Voith: Abstimmung über den Sozialtarifvertrag verschieben! Erpressung stoppen! Es braucht Versammlungen, um über den Inhalt zu diskutieren!

26.05.2020, Lesezeit 4 Min.
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Am Montag informierte die Führung der IG Metall die Beschäftigten von Voith Sonthofen, dass sie mit der Geschäftsführung eine Einigung über einen Sozialtarifvertrag ausgehandelt hat. Skandalös: Die Arbeiter*innen sollen gleich am Dienstag in einer Urabstimmung darüber entscheiden – ohne alle nötigen Informationen und ohne genügend Zeit, gemeinsam darüber zu diskutieren.

Bild: Simon Zamora Martín

Nach über einem Monat Streik bei Voith in Sonthofen soll plötzlich alles ganz schnell gehen. Carlos Gill, Sekretär der IG Metall, legte am Montagvormittag einen Plan für einen Sozialtarifvertrag vor, über den die Beschäftigten schon am Dienstag abstimmen sollen:

  • 167 Beschäftigte sollen unbefristet in ein Büro im Allgäu übernommen werden. Die Beschäftigungssicherung gilt bis Ende September 2023.
  • Es wird eine Transfergesellschaft gegründet, bei der zwischen 13 und 15 Monaten Weiterbildungsmaßnahmen bei 80-prozentigem Gehalt gezahlt werden.
  • Für wen es aber tatsächlich Folgebeschäftigungen in Crailsheim oder an anderen Standorten geben wird, ist offen. Anders als von Geschäftsführer Dr. Toralf Haag behauptet, gibt es bisher keine konkreten Jobangebote über die 167 Büroplätze hinaus.

Die Geschäftsleitung will keine Alternative zum Sozialtarifvertrag anbieten. Das ist schlicht Erpressung! Die Gewerkschaftsführung ist bereit, diese Erpressung zu akzeptieren und will sie ohne Diskussion auf die Beschäftigten abwälzen. Das ist ein völlig undemokratisches Manöver: Weder liegen alle Informationen über den Sozialtarifvertrag auf dem Tisch, noch hat es irgendeine Art von gemeinsamer Aussprache über dieses Angebot unter den Streikenden gegeben.

Die Abstimmung muss unbedingt verschoben werden – die Beschäftigten müssen die Möglichkeit haben, sich so lange und ausführlich wie nötig in Streikversammlungen unter Einhaltung der notwendigen Corona-Maßnahmen über die Inhalte des Angebots und über mögliche Alternativen auszutauschen. Alle Zahlen und Fakten müssen offengelegt werden. Wenn das aktuelle Angebot tatsächlich die einzige oder gar die beste Lösung für die Situation wäre, warum hat es dann die IG-Metall-Führung so eilig? Warum soll es nicht möglich sein, nach über einem Monat Streik über die Sorgen und Bedenken aller Streikenden ausführlich zu sprechen? Keine Abstimmung sollte stattfinden, bevor diese nicht geäußert und alle möglichen Alternativen erörtert wurden.

Was sind die Alternativen?

Wir lehnen den Sozialtarifvertrag ab, weil er definitiv die Schließung des Standortes bedeutet und nach Ablauf der Weiterbildungsmaßnahmen einen Teil der Belegschaft mit Arbeitslosigkeit bedroht.

Die IG Metall muss mit den Beschäftigten einen alternativen Kampfplan ausarbeiten, damit diese statt der Erpressung die Möglichkeit haben, zwischen Sozialtarifvertrag und Kampf für den Erhalt des Werkes zu wählen. Ein Kampfplan könnte folgende Elemente enthalten:

  • Versammlungen der Beschäftigten an anderen Standorten von Voith mit dem Ziel, einen Streik auch dort vorzubereiten.
  • Die Beschäftigten müssen über alle Maßnahmen des Streiks gemeinsam diskutieren und abstimmen können.
  • Gemeinsame Demonstrationen (unter Einhaltung von Corona-Maßnahmen) mit Beschäftigten anderer Branchen und Betriebe gegen Entlassungen wie bei Galeria/Karstadt/Kaufhof, TUI, Lufthansa.
  • Für eine bundesweite Kampagne gemeinsam mit Belegschaften anderer Betriebe in der Metallbranche und anderer Branchen und mit solidarischen Unterstützer*innen zur Verteidigung des Werkes und um Druck auf die bayerische Staatsregierung auszuüben, die Schließung und die Entlassungen zu verhindern.

Wir treten für die Verstaatlichung von Voith unter Kontrolle der Arbeiter*innen selbst ein. Das ist die einzig realistische Perspektive zum Erhalt des Werks und aller Arbeitsplätze. Ob diese Forderung durchgesetzt werden kann, wird davon abhängen, wie viel Druck die Gewerkschaft, die Arbeiter*innen und alle linken und sozialen Organisationen auf die bayerische Staatsregierung ausüben können. Es gibt dafür in der bayerischen Landesverfassung mit Artikel 158 ff. auch eine rechtliche Grundlage: “Eigentum verpflichtet gegenüber der Gesamtheit. Offenbarer Mißbrauch des Eigentums- oder Besitzrechts genießt keinen Rechtsschutz.”

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