Aufschwung der Studierendenbewegung: Vollversammlungen und Verbindung mit den Beschäftigten jetzt!

08.05.2024, Lesezeit 7 Min.
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Foto: Klasse Gegen Klasse

Der gestrige Protesttag an der FU Berlin wird in die Geschichte eingehen. Es war eine der brutalsten Repressionen in der turbulenten Geschichte der Uni, gleichzeitig wuchs der Widerstand der Studierenden. Was können wir jetzt tun?

Es war ein normaler Uni-Dienstag, könnte man meinen, bis um kurz vor 10 Uhr dann plötzlich an die 100 Studierende im Theaterhof der FU Berlin auftauchten und ein Zeltlager in Solidarität mit Palästina errichteten. Dies geschieht nach Vorbild der internationalen Studierendenbewegung gegen den Genozid in Gaza mit Ursprung in den USA. Nachdem bereits Studierende in Barcelona, Amsterdam, Wien sowie verschiedenen britischen und französischen Städten ihre Unis besetzen, sind die Proteste sind nun mit voller Wucht in Deutschland angekommen. Neben dem Camp an der FU Berlin gab es ähnliche Aktionen in Leipzig, Bonn, Bremen und Köln.

Kurz nach Beginn des Camps erschien bereits ein Vertreter der Universitätsleitung, der den Studierenden sogleich zusicherte, dass sie in keinem Fall bleiben dürfen und die Polizei bereits auf dem Weg sei. Dialogbereitschaft war von Seiten des Uni-Präsidiums nicht vorhanden. Entgegen der Darstellung des FU-Präsidenten Günter Ziegler, die Besetzung wäre wegen Sachbeschädigung oder Hassparolen geräumt worden, hatten diese nicht stattgefunden und von Anfang an war dem Präsidium klar, dass es die Polizei auf ihre Studierenden hetzten wird. Es ist ein Skandal sondergleichen, die Polizei auf den Campus zu lassen, um sie brutal gegen friedliche Studierende einzusetzen! 

Im Laufe des Tages nahm die Repression ihren Lauf, rund um die FU wurden alle studentischen Versammlungen verboten, mit vielfach dokumentierter Polizeigewalt wurden Studierende von der Solidarisierung mit ihren Kommiliton:innen, die inzwischen von der Polizei im Theaterhof gekesselt waren, abgehalten. Dabei wurde sogar Pfefferspray im Gebäude der FU eingesetzt. Dutzende Studierende wurden verletzt und mussten vor Ort oder sogar im Krankenhaus medizinisch versorgt werden. Die Polizei erstellte eine Vielzahl von Anzeigen gegen viele, die sich ihr Recht auf Protest nicht nehmen ließen und bei der Besetzung blieben, bis die Polizei diese räumte. Ein solches Ausmaß von polizeilicher Repression hat es an der FU Berlin seit Jahrzehnten nicht gegebenen.

Dieses brutale Vorgehen geschieht im Angesicht einer autoritären Aufrüstung des deutschen Polizeiapparates und einer massiven Einschränkung der demokratischen Rechte, die pro-palästinensische Aktivist:innen aktuell am härtesten zu spüren bekommen. Diese Entwicklung ist ein Spiegelbild des auch nach außen zunehmend aggressiven und militaristischen Auftretens des deutschen Imperialismus, mit einer massiven Aufrüstung der Bundeswehr, Kriegseinsätzen im Roten Meer und großangelegter Unterstützung für Israels Genozid an den Palästinenser:innen. Die Proteste gegen den Völkermord in Gaza, der aktuell mit einer brutalen Offensive auf Rafah weitergeführt wird, steht im Widerspruch zu den imperialistischen Interessen der deutschen herrschenden Klasse und wird daher von ihr mit aller Härte reprimiert. 

Doch das brutale Vorgehen von Polizei und Universitätsleitung bleibt nicht unbeantwortet. Es folgt eine Welle der Solidarisierung, die weit über das hinausgeht, was wir in den vergangenen Monaten der Palästinasolidarität an den Unis sehen konnten. Besonders hervorzuheben ist ein Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten, welches noch am selben Tag veröffentlicht und mittlerweile von hunderten Uni-Beschäftigten unterzeichnet wurde. Darin betonen sie die Verantwortung des Lehrpersonals, ihre Studierenden zu schützen und ihr Recht auf Protest zu verteidigen. Sie fordern von den Universitätsleitungen, keine Polizei auf den Campus zu rufen und Strafanzeigen gegen Studierende fallen zu lassen.

Auch der AStA der FU Berlin, welcher in der Vergangenheit mit Positionierungen, wie im Falle der Hörsaalbesetzung im Dezember, häufig monatelang auf sich warten ließ, veröffentlichte prompt ein Statement, welches in eine ähnliche Richtung wie das der Beschäftigten ging, allerdings auch den sofortigen Rücktritt des Präsidiums der FU Berlin forderte.

Angefacht durch die international wachsende studentische Solidarität mit Palästina beobachten wir also eine neue Dynamik, in der viel größere Teile der Uni-Angehörigen in den Kampf hineingezogen wurden. Noch nie waren annähernd so viele Menschen an Palästina-solidarischen Protesten an der FU beteiligt und noch nie war die Stimmung unter ihnen so kämpferisch. Wir denken, dass ein Ansatz der weiteren Verbreiterung der Bewegung der beste Weg ist, um Erfolge zu erzielen und auch die Repression zu konfrontieren. So wurde die Polizei durch die Anzahl und Entschlossenheit der Protestierenden gestern mehrmals in Bedrängnis gebracht und war anfangs nicht in der Lage, das Camp zu räumen. Auch während der Räumung selbst bestand in einem Moment, in dem zahlreiche Studierende es fast schafften, die Polizei zu überwältigen und vom Gebäude in den Hof zu kommen, die Möglichkeit, sich erfolgreich über die Repression hinwegzusetzen. 

Um diese neu aufflammende Dynamik weiter zu entfachen und zu verstetigen, schlagen wir vor, möglichst bald Vollversammlungen abzuhalten. Dort können die Studierenden darüber diskutieren und beschließen, wie Polizeirepression, antidemokratische Angriffe wie die Verschärfung des Berliner Hochschulgesetzes und die Militarisierung der Unis gestoppt werden können und wie wir die Solidarität mit Palästina hier am besten voranbringen können. Auch der Forderung nach dem Rücktritt des Präsidiums könnte durch eine Vollversammlung Nachdruck verliehen werden und es könnte über alternative Formen von Hochschulverwaltung diskutiert werden.

Ebenso halten wir die Verbindung zu den Beschäftigten für den Aufbau einer neuen Studierendenbewegung für zentral. In diesem Sinne ist die Petition der Uni-Lehrenden eine sehr wichtige Initiative. Eine breite Solidarität unter den Beschäftigten würde es dem Uni-Präsidium deutlich schwerer machen, die Gewalt gegen die Studierendenschaft zu legitimieren und auch bei der physischen Verteidigung gegen die Repression wäre ihre Unterstützung ein großer Gewinn. Als Vorbild können die Protestcamps an verschiedenen US-Universitäten dienen, die von Beschäftigtn vor der Repression abgeschirmt wurden. 

Auch haben sie die Möglichkeit, den Uni-Betrieb lahmzulegen, und können so eine große Macht entfalten. Die Gewerkschaften ver.di und GEW, in denen die Universitäts-Beschäftigten organisiert sind, müssen sich öffentlich klar gegen die Repression positionieren und für die Verteidigung des Rechts auf politischen Protest mobilisieren. 

Doch auch über die Universität hinaus müssen Arbeiter:innen sektorübergreifend gegen die innere und äußere Militarisierung aktiv werden.

Wir wollen mit euch über Eindrücke und Analysen des gestrigen Protestcamps an der FU und die Perspektiven für den Aufbau einer neuer Studierendenbewegung in Solidarität mit Palästina und gegen den ansteigenden staatlichen Autoritarismus diskutieren. Wir wollen gemeinsam mit euch gegen Genozid, Militarismus und die Polizei kämpfen. Kommt daher heute Abend zum offenen Treffen und organisiert euch bei Waffen der Kritik!

Wie weiter mit der Palästinabewegung an den Unis?

Offenes Treffen von Waffen der Kritik

Mittwoch, 8. Mai 2024

Berlin-Neukölln, Ort auf Anfrage über info@klassegegenklasse.org oder Instagram

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