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Berlin: Volksbegehren für mehr Personal in der Pflege gestartet

12.02.2018, Lesezeit 5 Min.
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Das Berliner Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus hat einen Volksentscheid auf den Weg gebracht. Diesen gilt es zu unterstützen und mit den aktuellen Kämpfen der Beschäftigten zu verknüpfen.

Die Gewerkschaft ver.di kritisiert seit Jahren den niedrigen Personalschlüssel in Berliner Krankenhäusern. Laut der Gewerkschaft fehlen etwa 3.000 Pflegekräfte in den Berliner Krankenhäusern.

Nun möchte das Berliner Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus dieses Problem mit einem Volksentscheid angehen. Am Freitag kamen Pflegekräfte und Unterstützer*innen zur Auftaktversanstaltung im ver.di-Haus zusammen.

Wenn es ihnen gelingt, in den kommenden sechs Monaten 20.000 Unterschriften von wahlberechtigten Berliner*innen zu erhalten, können sie den Antrag auf ein Volksbegehren bei der Senatsverwaltung für Inneres und Sport stellen. Nach der Prüfung der Zulässigkeit und der Unterschriften wird das Begehren dann dem Berliner Abgeordnetenhaus vorgelegt. Dieses hat vier Monate Zeit, sich mit dem Anliegen zu beschäftigen. Da sich der Berliner Senat in den vergangenen Jahren stets gegen die Interessen der Krankenhausbeschäftigten gestellt hat, ist nicht davon auszugehen, dass es hier zu einer konkreten Zusage für mehr Krankenhauspersonal kommt.

Wird das Anliegen vom Abgeordnetenhaus abgelehnt, kann die Durchführung eines Volksentscheids beantragt werden. Dafür müssen 175.000 Unterschriften gesammelt werden, was sieben Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung Berlins entspricht. Anschließend besteht die Möglichkeit, dass das Begehren unverändert durch das Abgeordnetenhaus angenommen wird.

Ist das nötige Quorum erreicht, kommt es zum Volksentscheid. Dieser wird als Wahl durchgeführt. Es bedarf einer erfolgreichen Abstimmung, wobei mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten dem Begehren zustimmt haben müssen.

Kaum Verbesserung bei Charité und CFM seit 2011

Besonders am größten Krankenhaus in Berlin, dem Universitätsklinikum Charité, gibt es seit vielen Jahren Auseinandersetzungen um die Personalbesetzung. Die Belegschaft der Charité ist seit über zehn Jahren gespalten. Das medizinische Personal ist direkt beim Krankenhaus angestellt, das Servicepersonal bei der Tochterfirma Charité Facility Management (CFM).

Zum letzten Mal kämpften Beschäftigte der Charité und der Charité-Facility-Management GmbH, kurz CFM, 2011 gemeinsam für eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen. Dabei ging es nicht um den Personalmangel, sondern um eine angemessene Bezahlung. Leider ging diese Einheit verloren. Während die Pfleger*innen der Charité eine Lohnerhöhung erhielten, gingen die Beschäftigten der CFM leer aus.

2015 haben die Charité-Beschäftigten einen historischen zehntätigen Streik für mehr Personal geführt – der erste solche Arbeitskampf in ganz Deutschland. Als Ergebnis wurde ein Tarifvertrag Gesundheitsschutz, kurz TV-GS, vereinbart.

2017 musste wieder für mehr Personal gestreikt werden. Im September wurde an fünf Tagen nacheinander die Arbeit niedergelegt, danach wurde der Arbeitskampf ausgesetzt. Anlass für den Streik war, dass die Geschäftsführung der Charité Interpretationsspielräume im TV-GS, weiträumig ausgenutzt hatte, um kein zusätzliches Personal beschäftigen zu müssen.

Auch bei der CFM kam es im Mai und Juni 2017 wieder zu Streiks. Doch leider fanden die Streiks an der Charité und bei der CFM zeitlich getrennt statt. Zugleich sind weder an der Charité, noch an der CFM, die Beschäftigten überzeugt dass sich ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen verbessern werden.

Da also bis heute die Probleme des Personalmangels und der Tarifflucht in den Berliner Krankenhäusern nicht gelöst wurden, wird der Kampf weitergehen. Ein Schritt geht nun das Berliner Bündnis für mehr Personal in den Krankenhäusern, das mit einem Volksbegehren Aufmerksamkeit schaffen und Druck aufbauen möchte. In den kommenden Wochen und Monaten versuchen die Aktivist*innen die nötigten 20.000 Unterschriften zu sammeln, um die erste Hürde zu nehmen. Dabei geht es allerdings nur um das Thema Personalmangel. Aufgrund einer Gesetzesklausel darf Personalmangel und Tarifflucht nicht gleichzeitig Bestandteil eines einzelnen Volksbegehrens sein. Daher gilt es die Kampagne für das Volksbegehren so zu nutzen, dass auch die CFM mit einbezogen wird, zum Beispiel mit gemeinsamen Aktionen.

Volksbegehren und Klassenkämpfe verbinden

Wenn es wieder zu Streiks bei der CFM kommt, könnten die dortigen Beschäftigten gemeinsam mit dem Berliner Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus Unterschriften sammeln, während das Bündnis im Gegenzug die CFM-Beschäftigten bei ihren Aktionen unterstützt.

Kolleg*innen äußern die Befürchtung, dass die Unterschriftensammlung den Schwerpunkt weg von Arbeitskämpfen verlagern wird. Außerdem könnten die Krankenhausbetreiber*innen noch stärker argumentieren, dass die Forderungen zwar berechtigt seien, aber nur auf politischer Ebene Verbesserungen möglich sind. Und selbst wenn eine bestimmte Formel (PPR) per Gesetz beschlossen wird, heißt das nicht automatisch, dass die Arbeitsbedingungen wirklich besser werden.

Dieses Volksbegehren sollte deswegen eine öffentliche Unterstützung für den Kampf der Kolleg*innen selbst sein. In Verbindung mit Streiks der Beschäftigten wäre das das effektivste Mittel, um die Regierung zum Handeln zu zwingen. Und gleichzeitig sind es die Arbeitenden selbst, die am Besten kontrollieren können, ob genug Personal da ist oder nicht.

Auch andere Sektoren, wie die studentischen Beschäftigten, die ihren Arbeitskampf fortführen wollen, könnten die Kampagne für ein Volksbegehren für mehr Personal im Krankenhaus unterstützen. Gemeinsam wären sie in der Lage an den Berliner Hochschulen für Unterstützung zu werben und Streikaktivist*innen von CFM und Charité könnten sich mit studentischen Hilfskräften austauschen und gegenseitig unterstützen.

Auch haben die studentischen Hilfskräfte und die Pfleger*innen der Charité einen gemeinsamen Feind: den Kommunalen Arbeitgeberverband.

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