Zwangsräumung aus sozialem Wohnheim – Interview mit einer Betroffenen

19.03.2021, Lesezeit 7 Min.
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Foto: hanohiki/ shutterstock.com

D. wurde nach längeren Nachbarschaftsstreitigkeiten ihre Wohnung in dem Wohnheim eines sozialen Trägers gekündigt. Nun steht sie kurz vor einer Zwangsräumung. Sie hat sich an uns gewandt, heute veröffentlichen wir ein Interview mit ihr.

Hallo D., du hast uns kontaktiert, weil du kurz vor einer Zwangsräumung stehst. Du wohnst bei einem sozialen Träger. Welche Rolle spielt er dabei?

Der Träger hatte und hat kein Interesse, mich zu schützen. Man sieht es an einem Fall von mutmaßlicher Lärmbelästigung durch mich. Es gab Lärmprotokolle, die nicht stimmen konnten, denn ich war zu den Lärmzeiten nicht anwesend. Das hätte auch die Sozialarbeiterin der Nachbarn bestätigen können. Doch der Träger hielt es nicht für nötig, sich für den Schutz meiner Person einzusetzen. Im Gegenteil, man sagte mir, die Sozialarbeiterin der Nachbarn dürfe sowieso keine Aussage machen. Mir wurde auf allen erdenklichen Wegen erklärt, ich brauche mich gar nicht wehren. Begründet wurde dies damit, dass der Träger dann alle seine Wohnungen verlieren würde. Man erwartete also von mir, auf meine Rechte verzichten, damit der Träger seine Mietverträge schützen kann.

Der Träger bietet Unterstützung für Menschen mit psychischen Schwierigkeiten. Die vollständige Kündigung meiner Wohnung wurde mir ausgesprochen, nachdem ich einen Suizidversuch unternommen hatte. Dazu kam noch ein sexueller Übergriff gegen mich bei einem Job in einer Kneipe.

Der heute stellvertretende Leiter dieses Trägers war damals mein Sozialarbeiter, der mir half, diese Wohnung beim Träger zu bekommen. Er selbst hörte schon cholerische Ausbrüche des Nachbarn, die dieser nun versucht, mir anzulasten. Von dort kommt jetzt nur noch betretenes Schweigen, obwohl er damals mit mir noch eine Antwort auf einen Brief voller Beleidigungen und Diskriminierungen verfasste. Er ist Jurist, riet mir aber damals schon, als neue Bewohnerin im Haus die Füße still zu halten.

So wurde mir nahegelegt, gar nicht anzusprechen, wie sich die Nachbarn hier mir gegenüber benehmen, denn das würde nichts bringen. Die emotionale Erpressung wurde mir erst im Nachhinein bewusst, denn er sagte mehrfach: das interessiere die Wohnungsgenossenschaft alles gar nicht und wenn ich da jetzt durch eine Aussage gegen die Nachbarn Unruhe reinbringen würde, würde ich ja wohnungslos werden.

Obwohl mir auch durch einen Betreuungsvertrag ein gewisser Schutz meiner Person durch den Träger zusteht, hat er von Anfang an versucht, sein Mietverhältnis zu schützen. Dass daran mein Leben und das meines Sohnes hängt, scheint irrelevant für den Träger. Wobei dieser neuerdings meint, ich müsse meine Anwältin verklagen, denn diese habe sich nicht um die Papiere für eine neue Wohnung bemüht. Lustig daran: Die Anwaltsgehilfin dieser Dame sucht selbst auch schon seit über einem Jahr eine Wohnung.

Wohnungsnot und Obdachlosigkeit sind auch in einer rot-rot-grün regierten Stadt wie Berlin extrem. Welche Verantwortung trägt die Regierung deiner Meinung nach?

Die Regierung trägt meiner Meinung nach einen großen Teil Mitschuld, an der stark wachsenden Wohnungslosigkeit. Es ist ja der Senat, der solche Menschen, wie meinen ehemaligen Arbeitgeber deckeln. Ja, ich selbst war Heimleitung in einem Wohnheim und es ist nicht nur in der Firma üblich, die Not der Menschen zu nutzen, um sich selbst zu bereichern, während die Menschen in Not in einem Schimmelkomplex leben müssen.

Ich kann schon verstehen, wieso wohnungslose Menschen nicht in so einer Einrichtung leben wollen. Wobei ich auch das System unmöglich finde, denn während die Jobcenter für ein Bett in einem Mehrbettzimmer bis zu 900€ bezahlen, bekommt man bei einer Wohnung von 520€ Warmmiete zu hören, das sei zu teuer.

Ich habe mich auch an einen Politiker in Neukölln gewandt, der sich mit dem Thema befasst. Dieser gab meine Geschichte auch an eine Kollegin hier in meinem Bezirk weiter. Was tat diese? Es an das Sozialamt schicken, doch dort ist mein Fall schon bekannt und man gab mir folgende Möglichkeit: Ein Bett in einem Wohnheimzimmer, was ich wegen meinem Sohn und meinem Partner nicht annehmen kann. Außerdem könnte ich meine Katzen nicht mitnehmen, was für mich keine Option ist.

So halten mich der Senat, bzw. die Behörde in einem Kreislauf, den ich laut Psychologen durchbrechen sollte. Ein Kreislauf, den der Senat da fördert. Es geht ja nicht nur mir so, sondern auch Menschen mit Suchtproblematik sind von diesem Paradoxon betroffen. Man lernt ja schon sehr schnell, dass man sich vom alten Umfeld fernhalten soll, wenn man das Alkoholproblem in den Griff bekommen will. Gleichzeitig steckt man aber in solchen Einrichtungen drei bis vier Alkoholiker zusammen. Man hat also keinerlei Chance, sich aus einem Tiefpunkt raus zu arbeiten. Selbst mit einer Therapie nicht, denn der Staat lässt einem gar nicht die Möglichkeiten, das gelernte aus der Therapie dann auch umzusetzen.

Wie kann man dich unterstützen?

Gute Frage, denn auch ihr werdet mir keinen Wohnraum bieten können, in dem ich endlich zur Ruhe kommen kann. Das wünschte ich mir ja mit dieser Wohnung, doch dann bekam ich Nachbarn, die mir erklärten, ich sei bloß eine Asylantenhure, die vergast gehört. Hauptsache ich höre auf die Sozialarbeiter und die Behörden, die mir erzählen wollen, das es doch ganz andere Dinge seien, weshalb ich psychisch solche Probleme habe.

Ich stelle nach all dem, was ich so durchmachen musste, noch nicht mal große Ansprüche. Zwei kleine Zimmer, eines für mich und eines für meinen Sohn, mit einem kleinen Balkon für meine beiden Katzen, das wäre schon nett. Einen Ort, wo ich mich nicht angreifen lassen muss, weil ich weltoffen bin und wo ich mit meinem Sohn dann hoffentlich ganz neu anfangen kann. Er wollte Abitur machen und jetzt sieht es so aus, als schaffe er noch nicht mal den normalen Abschluss.

Vielleicht habe ich ja Glück und da draußen gibt es irgendwo einen Vermieter mit Herz, der weiß, das man Menschen manchmal einfach nur eine Chance geben muss, damit sie wieder in das Leben zurück finden. Ich habe mir nicht selbst ausgesucht, so aus der Bahn geworfen zu werden. Dafür mache ich eine Mitarbeiterin vom Jugendamt, die entschied, dass mein Sohn nicht bei mir leben kann und Sozialarbeiter bei denen ich mir Hilfe erhoffte, verantwortlich. Ich will einfach nur noch raus aus diesem Kreislauf und das Gefühl haben, endlich wieder Atmen zu können, wobei ich die Hoffnung eigentlich schon aufgegeben habe. Ich bin kein Glückskind und selbst beim Lose Ziehen kann ich fünf Familientüten kaufen, um am Ende dennoch nur einen Trostpreis zu bekommen.

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