AKK war nur ein Übergangsphänomen: Ein neuer rechter Block formiert sich in der BRD

10.02.2020, Lesezeit 5 Min.
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Annegret Kramp-Karrenbauer war als Parteichefin angetreten, um die CDU zu einigen. Doch das Debakel in Thüringen treibt sie aus dem Amt. Es kommt einem Putsch eines rechten Blocks gleich.

Bild: Olaf Kosinsky, CC BY-SA 3.0-de, via Wikimedia Commons

Schon ihre Wahl zur Parteivorsitzenden im Dezember 2018 begann schlecht: Mit 517 gegen 482 Stimmen konnte sich Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) auf dem CDU-Parteitag nur ganz knapp gegen Friedrich Merz durchsetzen. Sie sollte im Wesentlichen die Linie von Angela Merkel weiter führen, mit leicht konservativerem Antlitz.

Als Parteivorsitzende sollte sie auch Kanzlerkandidatin werden, aber ihre schlechten Zustimmungswerte ließen bereits erahnen, dass das letzte Wort in dieser Frage noch nicht gesprochen war. Das politische Beben in Thüringen hat offenbart, wie wenig Autorität AKK in den eigenen Reihen genoss. Trotz vorheriger Warnungen an den Landesverband war sich dieser nicht zu schade, das Spiel der AfD mitzuspielen und Thomas Kemmerich von der FDP zum Ministerpräsidenten zu küren. AKK versuchte die Situation im Nachhinein zu retten, doch musste erst Angela Merkel von der Auslandsreise ein Machtwort sprechen, was AKK in den Schatten stellte.

Von rechts wird AKK vorgeworfen, die Wahl des Ministerpräsidenten von oben verhindert zu haben, während die Situation weiter ungelöst bleibt: Von einer Minderheits-Regierung der Linken, Neuwahlen bis zu einer weiteren unerwarteten Wendung scheint alles möglich.

AKK ist daran gescheitert, dass ihre Position als Vertreterin des Zentrums in Nachfolge zu Merkel in der CDU nicht mehr ausreichend Unterstützung findet. Die strikte Abgrenzung sowohl gegenüber der AfD als auch der Linkspartei erlaubt im Osten nur schwer eine Regierungsbildung und gerät so zur Bundespolitik in Widerspruch, wo sich eine schwarz-grüne Bundesregierung 2021 andeutet.

Sowohl AKK als auch die rechte Unions-Fraktion sehen in der Linkspartei den stalinistischen Teufel, obwohl sie in Thüringen mit Bodo Ramelow den wahrscheinlich biedersten sozialdemokratischen Verwaltungsbeamten vor sich haben. Während AKK im Osten eine illusorische Mehrheitsbeschaffung in der Mitte anstrebt, sind die rechten Teile der CDU wie auch der FDP konsequenter: Für sie ist die AfD heute zwar kein möglicher Regierungspartner, weil dies ihre Parteien sprengen würde. Aber sie sind offen dafür, partielle Kooperationen einzugehen wie bei der Wahl Kemmerichs. Insbesondere versuchen sie, die AfD salonfähig zu machen und auf diese Weise langfristig einen rechten Block gegen jede linke, sozialdemokratische oder grüne Regierung herzustellen.

Bezeichnend ist die Aussage des ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen, der die Wahl Kemmerichs mit „Hauptsache die Sozialisten sind weg“ kommentierte. Inhaltlich haben diese Konservativen und Marktradikalen wenig Probleme mit der AfD. Typen wie Kemmerich plünderten in den 1990er Jahren den Osten aus, während die Nazis mit Terrorakten davon ablenkten.

Die rechten Kreise, die sich in den Jahren der wirtschaftlichen Stärke Deutschlands Merkel unterordneten, wittern seit 2015 ihre Chance. Ihr Vorwurf: zu wenig staatliche Durchsetzungsfähigkeit an den Grenzen und im Inneren, zu viele soziale und gesellschaftspolitische Kompromisse nach links.

AKK als Vertreterin der „Mitte“ in Abgrenzung zu AfD und Linkspartei funktioniert nicht länger. Sie war nur eine Übergangslösung, ohne eine neue Ära für die CDU zu eröffnen. Für eine mögliche Nachfolge brachte sich bereits Friedrich Merz vor einigen Tagen in Stellung, als er ankündigte, den Aufsichtsratsvorsitz von Black Rock abzutreten. Als weitere aussichtsreiche Kandidaten für den Parteivorsitz gelten der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet und Gesundheitsminister Jens Spahn, für die Kanzlerkandidatur zudem Markus Söder von der Schwesterpartei CSU.

AKK hat angekündigt, bis zum Sommer einen geordneten Übergang moderieren zu wollen. Doch könnte ihre Stellung bereits so angeschlagen sein, dass auch dies schwierig wird. Ein vorzeitiges Ausscheiden von AKK, vielleicht gar mit einem Sieg des Hardliners Friedrich Merz, könnte für Merkel und die GroKo die Regierungsarbeit deutlich erschweren.

Die rechten Kreise in der AfD und CDU können bereits jetzt zufrieden sein: Sie haben die Parteiführung um AKK in ernste Bedrängnis gebracht. Der Traum der AfD-Strategen von einem rechten Block, der die Bundespolitik vor sich hertreibt, ist näher gerückt.

Doch es gibt auch eine andere Seite der Medaille: Diese verlängerte Krise des Merkelismus, die nichts anderes ist als die Krise des hegemonialen Projekts der deutschen Bourgeoisie insgesamt, eröffnet Lücken für die Infragestellung des Regimes. Diese Infragestellung wird aktuell – siehe Thüringen – noch hauptsächlich von rechts kanalisiert. Doch es gibt auch eine andere Möglichkeit: Anstatt krampfhaft eine „Koalition der aufrechten Demokraten“ zu organisieren, wie es der Linkspartei vorschwebt, die nur dazu da wäre, die entstandenen Risse notdürftig zu verkleistern, könnte eine wirklich alternative Perspektive der Arbeiter*innen, der Jugend, der Frauen und der Migrant*innen sich gleichzeitig dem Aufstieg der AfD und dem Regime entgegensetzen, das so ein Ereignis wie in Erfurt überhaupt zugelassen hat. Es gibt keinen Grund zum Pessismus, nur die Aufgabe, uns zu organisieren.

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