Alle gemeinsam gegen Union-Busting

22.07.2023, Lesezeit 5 Min.
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Bleibt laut: Leonie auf der Gewerkschaftsdemonstration zum 1. Mai in München. Foto: Emma Laraine (KGK)

Alle reden von Union Busting. Aber was ist das eigentlich?

Symbolisch steht für Union Busting in Deutschland bis heute die fristlose Kündigung gegen die Gewerkschafterin und ehemalige Kaiser‘s-Kassiererin Barbara „Emmely“ Emme. Emmely wurde vorgeworfen, Pfandbons in Höhe von 1,30 Euro eingelöst zu haben. Nach langen Jahren des unermüdlichen Kampfes gewann sie: Das Unternehmen wurde gezwungen, sie wieder einzustellen. Dennoch versuchen Bosse immer wieder, gewerkschaftliche Strukturen zu zerschlagen.

Auch wir kämpfen gerade gegen Union Busting und die Einschüchterung durch unsere Geschäftsführungen: Leonie aus dem Kreißsaal Neuperlach in München gegen eine Abmahnung und jetzt auch Inés als Schulsozialarbeiterin aus Berlin gegen eine fristlose Kündigung. Doch diese Angriffe sind nicht nur einzelne Attacken auf uns, sondern Teil eines größeren Systems.

Es steht immer im Interesse der Bosse, die Organisierung von Kolleg:innen im Betrieb zu erschweren. So können sie die Kontrolle über Arbeitsbedingungen und Löhne behalten. Dabei sind ihre Sabotageversuche manchmal mehr, manchmal weniger professionell. Und: Manchmal führen Chefs sie ganz höchstpersönlich durch, manchmal heuern sie dafür sogar externe Unternehmen an. Deshalb stehen wir heute vor einem ganzen Netz an Anwaltskanzleien, PR-Agenturen, Stiftungen und Universitätsinstituten, die sich allesamt auf Arbeits(un)recht spezialisiert haben.

Ein bekanntes Beispiel stellt die 1850 gegründete „Detektei“ Pinkerton dar. Ihr Name wird mit massiven und teilweise physischen Angriffen auf Streikende und Arbeiter:innen im 19. Jahrhundert assoziiert. Sie ist allerdings bis heute im selben dreckigen Geschäft: So beauftragte Jeff Bezos Pinkerton im Jahr 2020 mit der Überwachung seiner Mitarbeiter:innen. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um eine lediglich US-amerikanische Praxis. Vielmehr wurden im Frühjahr dieses Jahres auch hierzulande die Streiks der LKW-Fahrer:innen von der Truppe eines Privatdetektivs, die ihr Chef engagiert hatte, gewaltvoll angegriffen.

Zudem werden zwar oft gezielt einzelne kämpferische Kolleg:innen ins Visier genommen – doch geht es um mehr. Man versucht mit allen Mitteln, die Gründung eines Betriebsrats zu verhindern, wie zum Beispiel im Fall der Hostelkette Wombats. Unter anderem zahlte das Unternehmen Überstunden nicht aus, woraufhin die Belegschaft sich organisierte. Das Management reagierte mit Wahlanfechtung, Verleumdungen sowie Drohungen. Um die kämpferischen Beschäftigten loszuwerden, schloss es letzten Endes sogar das Berliner Hostel.

Oft wird auch versucht, mit sogenannten gelben Listen zu Betriebsratswahlen anzutreten. Bei den Kandidat:innen auf solchen Listen handelt es sich um Personen, die der Geschäftsführung nahestehen.

Eine andere Möglichkeit, die Gründung von Betriebsräten zu umgehen, ist Outsourcing. Das ist ein anderes Wort für das Auslagern eines Teils eines Betriebs an andere Unternehmen, also die künstliche Aufteilung der Belegschaft in verschiedene Subunternehmen. In der Folge haben Kolleg:innen, die tagtäglich zusammenarbeiten, verschiedene Arbeitsbedingungen und -rechte, da sie dann nach verschiedenen Tarifverträgen – oder gar keinem – angestellt sind.

So wollte die Geschäftsführung des Lieferdienstes Gorillas alle Berliner Lagerhäuser in eigene GmbHs umwandeln. Auf diese Art und Weise hätte sie ihrer Meinung nach vor Gericht argumentieren können, es würde die große Firma Gorillas nicht mehr geben, für die 2021 ein Betriebsrat gewählt wurde. Denn die Beschäftigten kämpften erfolgreich gegen den Versuch, die Wahl gerichtlich verbieten zu lassen, und gründeten einen Betriebsrat. Der Klassenkampf von oben richtet sich daher eben nicht nur gegen Kolleg:innen, die sich wehren, sondern gegen ganze Belegschaften.

In Deutschland wurden sehr viele Arbeitsrechte erkämpft, doch Papier ist geduldig – vieles, was irgendwo abgedruckt wird, wird einfach nicht umgesetzt. Die Aktion Arbeitsunrecht vermutet, dass die Strafbarkeit der Verhinderung von Betriebsratsgründungen und -arbeit eine der am seltensten durchgesetzten Sanktionen im deutschen Gesetz ist.

Viele der Maßnahmen, die zum Union Busting genutzt werden, sind rechtlich eigentlich nicht haltbar und dienen in erster Linie der Einschüchterung. Letztlich geht es also darum, ob und wie wir uns dazu verhalten. Durch Schikanen im Betrieb oder eben plötzlichen Lohnausfall wegen fristlosen Kündigungen, wie bei Inés, wird ein hoher Druck auf Kolleg:innen ausgeübt. Ohne starke Solidarität und materielle Mittel, um den eigenen Lebensunterhalt und den der eigenen Kinder zu sichern, ist es schwer, dem standzuhalten. Viele sind deshalb gezwungen, den Betrieb mit einer Abfindung zu verlassen. Auch auf journalistische Berichterstattung wird Druck ausgeübt, um solche Prozesse zugunsten der Unternehmer:innen zu beschönigen oder unter den Teppich zu kehren.

Doch alle, die nicht so gehen, stärken die Organisierung und die Moral in unseren Betrieben und lehren uns, dass man sich gegen die Bosse auflehnen kann. Sich mundtot machen zu lassen, kann nicht unsere Antwort sein. Denn dann wären wir ein Teil eines Teufelskreises, der immer schlechtere Arbeitsbedingungen erzeugt.

Aus diesem Grund kämpfen wir gegen die Repression, die wir erfahren. Wir sammeln Unterschriften für die Zurücknahme von Leonies Abmahnung und gegen Inés‘ Kündigung sowie Spenden, damit sie physisch und psychisch weiter dafür einstehen kann, dass die Kürzungen im öffentlichen Sektor ein Angriff auf die Gesamtgesellschaft sind, weil die Bildung und die Betreuung von Kindern und Jugendlichen eines unserer größten Güter ist.

Es geht darum, ein Zeichen zu setzen für alle Kolleg:innen, die sich nicht unterkriegen lassen wollen – um zu zeigen, dass sich kämpfen lohnt und wir gemeinsam stärker sind als die Chefs.

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