Der Streik bei Voith und die Aufgabe einer Arbeiter*innenzeitung

26.05.2020, Lesezeit 8 Min.
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Seit dem 23. April sind die 500 Arbeiter*innen von Voith in Sonthofen im Streik. Die bürgerliche Presse interessiert sich kaum für diesen Streik. Unsere Zeitung Klasse gegen Klasse hingegen schon. Warum wir eine Zeitung für die Arbeiter*innenklasse aufbauen wollen.

TUI, Galeria Karstadt Kaufhof, das DanoneWerk in Rosenheim, Lufthansa und viele weitere Konzerne haben in den vergangenen Tagen und Wochen bereits angekündigt, im Zuge der Corona-Krise zehntausende Arbeiter*innen zu entlassen. Die Arbeiter*innen des Metallbetriebs Voith sind die ersten in dieser Phase, die sich wehren und gegen die Entlassungen und die Schließung ihres Werks streiken – seit über einem Monat. Auch der Kampf der rumänischen Erntehelfer*innen in Bornheim machte deutlich, dass sogar für die niedrigsten Löhne erst gestreikt werden muss.

Der deutsche Staat macht währenddessen riesige Mengen Geld für die Unternehmen locker, finanziert durch die Arbeiter*innen. Während ein*e Hartz IV-Empfänger*in alles aufgebraucht haben muss, um ein paar hundert Euro zu bekommen, bekommen Unternehmen, die schlecht geführt sind und deren Bosse sich die Taschen vollstopfen, problemlos Milliarden Euro. Und trotzdem ist diese staatliche Finanzierung keine Garantie, dass Unternehmen keine Arbeiter*innen entlassen werden, wie der Wirtschaftsminister selbst bestätigt: „Wir können Unternehmen nicht daran hindern, Jobs zu streichen. Wir haben aber alle Voraussetzungen geschaffen, dass das nicht notwendig ist.“

Wie können die Arbeiter*innen aus dieser Situation ausbrechen? Bisher sind die Kämpfe gegen die Auswirkungen der Krise noch vereinzelt, auch wenn sich größere Auseinandersetzungen ankündigen, besonders wenn die Wirtschaftsleistung weiter einbricht. Die Arbeiter*innen brauchen heute ein Sprachrohr, das ihre Interessen gegenüber der Bourgeoisie verteidigt und die vereinzelten Kämpfe miteinander verbindet. Die bürgerlichen Medien, wenn sie überhaupt über Streiks wie bei Voith berichten, positionieren sich nicht für die Forderungen der Arbeiter*innen, sondern wollen ihre „Neutralität“ bewahren. Doch ihre Neutralität ist trügerisch: Die bürgerliche Presse, die vom Geld des Kapitals abhängig ist, kann und will nicht, dass die Erkenntnis aus der Bedeutung eines solchen Streiks an die Massen vermittelt wird.  Wie ist es auch anders zu erwarten, wenn die bürgerliche Zeitungen von TUI, Lufthansa, Voith, Karstadt/Kaufhof Werbegelder in Millionenhöhe bekommen? Nein, diese Medien werden nie für die Verstaatlichung von Voith eintreten. Dafür brauchen die Arbeiter*innen ein eigenes Sprachrohr, welches uneingeschränkt auf der Seite der Ausgebeuteten und Unterdrückten steht.

Was ist die Bedeutung des Voith-Streiks?

500 Arbeiter*innen und ihre Familien verteidigen ihren verdienten Lohn gegen eine reiche Familie, die sich mehr Profit durch die Zerschlagung der Standorte erhofft und sich dabei nicht scheut, für 400.000 Euro jemanden einzustellen, damit er das Leben der Arbeiter*innen zerstört, das diese jahrelang mit Mühe und Fleiß aufgebaut haben. Einen Betrieb, dessen Belegschaft mit 98% für einen Streik gestimmt hat, wollte die Unternehmensleitung mit Streikbruch-Prämien und der Androhung polizeiliche Maßnahmen spalten. Die Einheit der Arbeiter*innen ist das letzte, was ein Unternehmen sich wünscht.  Deshalb ist jeder Versuch, die Arbeiter*innenklasse nach Geschlecht, Herkunft, Nationalität, Verträgen (Fest- oder Leiharbeit) usw. zu spalten, eine Politik der Bosse. Wir brauchen dagegen heute nötiger denn je die Einheit der Arbeiter*innen, um Voith gegen die Bosse und ihren sehr gut bezahlten Manager zu verteidigen.

Ferner hat die Verteidigung der eigenen Arbeitsplätze mit Streiks in einer Phase angekündigter großer Entlassungswellen einen Vorbildcharakter für die gesamte Klasse. Die Unternehmensleitung spielt auf Zeit und auf ihre eigene konsequente Ablehnungspolitik, sowie auf die Passivität der IG-Metall-Führung, um den Streik der Arbeiter*innen zu zersetzen. Sie will den Arbeiter*innen einreden, dass der Kampf bereits verloren und jegliche Versuche zwecklos wären. Doch ein bisher passiv geführter Kampf seitens der IG-Metall-Führung ist kein Beweis für die Ausweglosigkeit des Kampfes. Denn noch längst sind nicht alle Wege ausgeschöpft, um Voith zu verteidigen. Heute ist die Urabstimmung über den Sozialvertrag, der die Arbeiter*innen nicht mal diskutieren konnten und der auf Grundlage der Erpressung der Unternehmensführung durch die Gewerkschaftsbürokratie der IG Metall angesetzt wurde. Hier zeigt sich, dass das Interesse der Arbeiter*innen nicht durch die Bürokratie der IG-Metall vertreten wird.

Zur Verteidigung von Voith  bei einer Verschiebung der Urabstimmung oder Ablehnung des Sozialvertrages kann und sollte eine große bundesweite Kampagne organisiert werden – in der ganzen Region, in allen Metallbetrieben, in der gesamten Linken und allen sozialen Bewegungen, in der Perspektive der Verstaatlichung als Alternative zur Schließung des Standorts. Dafür ist notwendig, dass die wichtigsten Entscheidungen des Streiks von der Streikversammlung der Arbeiter*innen selbst getroffen werden müssen. Die anderen Voith-Standorte auch für den Streik zu gewinnen, ist eine der dringendsten Aufgabe der IG Metall heute.

Das Unternehmen Voith will seine Profitrate international erhöhen, indem die Arbeitsplätze der eigenen Unternehmen und von den anderen Unternehmen in Deutschland und international zerstört werden. Der Zwang zu mehr Profit aus der kapitalistischen Produktion basiert auf eben auf der Zerstörung der Produktivkräfte. Doch gegen diesen Zwang können die Arbeiter*innen ihre eigene Alternative entgegensetzen: Voith muss unter Arbeiter*innenkontrolle verstaatlicht werden, um die Arbeitsplätze zu verteidigen. Die Möglichkeit, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren, indem die Arbeitsstunden bei vollem Lohn gesenkt werden, bis jede*r eine Arbeit habt, kommt für Familie Voith und für die bürgerliche Klasse im Gegensatz dazu nicht in Frage.

Dabei wird die Krise über kurz oder lang die Kapitalist*innen zu noch drastischeren Mitteln zwingen: Die kapitalistische Konkurrenz, die heute auf der wirtschaftlichen Ebene die Arbeitslätze (Fabriken, Betrieben) zerstört, wird früher oder später auch zu Kriegen führen, die Produktivkräfte und Millionen von Leben auslöschen. Die steigenden Handelskriege zwischen den Großmächten sind erste Vorankündigungen davon. Deshalb ist die Selbstorganisation der Arbeiter*innen und die Verteidigung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen heute umso wichtiger, um sich auf die kommenden Auseinandersetzungen vorzubereiten.

Klasse Gegen Klasse: Eine Stimme der Arbeiter*innen im Kampf für ihre politische Unabhängigkeit

Wir wollen dazu beitragen, dass die Arbeiter*innen und die Jugend im Kampf selbst die Führung der Kämpfe in die eigenen Hände nehmen und ein Programm aufstellen, damit nicht nur ihr Kampf triumphiert, sondern die ganze Klasse Fortschritte machen kann. Das setzt unsere Zeitung vor eine große Herausforderung: Viele Kolleg*innen heute teilen noch nicht Forderungen wie Verstaatlichung unter Arbeiter*innenkontrolle. Wir wollen diese Ideen trotzdem verbreiten, weil es keine andere realistische Möglichkeit gibt, wie so ein Kampf gewonnen werden kann. Es reicht im Klassenkampf nicht aus, bei den durchschnittlichen gewerkschaftlichen Ideen zu bleiben. Denn sie geben heute keine Antworten auf die dringendsten Aufgaben gegen Schließungen und Entlassungen. Wir sind überzeugt, dass die Arbeiter*innenklasse, um eine tatsächliche Antwort auf die kommende Krise zu geben, den Kampf für ihre politische Unabhängigkeit von den reformistischen Apparaten der Gewerkschaften und der reformistischen Parteien aufnehmen muss.  Die Forderung „Jeder Betrieb, der Mitarbeiter*innen entlassen oder Werke schließen will, wird entschädigungslos unter der Kontrolle der Arbeiter*innen verstaatlicht!“ ist eine notwendige Forderung für die gesamte Arbeiter*innenklasse, was wir aus dem Kampf der Voith Arbeiter*innen bisher gelernt haben. Deshalb wollen wir die Arbeiter*innen mit Erkenntnissen aus dem Voith-Streik erreichen und unsere Zeitung ausbauen, damit wir diesen Streik und kommende Kämpfe gewinnen können. Wir laden euch ein, unsere Zeitung mehr zu lesen, uns auf Facebook, Instragram, Twitter zu folgen und uns eure Artikel, Kommmentare, Berichte zu schicken, um gemeinsam Klasse Gegen Klasse als Stimme der Arbeiter*innen, der Jugend, der Frauen, der Migrant*innen aufzubauen.

Stimmen der Beschäftigten

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