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„Die russische Revolution hat Millionen von Frauen und Männern begeistert“ – Interview mit Anton Dannat

11.03.2017, Lesezeit 5 Min.
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Anton Dannat ist Historiker aus Dinslaken. „Der Rote Keil", ein neues Buch über die russische Revolution, hat er soeben im Internet veröffentlicht. Außerdem schrieb er eine Geschichte des französischen Trotzkismus.

Warum lohnt sich die Auseinandersetzung mit der Oktoberrevolution heute?

Meine Arbeit beginnt mit dem Satz: „Die russische Revolution ist das größte historische Ereignis der letzten hundert Jahre“. Sie war der erste Versuch, „den Himmel zu erobern“ – und sie ist gescheitert. Sie hat es nicht vermocht, sich von Russland auf Europa und die ganze Welt auszubreiten.

Die bürgerliche Gesellschaft ist bis heute nicht in der Lage, auch nur ein einziges großes Problem der Menschheit zu lösen. Es wird also immer wieder zu Versuchen kommen, sich von Ausbeutung und Unterdrückung zu befreien. Es gibt allerdings keine Garantie dafür, dass die Herrschenden die Welt nicht in den Abgrund reißen. „Wer nicht bereit ist, aus der Geschichte zu lernen, ist dazu verdammt, ihre Fehler zu wiederholen.“ Deshalb habe ich dieses Buch geschrieben.

Was hat dich animiert, diese jahrelange Forschung zu unternehmen?

Die russische Revolution hat Millionen von Frauen und Männern mit ihren Idealen begeistert. Sie haben manchmal fast unmenschliche Anstrengungen auf sich genommen, um das Ideal der sozialen Gleichheit umzusetzen. Es gibt also überhaupt keinen Anlass daran zu zweifeln, dass unter günstigeren Bedingungen die Arbeiter, die größte soziale Klasse der Welt, diese Ziele verwirklichen können. Es war die Kreativität und der Enthusiasmus der Massen auf politischem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet, die mich fasziniert haben.

Die russische Revolution stütze sich auf Räte der Arbeiter*innen, Soldat*innen und Bauern*Bäuerinnen. Diese Organe der Selbstorganisierung wurden jedoch bald von einer Partei- und Staatsbürokratie verdrängt. War dieser Prozess unvermeidlich?

Es war ein erster Versuch der Weltrevolution. Angesichts der Tatsache, dass die internationalen herrschenden Klassen sich im Kampf gegen die Oktoberrevolution vereinten, um den revolutionären Prozess zu deckeln und die Revolution nicht auf andere Länder übergreifen zu lassen, musste dieser erste Anlauf scheitern. Der „Arsch“ der sich entwickelnden Bürokratie machte die Revolution schneller platt als die Opposition sie analysieren und bekämpfen konnte.

Der bekannteste Historiker der Revolution ist Leo Trotzki. Du stützt dich auch auf seine theoretischen Werkzeuge zum Verständnis der Revolution. Gibt es Momente, wo deine Einschätzung von Trotzkis abweicht?

In seinem sogenannten „Testament“ bemerkte Lenin über Trotzki, er habe einen Hang zum administrativen Regeln von Problemen. Das war von Lenin sehr diplomatisch ausgedrückt, man konnte ihn im „Kriegskommunismus“ auch einen „Macher“ nennen. Im Bürgerkrieg war das sicher ein entscheidendes Element für den Sieg. Trotzkis Vorschlag zur Militarisierung der Arbeit 1919/20 und vor allem seine Rolle als „Schlächter von Kronstadt“ haben aber der revolutionären Bewegung schwer geschadet. Ein großer Teil der Parteimitglieder hielt Trotzki als Führer der Opposition gegen den Stalinismus für nicht glaubwürdig.

Es gab während der Revolution auch die Bewegung des „Proletkults“, an der sich hunderttausende von Arbeitern beteiligten und sich unter widrigsten Bedingungen zu kulturellen Schöpfern entwickelten. Trotzki hat diese Bewegung – möglicherweise theoretisch richtig – aber ausgesprochen arrogant abgebügelt.

Du schreibst am Ende: „Die russische Revolution ist gescheitert.“ Und das stimmt. Der Kapitalismus herrscht immer noch. Welche Bilanz können wir ziehen?

Ich habe meine Schlussfolgerungen im letzten Kapitel in 98 Thesen zusammen gefasst. Dass sich die Menschen immer wieder gegen Ausbeutung und Unterdrückung erheben werden, dazu hätte ich den Text nicht schreiben müssen. Auch dass die arbeitende Klasse, die wesentlich größer als 1917 ist, eine Revolution durchführen muss, ist selbstverständlich. Die arbeitende Klasse braucht dazu eine Partei. Die kann nur erfolgreich sein, wenn sie demokratisch aufgebaut ist. Und sie kann nur im völligen Bruch mit der bürgerlichen Klasse siegen.

In seinen „Aprilthesen“ 1917 forderte Lenin gegen breiten Widerstand seiner Partei diesen Bruch, fand eine Mehrheit dafür und war im Oktober erfolgreich. Der Erfolg im internationalen Rahmen blieb aus, am Ende der zwanziger Jahre kehrte die Parteimehrheit um Stalin wieder zum Bündnis mit „demokratischen“ bürgerlichen Elementen zurück. Das mündete 1935 in der Volksfront und war nur die Wiederaufnahme der sozialdemokratischen Politik unter anderem Namen. Diese Volksfrontpolitik wird von den stalinistischen Parteien aller Couleur heute fortgeführt.

Um es zu wiederholen: Nur eine revolutionäre Arbeiterpartei in völliger Gegnerschaft zur Bourgeoisie könnte heute den Weg zur Revolution bahnen, so klein wie sie heute auch sein mag. Dafür lohnt es sich zu kämpfen!

www.anton-dannat.de

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