Gegen Genozid, Aufrüstung und Kürzungen: Die Aufgaben der feministischen Bewegung in Zeiten des Rechtsrucks

26.11.2023, Lesezeit 25 Min.
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Foto: Baki / Klasse Gegen Klasse

Die feministische Bewegung in Deutschland muss sich fragen: Wie lässt sich der Kampf für ein Ende der Unterdrückung mit dem Kampf gegen Rechts verbinden?

Das Jahr 2023 neigt sich dem Ende zu und somit stand auch der 25. November wieder an, der internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und all denjenigen, die von patriarchaler Gewalt betroffen sind. An diesem Tag unsere Wut über die Unterdrückung, die wir erfahren, auf die Straße zu tragen, bleibt weiterhin so wichtig und schmerzhaft aktuell. Im vergangenen Jahr wurden rund 89.000 Frauen und Mädchen weltweit ermordet, die höchste Zahl, die innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte verzeichnet wurde. Bei mehr als der Hälfte ging die Gewalt von Partnern oder Personen aus der Familie aus. Laut einer Hochrechnung der Frauenhauskoordinierung e.V. hätten innerhalb des letzten Jahres in den 400 Frauenhäusern in Deutschland 14.400 Frauen und 16.670 Kinder Schutz gesucht. Die Kampagne One Billion Rising meldet bereits 169 Femizide (Stand 22. November), also Morde an Frauen und Mädchen, weil sie weiblich sind. Blicken wir etwas weiter dieses Jahr zurück, erinnern wir uns an erschreckende Studien zum Thema patriarchale Gewalt: So etwa die des Kinderhilfswerks Plan International zum Thema Männlichkeit, bei der junge Männer im Alter von 18 bis 35 Jahren interviewt wurden. Mehr als ein Drittel der Befragten (34 Prozent) gab an, dass sie „gegenüber Frauen schon mal handgreiflich werden, um ihnen Respekt einzuflößen“, 33 Prozent fänden es akzeptabel, wenn es bei einem Streit mit der Partnerin zu Gewalt kommt. Auch die Mitte Juni veröffentlichte Recherche der Welt am Sonntag zeigte eine Zunahme von gemeldeter häuslicher Gewalt von 2021 auf 2022 um fast zehn Prozent. Die Dunkelziffer wird noch weitaus höher liegen.

Die unmittelbare körperliche Gewalt gegen Frauen und Queers nimmt zu. Doch die sexistische Gewalt hat weitere Formen. Ihre Auswirkungen finden sich in einer Diskursverschiebung nach rechts ebenso wie in der kapitalistischen Kürzungspolitik, von der Frauen und Queers überproportional betroffen sind. Wenn wir derzeit über Gewalt gegen Frauen sprechen, dürfen wir vom israelischen Massaker in Gaza nicht schweigen. Wir wollen diskutieren, wie diese Formen der Gewalt verbunden sind, um eine Perspektive vorzuschlagen, wie die feministische Bewegung hierzulande nicht bei der Anklage stehen bleiben muss. Die erschreckenden Zahlen zur Zunahme physischer Gewaltbereitschaft stehen nicht im luftleeren Raum. Sie müssen im Kontext der politischen Situation in Deutschland betrachtet werden. Und diese ist von einem besorgniserregenden politischen Rechtsruck geprägt. Die Zahlen reihen sich ein in den Vormarsch der AfD und die Rechtsentwicklung der selbsternannten „Fortschrittskoalition“. Nachdem kürzlich das Urteil des Bundesverfassungsgericht und damit die Krise um den Bundeshaushalt bekannt wurde, verkündete Friedrich Merz, dass jetzt eben nicht mehr alles ginge. Er meinte damit, dass es nun eben unter anderem massive Abstriche im Sozialen brauche. Ganz konkret will er das Vorzeigeprojekt der Grünen, die Kindergrundsicherung, ausnahmslos streichen. Ein Projekt gegen Armut von Kindern und Familien, das in langen Verhandlungen von ehemals geforderten 12 auf bereits lediglich 2,4 Milliarden Euro gekürzt wurde. In einem Land, in dem auch bedingt durch Inflation und enorme Reallohnverluste jedes fünfte Kind und jede:r fünfte Jugendliche als armutsgefährdet gilt. Im Versuch, diese Angriffe auf die Lebensbedingungen junger Menschen zu rechtfertigen, während Unternehmen subventioniert werden und Steuererleichterungen erhalten, bediente sich Finanzminister Christian Lindner damals rassistischer Narrative.

Und dabei blieb es nicht. Auch in der Debatte um die massiven Einschränkungen des Asylrechts wurde sich erneut rhetorisch rassistischer Spaltung bedient, um Abschiebungen, erweiterte Abschiebehaft, Leistungskürzungen und Sachmittelerhalt anstelle von Geld durchzubringen. Denn Geld für Unternehmen, für weitere Waffenlieferungen in die Ukraine in Milliardenhöhe, für eine Strompreisbremse für Großkonzerne, die verpflichtende Einhaltung des Zwei-Prozent-Ziels der NATO oder den Ausbau der Polizei ist vorhanden. Gerade letzterer wird nun weiterhin rassistisch durch die Delegitimation und Kriminalisierung der Proteste gegen den Genozid in Gaza begründet.

Gleichzeitig war dieses Jahr auch geprägt von einem Anstieg des Klassenkampfes, sowohl in Deutschland als auch international. Es gab eine kämpferische Runde im TVöD, bei der einzelne Streiktage so groß waren, wie seit Jahrzehnten nicht mehr, und bei der der Nahverkehr teilweise mit den anderen Teilen des öffentlichen Dienstes gemeinsam streikte – das heißt mit ihren größtenteils weiblichen Kolleg:innen im Erziehungs- und Gesundheitssektor. Der TVL, in dem sich ebenfalls viele feminisierte Sektoren befinden,startete letzte Woche mit großer Beteiligung und Kampfeswillen. Auch eine Politisierung der Streiks ist zu beobachten: Der Nahverkehr verbündete sich mit der Klimabewegung. Lehrer:innen in Berlin streiken für kleinere Klassen und nicht nur für höhere Löhne. Der bemerkenswerte wilde Streik im Hamburger Hafen stellte sich gegen die Privatisierung, die die Stadt Hamburg vorantreibt.

International war in den letzten Monaten der Streik der Hollywood-Drehbuchautor:innen und Schauspieler:innen ein großes Thema in den internationalen Medien, der ganze vier Monate andauerte. Anfang des Jahres erlebten wir in Frankreich sogar einen vorrevolutionären Moment, als unter dem Druck massiver Proteste gegen eine Rentenreform die fünfte Republik schwächelte. Die internationalen Massenmobilisierungen in Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung nehmen neue Ausmaße an, Arbeiter:innen in Südengland blockierten die Waffenfabrik einer Tochtergesellschaft des israelischen Rüstungskonzerns Elbit Systems, während Transportgewerkschaften in Belgien sich weigerten, Waffenlieferungen nach Israel durchzuführen.

Während wir also eine Rechtsentwicklung beobachten können, sehen wir gleichzeitig auch nationale und internationale Aktivitäten des Klassenkampfes sowie eine politisierte Jugend, die sich auf der Straße und in Komitees an den Universitäten gegen den Genozid in Gaza und die rassistische Hetze ihrer Regierungen stellt und erkennt, dass der Kampf gegen den Mord an der palästinensische Bevölkerung auch ein feministischer ist. Es ist also zentral sich zu überlegen, wie wir hier in Deutschland gegen den Rechtsruck und damit verbunden gegen jede sexistische und queerfeindliche Unterdrückung kämpfen müssen –unabhängig vom kapitalistischen Staat, der auf die Aufrechterhaltung der gewaltvollen Ausbeutung und Unterdrückung angewiesen ist und auf den wir uns im Kampf für eine befreite Welt nicht verlassen können. Dieser Artikel soll einen Überblick über die nationale Situation in Bezug auf Sexismus und Queerfeindlichkeit schaffen, um anhand dieser Analysen eine Erklärung der verschiedenen Auswirkungen von patriarchaler Gewalt darzulegen und zu erklären, wie die Ampelregierung zum Erhalt und zur Vertiefung dieser maßgeblich beiträgt. Schließlich wollen wir einen Weg für eine sozialistisch-feministische und antiimperialistische Perspektive im Kampf gegen Unterdrückung vorstellen.

Patriarchale Gewalt und ihre Ausdrucksformen

Neben der oben genannten Zunahme an Gewalt gegen Frauen und Mädchen ließ sich auch ein Anstieg an queerfeindlicher Gewalt verzeichnen. Obwohl es dieses Jahr so viele Pride-Veranstaltungen wie noch nie mit einer ebenso rekordverdächtigen Anzahl an Besucher:innen gab, häufen sich leider genauso die Meldungen über Gewalt gegen queere Personen. Allein innerhalb des vergangenen Jahres sollen 1.400 Vorfälle gemeldet worden sein. Auch hier lässt sich von einer viel höheren Dunkelziffer ausgehen. Während Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sich besorgt angesichts dieser Zahlen äußert, koaliert ihre Partei gleichzeitig in Berlin mit einer von denjenigen, die ihre queerfeindliche Hetze offen erklären – der CDU. So stellte sich deren bayerische Schwesterpartei CSU im Sommer noch vehement gegen die Lesung einer jungen trans Autorin in München, wobei ihr dann auch die AfD und diverse Rechte zur Seite standen. Auch der Münchner Oberbürgermeister und Faesers Parteikollege Dieter Reiter äußerte sich gegenüber der Bild erst queerfeindlich, ruderte dann aber wieder zurück.

Dass es bei allen vermeintlich besorgten und solidarischen Worten, die SPD-Politiker:innen von sich geben, nicht wirklich um eine Verbesserung des Lebens für queere Personen und Schutz vor Gewalt geht, hat uns spätestens das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz gezeigt, das im Sommer als die vermeintlich queere Errungenschaft der Ampelregierung im Kabinett beschlossen wurde. Zwar fallen die meisten Teile der SPD, der Grünen oder der FDP nicht medial mit queerfeindlicher Hetze auf, sie passten sich jedoch dem massiven Druck von rechts durch CDU und AfD an und sprachen sich für ein gefährliches Überwachungsgesetz aus. Als wären die sich vorbehaltene Möglichkeit der Regierung, in Zeiten des Krieges trotz geänderten Geschlechtseintrags trans-feminine Personen einzuziehen , und die rassistischen Tatsache, dass Asylbewerber:innen, deren Aufenthaltsgenehmigung bald enden soll, keine Änderung vornehmen dürfen, nicht schon schlimm genug, hat sich die Ampel noch ein Stück weiter an die rechte Opposition angepasst: So sollen nach einer Änderung automatisch sensible Daten an mehrere Sicherheitsbehörden wie das Bundeskriminalamt, die Landeskriminalämter, die Bundespolizei, den Verfassungsschutz, den Militärischen Abschirmdienst und weitere übermittelt werden. Und das ganz unabhängig davon, ob die Person jemals Kontakt mit eben diesen Ämtern hatte. Nancy Faeser war an diesem Entschluss beteiligt.

Doch nicht nur die Aspekte der Angriffe auf der Straße oder der Gewalt, die in der eigenen Wohnung stattfindet, zeichnen das vollständige Bild der sexistischen und queerfeindlichen Unterdrückung, die wir in diesem System erleben. Denn ja, das Patriarchat ist weitaus älter als der Kapitalismus. Doch letzterer hat sich die Unterdrückung von Frauen und queeren Personen massiv angeeignet, sie geformt und angepasst – mit dem Ziel, ebendiese zur Logik der Profitmaximierung zu nutzen. Patriarchale Gewalt hat in diesem System verschiedene Ausdrucksformen. Patriarchale Strukturen und sexistische Ideologie ermöglichen, verursachen und bedingen eine lange Kette der Gewalt, die beim Lächerlichmachen und dummen Sprüchen beginnt und über Kontrolle und Schläge bis hin zu sexualisierter Gewalt und Femizid reicht. Dies formt die Subjektivität von Frauen, Mädchen und queeren Menschen, sodass Männer durch sexistisches Verhalten und patriarchale Gewalt eine Rolle im Erhalt des Status quo innehaben können und so dem Kapitalismus in die Hände spielen.

Im Artikel Von der Belästigung zum Frauenmord: Die Kette der Gewalt schreibt Lilly Freytag:

Wir reden von einer Kette der Gewalt, weil diese Arten der Gewalt miteinander verbunden sind, sich gegenseitig ermöglichen und stützen und in der Subjektivität der Frauen miteinander in Verbindung stehen und einen Zusammenhang der Unterdrückung bilden.

Sie sind teils direktes Resultat der kapitalistischen Produktionsweise und seiner Arbeitsorganisation, teils Resultat einer sexistischen Ideologie, die sich auf der materiellen Basis des Kapitalismus und seiner Aufteilung der Menschen in Männer und Frauen als Ausdruck von Träger:innen verschiedener Arbeitsfunktionen und Formen der Ausbeutung entwickelt.

Diese Gewalt, der wir ausgesetzt sind, äußert sich im Kapitalismus auch noch auf einer anderen, ebenfalls materiell greifbaren Ebene, ausgeübt von der herrschenden Klasse und ihren Vertreter:innen. Dazu gehören die doppelte Bürde von Lohn- und Care-Arbeit, das in den meisten Ländern fehlende Recht, selbst über unsere Körper bestimmen zu können, stetig niedrigere Löhne als unsere männlichen Kollegen, schlechte Bezahlung und Kürzungen in gerade den Sektoren, in denen zu großen Teilen Frauen arbeiten, Outsourcing und prekäre Arbeitsbedingungen. Das alles führt zu einer oftmals schlechteren materiellen Lage, die sich auf die Gesundheit, Integrität und Lebenserwartung auswirkt.

Frauen arbeiten – eben auch, weil ihnen gesellschaftlich der Großteil der ins Private gedrängten Care-Arbeit zugeschrieben wird – in „atypischen“ Beschäftigungsverhältnissen, wie Teilzeitarbeit, Leiharbeit oder befristeten Beschäftigungsverhältnissen. Laut der Hans-Böckler-Stiftung befand sich 2017 fast jede dritte Frau in einem solchen prekären Beschäftigungsverhältnis, bei Männern waren es hingegen nur etwa 12 Prozent. Migrantische Frauen sind davon noch einmal anteilig mehr betroffen. Die Auswirkungen dessen zeigen sich vor allem materiell und bedingen mitunter beispielsweise, wie abhängig jemand finanziell von seinem Partner ist – und damit auch, ob man sich in Fällen von häuslicher Gewalt aus der Beziehung lösen kann. Doch auch bei den Frauen, die Vollzeit arbeiten, sieht es materiell nicht sonderlich besser aus. Von denen, die eine 40-Stunden-Woche haben, bekommen trotzdem ganze 38 Prozent eine Rente von weniger als 1.000 Euro netto und fallen damit in die Altersarmut. Das bedeutet auch, sich die Wohnung vielleicht nicht mehr leisten zu können, zu wenig Geld für gute Mahlzeiten zu haben, Pfand sammeln zu gehen oder auf die Tafel zu vertrauen, um über die Runden zu kommen.

Bei den Frauen, die trotz jahrzehntelanger Arbeit so unglaublich wenig Geld zum Überleben haben, wird der Grund oftmals bei der Art der Tätigkeit gefunden, der sie nachgehen. Viele von ihnen arbeiten in stark feminisierten Sektoren wie Erziehung, Gesundheit, Soziales oder Bildung. Und genau diese sind es, die direkt oder indirekt vom Staat finanziert sind und in denen zuerst gespart wird. Das trifft die Frauen, die in diesen Sektoren arbeiten, direkt, doch ein Fehlen dieser sozialen Infrastruktur heißt, dass auch mehr private Care-Arbeit anfällt, die letztlich auch wieder Frauen machen.

Während die „Fortschrittsregierung“ ein Sondervermögen für das deutsche Militär quasi über Nacht verabschiedete, bedeuten (nicht nur) die letzten Tarifrunden für beispielsweise den stark weiblichen Gesundheitssektor Reallohnverluste. Damit befeuert sie indirekt die schlechte materielle Situation von Millionen von Frauen und trägt zu Armut und Arbeitsleid bei, um den deutschen Imperialismus zu stärken. Wegen des Personalmangels und schlechter Arbeitsbedingungen prägt diese Sektoren außerdem ein hohes Maß an Arbeitsbelastung, das sich häufig in Krankheiten niederschlägt. Doch auch im Bereich des gerade streikenden Einzelhandels, wo etwa 67 Prozent der Beschäftigten weiblich sind, bekommen Frauen bei gleicher Qualifizierung weniger Lohn: Mit zehn Jahren Berufserfahrung verdienen Frauen im Schnitt 2.240 Euro brutto, circa 240 Euro weniger als ihre männlichen Kollegen. Im Verlauf der Berufstätigkeit steigt der Unterschied im Verdienst bis auf 16 Prozent an. „70 Prozent der Beschäftigten im Handel sind akut von Altersarmut bedroht“, so Hubert Thiermeyer, der Verhandlungsführer der Gewerkschaft ver.di in der aktuellen Tarifrunde im bayerischen Einzelhandel. Wem das nützt, erfährt man, wenn man sich die zehn reichsten Personen in Deutschland einmal ansieht: Vier von ihnen haben ihr Vermögen aus dem gigantischen Profit großer Supermarktketten wie Aldi oder Lidl.

Der Feminismus der Ampel ist Teil des Problems

Auch wenn die jetzige Regierung sich gerade zu Beginn ihrer Legislaturperiode als feministisch verkaufen wollte, hat sie die materielle Lage von Frauen und queeren Personen verschlechtert. Zwar gab es zum Start die wichtige Streichung des Paragraphen 219a im Strafgesetzbuch. Dieser verbot die „Werbung“, also die reine Information darüber, ob Ärzt:innenpraxen Schwangerschaftsabbrüche anbieten, sowie nähere Informationen über die Durchführung. Natürlich ist es eine Errungenschaft, sich bei Bedarf über Praxen im Internet informieren zu können und zu wissen, wo ein Schwangerschaftsabbruch möglich wäre. Doch erstens sind Schwangerschaftsabbrüche immer noch illegalisiert und auch die Streichung von 219a wurde uns nicht von der Ampel aus reiner feministischer Solidarität geschenkt. Sie ist eine Folge der Kämpfe und Mobilisierungen von Feminist:innen auf der Straße. Und zweitens führt die Fiskalpolitik von Bund und Ländern zu einer Verschlechterung der Gesundheitsversorgung und erschwert damit auch den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen. Denn das Geld für den Ausbau der Bundeswehr muss irgendwoher kommen – schließlich will die Ampelregierung weder die Schuldenbremse abschaffen noch die Steuern für Vermögende erhöhen. Die Folge ist eine rigorose Kürzungspolitik.

So war im Haushaltsentwurf für Berlin, der final im Dezember verabschiedet wird, die Rede davon, bei den Schwangerschaftsberatungsstellen allein für die Jahre 2024 und 2025 jeweils rund eine Million Euro zu kürzen. Ein Beratungsgespräch wahrzunehmen ist Pflicht, bevor überhaupt ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt werden kann. Die Förderung solcher Einrichtungen ist keine reine Nettigkeit, sondern gesetzlich im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt. Ebenfalls festgeschrieben ist hier auch ein fester Personalschlüssel auf die Einwoher:innenzahl von eine:r Berater:in in Vollzeit oder den entsprechenden Teilzeitstellen auf 40.000 Bewohner:innen. Allein in Berlin fehlen für den gesetzlichen Personalschlüssel bereits jetzt 18,7 Prozent des Personals. Selbst bei einem Ausbau steht einer guten Versorgung der enorme Fachkräftemangel im Wege, der auch aus schlechter Bezahlung und oftmals stressigen Arbeitsbedingungen resultiert.

Wenigstens diese angedrohte Kürzung ist nun vorerst abgewendet, nachdem Beschäftigte aus den betroffenen Sektoren protestiert hatten. CDU und SPD einigten sich im Berliner Gesundheitsausschuss die Mittel auch im kommenden Haushalt bereitzustellen. Aufgrund der Inflation ist jedoch auch dieses Ergebnis eine reale Kürzung.

Die Versorgung für sichere, gute Geburten wird ebenfalls durch das profitorientierte Gesundheitssystem immer prekärer. Das Schließen von Kreißsälen führt dazu, dass Gebärende teils enorm lange Strecken auf sich nehmen müssen, um zum nächsten Kreißsaal zu kommen. Ganz zu Schweigen davon, dass eine Geburt ja nicht erst beim Eintreten der Wehen beginnt, sondern dass es dafür eine gute Vorbereitung und auch dort schon Versorgung braucht. Wenn kämpferische Kolleg:innen diese Verhältnisse anklagen, werden sie mit Repressionen belangt, wie es unserer Genossin Leonie, die Hebamme in einem Münchner Kreißsaal ist, passiert ist.

Auch Hilfs- und Präventionsangeboten, die patriarchale Gewalt vorbeugen sollen, wollte die schwarz-rote Berliner Landesregierung die Gelder kürzen. Betroffen davon wäre beispielsweise ein Präventionsangebot von BIG e.V., das sich an Grundschüler:innen, Eltern und pädagogische Fachkräfte wie Lehrer:innen richtet. Auch Frauenhäuser und Zufluchtswohnungen gibt es immer noch zu wenig. Während Ampel-Politiker:innen sich zwar geschockt bezüglich der diesjährigen Zahlen zum Anstieg patriarchaler Gewalt zeigten und einen Ausbau der Frauenhäuser versprachen, hatte die Regierung jedoch bereits für den Bundeshaushalt 2023 zehn Millionen Euro für eben genau diesen gekürzt. In Deutschland fehlen etwa 15.000 Frauenhausplätze. Etliche Zufluchtsuchende müssen ihren Aufenthalt sogar selber zahlen, nämlich alle, die keine Sozialleistungen empfangen, wie es die Frauenhauskoordinierung e.V. schildert. Zwischen zehn und 150 Euro pro Tag kostet der Aufenthalt je nach Region. Die Lage ist so katastrophal, dass einige Beschäftigte aus autonomen Frauenhäusern diesen März bundesweit in den Streik traten. Doch selbst bei einer massiven Investition in Frauenhäuser, die es unbedingt bräuchte, muss beachtet werden, dass eine Unterbringung dort keine Endstation sein kann und darf. Die Frage der Frauenhäuser ist auch unmittelbar mit der Frage von bezahlbarem Wohnraum verbunden, der für betroffene patriarchale Gewalt und ihre Kinder unbedingt zugänglich sein muss – gerade wenn wir bedenken, dass die materielle Lage von Frauen, wie weiter oben geschildert, oftmals prekär bleibt. Und weder in Bezug auf bessere Löhne in feminisierten Sektoren noch gegen die massiv steigenden Mieten hat die Regierung Verbesserungen bewirkt.

Zuletzt zeigt sich der heuchlerische Feminismus der Ampel deutlich am Beispiel der vermeintlich feministischen Außenpolitik und ganz konkret an der Unterstützung und Finanzierung eines Genozids, bei dem Frauen und Kinder rund 68 Prozent der Ermordeten ausmachen sollen. Im März wurden die Leitlinien der Außenpolitik noch einmal konkretisiert und in einem Papier zusammengetragen. Maßgeblich beteiligt war hierbei auch Kristina Lunz, CEO des Centre for Feminist Foreign Politics. Lunz verfolgt einen Feminismus, der sich auf die Fahne schreibt, durch Reformen und Gesetze die sexistische Unterdrückung zu bekämpfen. In ihrem Buch sucht man vergeblich nach einem Zusammenhang zwischen sexistischer Unterdrückung und Kapitalismus. Als Antwort auf die Frage, wie Sexismus verschwinden kann, findet man ein Plädoyer für eine starke zivilgesellschaftliche Bewegung, die lediglich die Regierungen der kapitalistischen Länder etwas mehr unter Druck setzen müsse, feministischer zu agieren. Doch muss man ihr zu Gute halten, dass sie sich gegen die grausame Ermordung der palästinensischen Bevölkerung in Gaza stellt. Auf Instagram sprach sie sich für eine humanitäre Waffenruhe aus und ist damit der Ampelregierung und ihrem auf dem Leitlinienpapier festgehaltenen Fake-Feminismus einen Schritt voraus. Denn Annalena Baerbock stellte sich bis zuletzt gegen einen Waffenstillstand.

Neben den unzähligen Toten, bei denen das palästinensische Gesundheitsministerium nicht einmal mehr die Todeszahlen aktualisieren kann, führt die Bombardierung von Krankenhäusern, das Abstellen von Strom und Wasser sowie die Blockade von sämtlichen anderen lebensnotwendigen Gütern zu einer katastrophalen Lage. Kaiserschnitte finden ohne Betäubung statt, es gibt keinen Strom, um Frühchen, die auf medizinische Hilfe angewiesen sind, zu versorgen. Die Ampel und allen voran Baerbock verkaufen sich als Feminist:innen, als Friedensverfechter:innen, doch sie liefern Waffen an Länder, die ein unglaubliches Leid über Frauen und Kinder bringen. Erst zuletzt wurde die Höhe der genehmigten Rüstungsexporte an Israel verzehnfacht. Davon profitieren die deutschen Rüstungskonzerne.

Für einen unabhängigen Feminismus, der den Imperialismus bekämpfen kann

Der neoliberale Feminismus von Baerbock und Co. verspricht Aufstieg und individuelle Emanzipation für einige wenige, während der Großteil der Frauen, Mädchen und queeren Menschen weltweit unter Armut, Hunger, patriarchaler Gewalt und Krieg leidet. Wenn die angeblich feministische Regierung heute Beratungsangebote für Frauen in Gewaltsituationen kürzt, Abtreibungen und sichere Geburten durch Krankenhausschließungen erschwert werden, Kürzungen im Sozialem, bei Erziehung und Bildung zu einer noch weiteren Mehrbelastung von Frauen führen, während die Unterstützung von Kriegen, Bombardements und Vertreibung mit dem Kampf für Frauen- und LGBTQIA+-Rechte legitimiert wird – dann zeigt sich glasklar, dass ihr Feminismus nicht der unsrige sein kann.

Doch was ist die Alternative? Angesichts des Vormarsches der frauen- und queerfeindlichen Rechten finden sich viele mit den Brotkrumen ab, die die Ampelregierung uns zuwirft, nach dem Motto: Ohne sie wäre alles noch viel schlimmer. Doch jeder neue Schritt der Regierung nach rechts, jeder neue als Reform verschachtelte Angriff macht nur deutlicher, dass der einzige Weg, unsere Rechte, unsere Körper, unsere Leben – und die der hunderttausenden Frauen, Mädchen und Queers, die weltweit unter der Politik des Imperialismus leiden – zu verteidigen, der Kampf und das Vertrauen in unsere eigenen Kräfte sind. Nur wenn wir uns mobilisieren, nur wenn wir uns organisieren, können wir der Regierung, den Bossen und den Rechten etwas entgegensetzen.

Dabei hilft uns auch nicht die Linkspartei, die sich nach dem Austritt Sahra Wagenknechts wieder als progressive Kraft verkaufen will. Sicher, DIE LINKE stellt sich gegen die häufig transfeindliche und rassistische Rhetorik Wagenknechts. Aber wir haben nicht vergessen, dass sie in ihren Regierungsbeteiligungen Altersarmut, Pflegenotstand, Kitakatastrophe, Abschiebungen und Zwangsräumungen mitgetragen hat. Ganz zu schweigen von der bedingungslosen Unterstützung fast der gesamten Linkspartei für den Staat Israel und das Massaker in Gaza.

Und mehr noch: Die tiefe Integration der Linkspartei in den imperialistischen Staatsapparat hat zur Folge, dass jeglicher Kampf auf der Straße, in den Betrieben, Schulen und Universitäten lediglich als Manövrierbasis zur Erreichung von Zugeständnissen und Posten im bürgerlichen Staat dient. Das haben auch die vergangenen Jahrzehnte der feministischen Bewegung bewiesen, die sich durch einen Prozess der fortschreitenden „NGO-isierung“ immer mehr in den erweiterten Staat integriert und sich von ihm abhängig gemacht hat.

Deshalb ist es für uns zentral, eine unabhängige, antiimperialistische und sozialistische Perspektive im Kampf gegen patriarchale Gewalt und für die queere Befreiung aufzuzeigen. Die Gewalt kann nur abgeschafft werden, wenn wir das patriarchale, kapitalistische System abschaffen. Es kann keine befreite Gesellschaft im Kapitalismus, in einem System, das auf Ausbeutung und Diskriminierung basiert, geben. Keine Person kann frei sein in einem System, welches die Unterdrückung der Frauen, der Arbeiter:innen, der Migrant:innen und der queeren Personen vorantreibt und diese Menschen gegeneinander ausspielt.

Unser sozialistischer Feminismus ist der Kampf gegen jegliche Form von Ausbeutung und Unterdrückung. Das bedeutet, die untrennbare Verknüpfung anzugreifen, die der Kapitalismus und das Patriarchat miteinander eingegangen sind. Sie sind nur gemeinsam zu stürzen.

In der feministischen Bewegung kämpfen wir dafür, eine Allianz mit der Arbeiter:innenklasse zu schmieden, die heute weiblicher, queerer und migrantischer als jemals zuvor ist. Es ist dieselbe Klasse, die einerseits am stärksten von der frauen -und queerfeindlichen Kürzungspolitik der Regierung betroffen ist und andererseits die wichtigsten Hebel im Kampf gegen diese Politik in den Händen hält. Die Arbeiter:innenklasse in ihren strategischen und essentiellen Sektoren in der Industrie, der Logistik und den Dienstleistungen kann, wenn sie sich mit ihren eigenen Methoden organisiert und mobilisiert, die gesamte Gesellschaft zum Stillstand bringen.

Zugleich kämpfen wir innerhalb der Arbeiter:innenbewegung dafür, die Forderungen der Frauen und LGBTQIA+-Personen, der Migrant:innen und aller Unterdrückten in die eigenen Hände zu nehmen. Denn zum einen ist die Arbeiter:innenklasse in ihrem Inneren selbst von patriarchaler und rassistischer Gewalt betroffen und hat deshalb ein Interesse an ihrer Überwindung. Und zum anderen verhindert die sexistische, queerfeindliche und rassistische Spaltung den gemeinsamen Kampf für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung.

Verschiedene Anknüpfungspunkte dafür gibt es heute schon. Davon zeugen einerseits wichtige Erfahrungen der Massenbewegungen der vergangenen Jahre weltweit, wie die große Bewegung für das Recht auf Abtreibung in Argentinien. Andererseits hat die Arbeiter:innenbewegung auch in Deutschland in den vergangenen Jahren gerade auch in stark feminisierten Bereichen wie Gesundheit und Erziehung wichtige Kampf- und Streikerfahrungen gemacht. Nicht nur die Arbeiter:innenklasse in ihrer Zusammensetzung, sondern auch ihre Anführer:innen sind immer häufiger Frauen und queere Menschen.

Parallel zum diesjährigen Tag gegen Gewalt an Frauen finden große Streiks im öffentlichen Dienst statt, wo Lehrer:innen, Erzieher:innen, Sozialarbeiter:innen, Beschäftigte im Gesundheitswesen und viele mehr zu Zehntausenden auf die Straße gehen. Auch in anderen Bereichen, die von der antisozialen und frauen- und queerfeindlichen Kürzungspolitik der Regierung betroffen sind, wird in diesen Tagen gestreikt. Wenn sich diese Streiks zu einer großen Bewegung gegen die Kürzungs- und Aufrüstungspolitik der Regierung entwickeln, können sie nicht nur die Forderungen der Streiks erfüllen, sondern die frauen- und queerfeindliche und rassistische Politik der Regierung zurückschlagen.

Genauso liegt es in der Macht der Arbeiter:innenklasse, den israelischen Genozid am palästinensischen Volk zu stoppen, wie die Beispiele von Hafen-, Flughafen- und Logistikarbeiter:innen in aller Welt zeigen, die in Solidarität mit Palästina streiken und Waffenlieferungen blockieren. Ein Schritt in die richtige Richtung im feministischen Kampf für ein Ende der grausamen Situation in Gaza ist in diesem Sinne auch die Demonstration am 25. November von der Alliance of International Feminists und des International Women* Space in Berlin. Anders als in den vergangenen Jahren war die Demonstration nun nicht mehr nur für FLINTAs, sondern stand allen Personen offen, die sich gegen patriarchale Gewalt, Rassismus und den Genozid in Gaza stellen, um eine größere Kraft auf der Straße zu zeigen. Wir wollen diese Entwicklung positiv hervorheben, weil sie in Richtung einer effektiveren Strategie gegen Gewalt weist – im Sinne eines vereinten Kampfes der gesamten Klasse.

Als sozialistische Feminist:innen sehen wir es als zentrale Aufgabe, darauf hinzuarbeiten. Organisiere dich mit uns für einen antiimperialistischen Feminismus der Arbeiter:innen.

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