafür, welchen Interessen die Lehre und Forschung dient: den Interessen des Kapitals und damit dem Profit von einigen Wenigen, oder den Interessen der großen Mehrheit der Bevölkerung? Zuallererst ist damit auch die Frage des Zugangs zur Hochschule gestellt: Denn wie kann ein Hochschulsystem, das auf der Auslese von Eliten basiert, überhaupt demokratisch sein? Im Gegensatz dazu fordern wir den uneingeschränkten Hochschulzugang für alle und die entsprechende Ausfinanzierung der Hochschulen. Die Entscheidung über Lehr- und Forschungsinhalte ist ebenfalls keine formelle, sondern eine fundamental politische. Wir wollen eine Universität, die sich in den Dienst der Ausgebeuteten und Unterdrückten stellt. Eine Universität, in der die Inhalte nicht dazu da sind, einfach “funktionierende” Arbeitskräfte auszubilden und die Forschung der Profitgier von Unternehmen dient. Wir wollen eine Universität, in der Lehre und Forschung den großen ungelösten gesellschaftlichen Fragen wie soziale Ungleichheit, Klimakatastrophe, Pandemiekrise und vielen anderen dienen.

Das alles wird uns nicht geschenkt. Im Gegenteil zeigt die geplante Hochschulreform, dass die Herrschenden genau in die entgegengesetzte Richtung marschieren wollen: Sie wollen noch mehr Elite und noch mehr Profite für die Bosse.

Um nicht nur das zurückzuschlagen, sondern auch eine vollständig andere Universität zu erkämpfen, brauchen wir eine starke Studierendenbewegung, die sich mit den Beschäftigten der Universität und darüber hinaus mit der Arbeiter:innenbewegung und ihren Kämpfen zusammenschließt.

Nur die Einheit von Arbeitenden und Studierenden gegen die Interessen des Kapitals kann die Antwort sein: Wem gehört die Uni? Uns! 

Fußnoten:
1. Das Organigramm ist eine grafische Darstellung der Aufbauorganisation einer Organisation, welche deren organisatorische Einheiten, Aufgabenverteilung (bzw. Hierarchieebenen) und Kommunikationsbeziehungen offenlegt. (Wikipedia)

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